"Wenn ich dünn bin, werde ich selbstbewußt sein": Teufelskreis Essstörung

Foto: DAK
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Bin ich zu dick und zu hässlich? Stark verinnerlichte Schönheitsideale können zu Selbstzweifeln und einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper oder gar einer Essstörung führen. Bei der Gocher Frauen-Beratungsstelle Impuls starten Angebote, die sich an betroffene Frauen und Mädchen sowie deren weibliche Angehörige richten.

Wenn eine Frau oder ein Mädchen dauernd über Essen, den eigenen Körper und ihr Körpergewicht nachdenkt, kann sich dahinter eine ernstzunehmende Essstörung verbergen. „Die Risikofaktoren, die zu einer Essstörung führen können, sind neben stark verinnerlichten Schönheitsidealen, Diäten, rigides Essverhalten mit einer starken Kontrolle, Übergewicht oder aber individuelle, belastende Situationen wie Gewalt, Missbrauch oder Mobbing“, erläutert Diplom-Pädagogin Maria Peeters. Die systhemische Familientherapeutin leitet bei der Gocher Frauenberatungsstelle Impuls die Selbsterfahrungsgruppen für Essstörungen. „Wir möchten für das Thema sensibilisieren, darüber informieren und zu einer Früherkennung beitragen, um großes Leid zu vermeiden“, umreißt Peeters ihre Motivation.

Der Komplex der Essstöruungen umfasst drei Hauptfelder: Bei der Ess-Sucht, auch Binge Eating Disorder (Binge: Englisch für schlingen) genannt, treten Essanfälle mit Heißhungerattacken auf, nach denen die Nahrung nicht vernichtet wird. Hier tritt selten Übergewicht auf. „Bei der Ess-Brechsucht, auch Bulimie bezeichnet, essen Betroffene übermäßig viel und machen dies anschließend durch Erbrechen wieder ungeschehen. Dies wiederholt sich mehrmals täglich“, erklärt Peters. „Bei anderen Formen kommen Apettitzügler oder Abführmittel zum Einsatz oder Betroffene treiben übermäßig viel Sport, um die Aufnahme der Kalorien zu verhindern“, ergänzt die Fachfrau. Als Warnsignale gelten ein Körpergewicht von unter 15 Prozent des Normalgewichts, ein BMI unter 17,5 Prozent und eine ständige Angst vor dem Dickerwerden. „Von einer Essstörung sind nicht selten attraktive, junge Frauen, betroffen, die einen Hass gegen sich selbst entwickeln, weil sie sich als hässlich oder dick empfinden“, berichtet Maria Peeters.

Leben findet oft in der Warteschleife statt

Das Leben findet für die Betroffenen oftmals in einer Warteschleife statt, denn die Essstörung „hilft“ ihnen, im Leben zurecht zu kommen, beispielsweise nach dem Sinne „Wenn ich dünn bin, werde ich selbstbewusst sein“. „Das führt nirgendwohin hin, weil man Leben auf später verschiebt“, so Peeters.
Die Betroffenen müssten lernen, wie es ist, „normal“ zu essen, bis sie gesättigt seien. Das beinhalte auch einen respektvollen Umgang mit sich selber, freundlich zu sich selbst, aber auch nach außen, zu sein. „Denn oftmals werden sie auch respektlos nach außen und teilen aus“, umreißt Peeters die Problematik. Hier tun Anerkennung, Selbstlob und ein optimistisch in die Welt gucken not.

Essstörungen hätten ganz klar zugenommen, berichtet Peeters, wie auch das Alter der betroffenen jungen Mädchen sich immer weiter nach unten bewege. „In unserer Leistungsgesellschaft hat der Fokus auf Schönheit und das Streben nach Perfektion zugenommen. Hier geht es darum, Selbstbewusstsein dafür zu entwickeln, dass wir individuell verschieden sind. Man weiß inzwischen etwa, dass ein mäßiges Übergewicht gesünder ist als Dünnsein“, weiß die Expertin. Eine angeleitete Gruppen-Sitzung bei der Gocher Frauen-Beratungsstelle gestaltet sich wie folgt: „Nach Körperarbeit und Entspannung gibt es eine Gesprächsrunde, bei der die Frauen eigene Themen mitbringen“, erzählt Maria Peeters und fährt fort: „In geschütztem Raum, wo man Andere trifft, die genau wissen, wovon man spricht, kann jede über Dinge sprechen , die ihr auf der Seele brennen. Dies können etwa partnerschaftliche oder berufliche Probleme sein“. Gemeinsam wird über eigene Erfahrungen und mögliche Lösungen gesprochen: Was hilft mir? Was hat gut getan? „Es entstehen Kontakte unter den Teilnehmerinnen“, berichtet Peters. Eltern oder überhaupt Angehörige „hingen“ jedoch selbst meist selbst tief drin in der Symptomatik. Sie lassen sich einspannen für ein „richtiges“ Kochen oder aber dahingehend, den Betroffenen mit Samthandschuhen anzufassen. „Das kann sehr belastend sein und an die Substanz gehen. Daher bieten wir nun auch erstmalig eine Gruppe für weibliche Angehörige von Frauen mit einer Essstörung an“, erzählt Peeters. Die Gocher Frauen-Beratungsstelle vermittelt auch auch weiter an Ärzte und Ernährungsberater und gehört einem Netzwerk aus Kliniken im Kreis sowie einem Verbund mit anderen Fachstellen an.

Info:

- „Gemeinsam die Essstörung entmachten“: Gruppe für Frauen, die eine Essstörung haben, ab Dienstag, 20. Januar, 14-tägig, jeweils von 18 bis 20 Uhr

- „Gelassenheit und Stärke für mich und uns“: Gruppe für weibliche Angehörige von Frauen mit einer Essstörung, ab Mittwoch, 28. Januar, 14-täglich, jeweils von 15 bis 17 Uhr.

Zur Vorbeugung von Essstörungen bei Jungendlichen bietet die Frauen-Beratungsstelle Impuls Workshops oder Projekte für Schule, Jugendzentren etc. an. Vorabgespräch verbindlich, Teilnahme kostenpflichtig, weitere Infos: Frauen-Beratungsstelle Impuls, Voßstraße 28, Tel. 02823/ 419171, e-mail: infofb-impuls.de oder www.fb-impuls.de

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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