"Party-Liliputaner" als Funfaktor: Ein Job wie jeder andere?

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Unter der Bezeichnung „Party-Liliputaner“ war ein Act in einer Diskotek in der Düsseldorfer City angekündigt worden. Nahezu 2.000 Teenies vom Niederrhein und dem Ruhrgebiet hatten vorab ihre Teilnahme zu der als „größte Hausparty von NRW“ beworbenen „Project-Party“ auf Facebook bestätigt.

Nachdem das Ordnungsamt der Stadt Düsseldorf einem Hinweis des Gocher Wochenblatts nachgegangen war, erhielten die städtischen Mitarbeiter wenige Stunden, bevor das Event stattfinden sollte, auf Nachfrage von den Betreibern der Lokalität die Info, dass der kleinwüchsige Darsteller erkrankt sei und der Programmpunkt entfalle...
Zum Hintergrund: Bei der besagten Veranstaltung sollte ein kleinwüchsiger Darsteller laut Aussage der Betreiber der Lokalität gegenüber dem Düsseldorfer Ordnungsamt auf einer Bühne - singen. Das Lokal stellte lediglich die Räumlichkeiten zur Verfügung. Eine Eventagentur aus Herford ist hingegen der Veranstalter dieser und weiterer, ähnlicher, als „Abiturfeiern“ bezeichneten Veranstaltungen.

Das Ordungsamt Düsseldorf besaß im Vorfeld des Events keine Kenntnis darüber, dass diese Veranstaltung statt finden würde. Ordnungsamtsleiter Michael Zimmermann zeigte sich überrascht gegenüber der Redaktion und äußerte sich, nachdem Mitarbeiter des Ordnungsamtes mit der besagten Diskotek Kontakt aufgenommen hatten: „Kleinwüchsige Menschen besitzen das Recht, im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Wenn sie jedoch als visuelles Objekt zur Schau gestellt werden, dann verstößt dies gegen die Menschenwürde und unter solchen Vorraussetzungen würde das Ordnungsamt Düsseldorf eine Veranstaltung dieser Art nicht genehmigen.“

Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien wollte Verbot erwirken

Der Bundesverband Kleinwüchsiger Menschen und ihrer Familien (BKMF) versucht seit dem Jahre 2013 zu erwirken, dass Veranstaltungen mit kleinwüchsigen Menschen als Party-Attraktionen verboten werden. Im Jahre 2013 hatte sich bei einer derartigen Veranstaltung in Cuxhaven ein kleinwüchsiger Tänzer bei einem Sturz schwer verletzt.„Das ist relativ schwierig, bislang konnte kein Verbot durchgesetzt werden“, erzählt Michael Arriens, der ehrenamtlich für den BKMF tätig ist. „Erst im vergangenen Monat gab es acht Fälle, bei denen kleinwüchsige Menschen auf einer Partybühne zur Schau gestellt wurden“, berichtet er und bringt es auf den Punkt: „Wenn ein kleinwüchsiger Mensch als Attraktion angekündigt ist, dann ist dies menschenverachtend und sittenwidrig“, so Arriens. Michael Arriens studiert Kommunkationswissenschaften in Hamburg und ist ehrenamtlich für die Aktion Mensch tätig. „Kleinwüchsige Menschen haben ein Recht auf freie Berufswahl“, so Arriens. Solange die künstlerische Leistung des kleinwüchsigen Menschen im Vordergrund stehe und man sich auf Augenhöhe begegne, sähe er kein Problem darin, dass ein kleinwüchsiger Mensch einem Beruf als Bühnenkünstler nachginge. „Wenn man dem Kleinwüchsigen sagt: du darfst das nicht machen, fühlt er sich womöglich auf den Schlips getreten.“ Zweifelsohne sei allein schon der Begriff „Party-Liliputaner“ mehr als grenzwertig, weil abwertend und menschenverachtend. Viele Disco-Betreiber änderten dies. „Das ist in etwa so, als würde man einen Party-Act mit der Bezeichnung ‚Party-Neger’ oder ‚Party-Mongo’ ankündigen“, sagt Michael Arriens. Auch er selbst habe auch in der Vergangenheit Anfragen erhalten für Einsätze als kleinwüchsiger Darsteller. „Hierbei handelte es sich um einen Einsatz als sogenannter ‚laufender Aschenbecher’“, erinnert sich Arriens, der auch als Blogger tätig ist.

„Doch warum lassen sich Menschen auch heute noch zu Beschauungsobjekten degradieren?“ fragt Michael Arriens im aktuellen Beitrag („Warum nur lassen sich kleinwüchsige Menschen durch Discos jagen?“) seines Blog „Roller und ich – platte Reifen und Abenteuer“.Er fragt weiter: „Ist es der stille Drang nach Aufmerksamkeit und Gehör? Sind die Berufsmöglichkeiten für kleinwüchsige Menschen so gering, dass sie keine andere Wahl haben, als sich zum Gespött Anderer zu machen? Oder ist es der Kick, einmal in der Öffentlichkeit zu stehen? Warum ist unsere Gesellschaft daran interessiert, Menschen mit Kleinwuchs auf erniedrigende Weise als “Liliputaner” durch Diskotheken zu jagen oder sie in der Rolle von Zwergen auf Veranstaltungen auszulachen? Fehlt es hier noch an Aufklärung oder gehört diese Gier nach Verachtung zu unserem menschlichen Dasein?“

Eine weitere Frage, die man in diesem Zusammenhang aber auch stellen sollte und muss, ist: Wie kann es sein, dass junge Menschen kritiklos Party-Events besuchen, bei denen kleinwüchsige Menschen mittels einer diffamierenden Bezeichnung als Attraktion angekündigt werden?

Info:

Die in Diskoteken deutschlandweit, wie auch weltweit veranstaltete Partyreihe der „Projekt“ Partys ist eine Anlehnung an sogenannte „Project X“-Partys und gehen auf einen gleichnamigen Film aus dem Jahre 2012 zurück: Bei einer Party eskaliert die Stimmung, ein Kleinwüchsiger kommt dabei zu Schaden! Menschenverachtend war unter anderem ein Disco-Show-Act, bei dem mit einer Jagd auf einen Kleinwüchsigen geworben wurde. Im Jahre 1992 hatte das Verwaltungsgericht Neustadt eine Party mit einer sogenannten „Liliputaner-Action“, bei der ein Kleinwüchsiger als derbe Volksbelustigung zur Schau gestellt worden war, verboten. Der Landesverband NRW Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien besitzt 118 Mitglieder. In NRW leben derzeit etwa 500 kleinwüchsige Menschen

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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