Der Abrissbagger hat gesiegt - die alte Vikarie in Haltern am See ist nun Geschichte

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Haltern. Das war's! Kulturdenkmal adé! Vor 140 Jahren wurde die Vikarie in Haltern gebaut – und hatte bis heute für viele Menschen in Haltern am See Kultcharakter. Leider stand das Haus nicht unter Denkmalschutz. Nun ist alles dem Erdboden gleichgemacht.

Bereits im Sommer 2010 erhielt die dort seit 22 Jahren mit ihren Kindern wohnende Familie die Kündigung. Seit Ende 2010 stand das Gebäude leer und befand sich im Tiefschlaf. Zumindest für Außenstehende. Zeitgleich wurde darum gerungen, was mit dem Haus zukünftig passieren solle. Zuletzt blieb nur die Version übrig: Baugenehmigung für ein barrierefreies Mehrfamilienhaus und Abriss des Hauses bei Erhalt der alten Mauer vor der Vikarie. Als direkt betroffener Anwohner des Nachbarhauses und BürgerReporter schildere ich mal, was zwischen Dienstag, dem 5. Januar 2016 und Freitag, dem 23. Januar 2016, so alles geschehen ist.

Ein großer, blauer Container wird an der hinteren Seite des Gebäudes aufgestellt und lässt erahnen, was in der nächsten Zeit auf die Anwohner zukommen wird. Und so war es denn auch. Erst einmal wurde das Gebäude von innen weitestgehend entkernt und alles durch die Fenster in den Container geworfen. Das krachte ganz ordentlich. Begleitet wurden diese Aktivitäten von dem lautstarken Arbeiten mit Bohrhämmern usw., die im Innenraum alles kurz und klein machten. Dann flogen die Teile aus den Fenstern, um danach im Container zu landen.

Am 11. Januar rückte dann der große Abrissbagger an, dessen und die „Musik“ seines Nachfolgers uns bis zum bitteren Ende am heutigen Freitag begleiteten. Decke und Wände wackelten, im Bett und auf der Couch war das Vibrieren beim Ausbaggern und Entladen der Gesteinsmassen auf LKW und Container deutlich zu spüren. Auf meinem massiven Schreibtisch zitterten Drucker und der schwere Flachbildschirm und im Korridor kippten die Dosen mit Schuhspray um. So gewaltig hatte ich mir das ursprünglich nicht vorgestellt. Dennoch, die Baggerfahrer verdienen meine Hochachtung. Sie leisteten Präzisionsarbeit, um Mauerwerk, Dachbalken, Gesteinsbrocken, Geröll und Aushub abzutragen, obwohl nur eine Mülleimerbreite zum Nachbarhaus Platz war.

Aber so manches ging auch in die Hose. Unser Haus erhielt ein Leck in der Abwasserleitung, diverse Dachziegel wurden zerschmettert, eine Gasleitung gequetscht und die Hoftür durch runter fallendes Gestein versperrt. Als Gegenleistung erhielten wir im Höfchen einen uralten, vergammelten und verdreckten Koffer, große Mauerfetzen und alte Matratzen.

Meist wurde der Abriss vom dicken Wasserstrahl eines Schlauches, den ein Bauarbeiter auf die zu entfernenden Gesteinsbrocken und Mauerteile richtete, begleitet. Das war auch gut so. Es gab aber auch Tage, da floss kein Wasser (vielleicht lag es an den frostigen Minusgraden) und wir wurden bestens eingenebelt!

Ans Fenster öffnen war tagsüber nicht zu denken. Dafür wurden wir früh geweckt. Das fürchterlich berstende und tief ins Ohr gehende Geräusch, wenn der erste Container morgens um kurz vor 07:00 Uhr kreischend auf seinem angestammten Platz neben unserem Haus abgestellt wurde, weckten in mir als Ruheständler schon frühmorgens alle Sinne!

Aber - last but not least – die Mitarbeiter der an dem Abriss der alten Vikarie beteiligten Firmen erledigten obligatorisch und zielbewusst ihren Auftrag! C’est la vie! Am Rande des geräumten Grundstücks ist nur noch der alte Bunker geblieben, der in den nächsten Tagen mit einer Betonsäge zerkleinert werden soll. Ich denke, dass werden die Anwohner auch noch überleben. Nun ist das Areal mit einem Bauzaun umgeben. Mal schauen, was da so alles in den nächsten Monaten zu erwarten ist.

Autor:

Hans Kirschbaum aus Haltern

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