Römermuseum: Der Torbau zu Haltern

Archäologe Tobias Runkel erklärt am Modell, an welcher Stelle das neu entstehende Westtor vor 2000 Jahren im Römerlager Haltern zu finden war. Foto: Borgwardt
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  • Archäologe Tobias Runkel erklärt am Modell, an welcher Stelle das neu entstehende Westtor vor 2000 Jahren im Römerlager Haltern zu finden war. Foto: Borgwardt
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2000 Jahre lang waren vom Westtor des Römerlagers nichts geblieben als Verfärbungen im Boden. Nun entsteht die beeindruckende Wehranlage neu - als lebendiges Geschichtsprojekt und neue Attraktion für die Seestadt.

Wie die blanken Gerippe eines Urzeitwesens liegen die schweren Eichenbalken auf dem sandigen Boden. Ihre Außenhaut wirkt rauh, fast schuppig. Einige sind zu wuchtigen Elementen zusammengefügt. Als sich das Zugseil des Kranes spannt, schwebt die gitterartige Konstruktion in den grauen Himmel. Christian Rensing schaut aufmerksam zu, wie das mächtige Bauelement von fähigen Händen in Position gerückt werden. Wie ein riesiger Modellbausatz fügt sich unter der Leitung des jungen Zimmermannsmeisters ein spektakuläres Holzgerüst zusammen. Das urtümliche Aussehen ist kein Zufall: Was hier in den letzten Märztagen entsteht, ist eine originalgetreue Rekonstruktion des Westtores des römisches Militärlagers.

"Hier in Haltern befindet sich das wissenschaftlich am besten erschlossene Lager aus augusteischer Zeit in unserer Region", erklärt Tobias Runkel. Der Archäologe beobachtet als wissenschaftlicher Voluntär jeden Baufortschritt mit freudigem Interesse. Seit über 100 Jahren haben Fachleute wie er Tonnen über Tonnen der lehmigen Erde bewegt, um den Verlauf der mächtigen Wehrmauer nachvollziehen zu können. "Jeder Eingriff in den Boden hinterlässt Spuren", erklärt Runkel und beschreibt, wie man anhand der Verfärbungen im Erdreich jeden einzelnen Pfosten nachweisen konnte.

Zentimetergenaue Umsetzung

"Jeder Pfosten kommt exakt auf die gleiche Stelle, wo einst das Original gestanden hat", betont auch Christian Rensing. Als Bauleiter stellte ihn die zentimetergenaue Umsetzung vor einige Schwierigkeiten: "Der Grundriss ist nach modernen Maßstäben nicht ganz gerade", betont der Fachmann. Mit viel Sorgfalt und Planungsarbeit konnten die Handwerker des verantwortlichen Betriebes Haveloh aus Ahaus aber auch diese Hürde meistern.

Auch wenn zunächst nur eines von vier Toren rekonstruiert wird, ist der Materialaufwand für die 96 Meter lange Mauer auch für moderne Betrachter beeindruckend. "Wir verarbeiten rund 230 Kubikmeter Eichenholz", so Rensing, "und verbinden die Balken originalgetreu mit Holznägeln." Um den Baufortschritt zu beschleunigen, wurden viele der rund zwei Tonnen schweren Elemente bereits in der Werkstatt zusammengefügt. Nicht sichtbare Verbindungen wurden dabei mit moderner Fräsetechnik vorbereitet.

Keine Kompromisse konnten aber bei der Gestaltung der Holzoberflächen gemacht werden: "Die Balken wurden mit einer sogenannten Dechsel von Hand behauen", beschreibt Tobias Runkel den Prozess. "Mit keiner modernen Technik konnten wir diesen Effekt herbeiführen", ergänzt Bauleiter Rensing. Somit mussten die Zimmerleute ganz klassisch das Querbeil schwingen, bis die Bauelemente glatt geschlagen waren.

Riesige Wälder mussten für das Original weichen

Während für die Rekonstruktion nur münsterländische Eichen aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwandt werden, fraßen die historischen Arbeiten zu römischer Zeit riesige Schneisen in die westfälische Waldlandschaft. "Wir schätzen, dass allein für die Mauer des Lagers zehn- bis fünfzehntausend Eichen gefällt worden sind", sagt Tobias Runkel. "Wie lange die Legionäre für die Errichtung eines solchen Lagers gebraucht haben, können wir heute nicht mit Sicherheit sagen", bedauert der Archäologe.

Die Rekonstruktion hingegen wird in absehbarer Zeit fertig sein, wenn alles nach Plan läuft. "Das Tor dürfte grob in vier Wochen fertig sein", zeigt sich Christian Rensing zuversichtlich. "Bis dann die Holz-Erde-Mauer steht, dürften noch etwa drei Monate vergehen." Der von außen mit Holz verkleidete Erdwall stellte in der Antike ein schwer zu überwindendes Hindernis dar. Der Nachbau hingegen soll ein lebendiges Bild von römischer Bautechnik bieten und auch für Gehbehinderte zu erklimmen sein.

Neue Attraktion für die Seestadt

Damit entsteht in diesen Tagen ein Bauwerk, dessen Konzeption von dem Experten für römische Architektur, Dr. Ing. Kees Peterse, bereits vor über zwei Jahren auf archäologischen Tagungen in Münster vorgestellt wurde. Gleichzeitig ist das Westtor der erste Schritt zum kommenden "Römerpark Aliso", der in den nächsten Jahren Touristen und Geschichtsfreunde nach Haltern locken soll. Vor Ort sollen die Besucher dann antike Handwerkskunst erleben: Experten in originalgetreuer Tracht werden mit altem Werkzeug den Bau einer solchen Wehranlage veranschaulichen.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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