Nacht der Bibliotheken: Pressen, Partien und Poesie

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Ein Paradies für Bücherwürmer: Bei der Nacht der Bibliotheken konnten sich die Besucher der Stadtbücherei in die Geschichte des Buchdruckes entführen lassen, bibliographische Schätze heben oder sich in literarischen Welten verlieren. Aber auch für das Spiel der Könige und ein gutes Gespräch bildete die Bücherei den passenden Rahmen.

"Wilder als Du denkst" war das Motto, unter dem rund 200 Büchereien in NRW zur "Nacht der Bibliotheken" luden. Vom späten Nachmittag bis oft nach Mitternacht öffneten die Häuser ihre Türen, um ihren Besuchern einen schönen Abend zwischen Büchern zu ermöglichen. Während manche Einrichtungen auf geladene Kabarettisten, Musiker oder Künstler setzten, setzten die Halterner auf ihre gewohnten Stärken.

So kann man seit einiger Zeit den Entstehungsprozess eines Buches anschaulich im Untergeschoss der Bücherei nachvollziehen. Dank großzügiger Spenden und der unermüdlichen Arbeit von Ehrenamtlichen ist hier nach und nach eine sehenswerte historische Druckerei entstanden. Einer, der sich hier mit Leib und Seele engagiert, ist Hans-Dieter Hagenhoff. Den Halternern ist der lebhafte Mann vor allem als Gautschmeister bekannt, der mit viel Witz und Wissen jedes Jahr die frischgebackenen Drucker und Mediengestalter ins kalte Wasser werfen lässt.

In der Bücherei konnte man den gelernten Drucker in seinem Element erleben. Zwischen Bleilettern und historischen Pressen lebt Hagenhoff so richtig auf. "Ich war schon ein Stück mit meinem Beruf verheiratet", lacht der Halterner.

Jetzt führt Hagenhoff die Besucher durch die kleine Ausstellung, zwischen über hundert Jahre alten Druckerpressen, Bleiklischees und Papierbögen umher, und hat jede Menge Informationen über die Geschichte des Buchdrucks im Gepäck.

Das fertige Produkt konnte man in mannigfaltiger Ausführung in den Regalen bewundern. Herr der Bücher ist Bernd Köster, der als Stadtbibliothekar nicht nur die neuesten Romane verwaltet, sondern auch wahre literarische Schätze. Einige davon können auf eine längere Geschichte zurückblicken, als die Stadtbibliothek selbst. "Die erste Bibliothek in Haltern entstand im Jahre 1668", weiß Köster. Keimzelle war dabei die Sammlung eines jüngst verstorbenen Pfarrers, der der Stadt 100 Bände aus seiner privaten Bibliothek vererbte - seinerzeit ein bedeutender Schatz.

Auch heute noch verfügt die Bücherei über bemerkenswerte Stücke, wie etwa ein Instrumentenbuch von 1533 oder eine Ausgabe der Diethenberger Bibel von 1564. "Man darf sich aber nicht täuschen lassen", klärt Köster über einen verbreiteten Irrtum auf, "meistens sind selbst ältere Bibeln nicht so wertvoll, da die gedruckten Stückzahlen im allgemeinen höher waren als bei anderen Büchern ihrer Zeit".

Manchmal sind es auch die ganz profanen Dinge, die sich im Laufe der Zeit zu wahren Schmuckstücken entwickeln. So verfügt die Bibliothek über eine stattliche Sammlung von Sammelalben aus der Zeit vom 19. Jahrhundert bis etwa in die 1950er Jahre. "Das sind die Sachbücher des kleinen Mannes", erläutert Köster und schlägt eines der knisternden Alben auf. Hunderte bunte Sammelbilder zieren die einzelnen Exemplare. Manche der Werke gleichen eher Bilderbüchern, bei anderen umfließt erläuternder Text die Klebeflächen für die von den Lesern selbst zu sammelnden kleinen Kunstdrucke. Fasziniert blättern die Besucher durch die Werke, die ihren Großeltern noch geliebtes Hobby waren.

Ebenfalls ein Hobby, aber auch ein anspruchsvoller Sport wurde im Untergeschoss betrieben: Der Halterner Schachclub ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Wer das Handwerkszeug der Strategen näher kennenlernen wollte, konnte sich an einer Ausstellung ungewöhnlicher und seltener Schachbretter und Figurensets weiden, die im Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek entstanden war.

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch einen kleinen Bücherflohmarkt, das Angebot zum Gespräch und natürlich durch die Menge an Druckwerken, die an diesem Abend zum Lesen bereitstanden. "Wilder als Du denkst" war der Abend in der Bibliothek vielleicht nicht - aber abwechslungsreicher und spannender, als mancher meinen mag, ganz sicher.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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