Die Hartz IV-Diktatur – ein Abend mit Inge Hannemann

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Am Mittwoch, den 28.10.2015 sprach Inge Hannemann im DGB-Haus, Körnerstraße 43, 58095 Hagen, über Ihre mehrjährigen Erfahrungen als Jobcentermitarbeiterin in Hamburg, ihre Kritik an Hartz IV und ihren Kampf gegen die soziale Ausgrenzung.

Sie eröffnete den Abend mit einem aussagekräftigen Cartoon, welcher einen hintergründigen Einblick in die Beratungskompetenz der Arbeitsvermittlung in Jobcentern reflektiert und in dem sich viele Arbeitssuchende wiederfinden werden: Da outet sich ein Mann als Enthüllungsjournalist auf Arbeitsuche und prompt wird ihm ein passender Job als Stripper angeboten. (Foto)

Nicht weniger tiefe Einblicke gewährt der Blick auf die persönliche Erfahrung der engagierten Ex-Jobcenter-Mitarbeiterin. Nachdem ihre interne und leise Systemkritik hausintern übel genommen und fehlinterpretiert wurde, wandte sie sich mit Ihren Verbesserungsvorschlägen zunächst an den Vorstand der Bundesagentur, dann endlich an die Öffentlichkeit.

Es folgten systematisches Mobbing, Ausgrenzung und endlich die Freistellung. Der Kampf um die Wiedereinstellung im Jobcenter war vergeblich. Dann wurde Ihr ein Arbeitsplatz „im Exil“ bei der Stadt Hamburg im Integrationsamt angeboten: Kein Zugang zu PC und Internet, kein Kundenkontakt, was sich für Frau Hannemann als zunehmende psychische Belastung entwickelte und sie veranlasste ihre Freistellung auf Zeit zu beantragen.

Inzwischen engagiert sich Frau Hannemann für die Partei dieLinke in der Hamburger Bürgerschaft, für die Abschaffung der Sanktionen und das bedingungslose Grundeinkommen.

Anhand einiger ausgewählter Statistiken dokumentierte sie die tatsächlichen Auswirkungen der Hartz IV-Politik: so stünden der offiziell geschönten Arbeitslosenstatistik in Wahrheit ca. 8 Millionen Leistungsberechtigte gegenüber, immerhin etwa 10% der Gesamtbevölkerung.

Sie berichtete über Vorgänge im Schulbetrieb in Hamburg, wo bei einer Schülerspeisung zunächst für Kinder von Leistungsberechtigten Eltern andere Räume vorgehalten wurden, quasi erster und zweiter Klasse. Nachdem die Kritik laut geäußert wurde, wurde zu einer Stigmatisierung durch „weiße und blaue Chips“ übergegangen. Erst die Androhung der Einschaltung seriöser Medien beendete den Spuk.

Im Bereich der Existenzbedrohenden Bußgelder (Sanktionen) teilte Frau Hannemann mit, dass sich abzeichnen würde, dass auch in diesem Jahr die Eine-Million-Marke überschritten werden würde. Allein die 100%igen Leistungskürzungen belaufen sich derzeit auf 6500 Personen im Monat. (Anm. nicht selten sind die Sanktionierten psychisch krank, intellektuell oder sprachlich überfordert. Selbst wer der deutschen Sprache halbwegs mächtig ist, scheitert oft an dem Behördenkauderwelsch.)

Besonders wichtig war ihr auch auf die weiteren Verschärfungen in der Hartz IV-Gesetzgebung hinzuweisen, die hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der kritischen Fachleute und Sozialberater ausgeklüngelt wurden. Unter dem harmlosen Namen „Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung“ werden Rechts- und Sozialstaat weiter untergraben.

Einprägsam war auch der Text der Rundmail des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit an die Jobcenter-Mitarbeiter nach der Wallraff-Reportage über die Jobcenter. Einige kommentieren: „Heuchelei pur“

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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