Eiskalt, zuckersüß und typisch italienisch – wie das Dolce Vita nach Haltern kam...

Bild mit Seltenheitswert: Luigi Marchese mit seinem fahrbaren Eissalon. | Foto: Roberto Husmann
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Italienische Eisdielen in Haltern am See -

Woran denken wir bei Sommer, Sonne, Stadtbummel? Natürlich an Eis! Eiscreme aus der Hand oder gemütlich beim Italiener an der Ecke mit Blick auf das Geschehen am Marktplatz gehört bei uns so selbstverständlich zur heißen Jahreszeit wie die Mayo zur Pommes. Ein Sommer ohne die köstliche Spezialität aus Italien? Undenkbar!

Aber das war nicht immer so. Wie die Pizza hat auch das Eis erst nach dem zweiten Weltkrieg mit den ersten Einwanderern aus dem Süden den Weg zu uns gefunden. Als exotische Rarität gab es zwar bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts Eiscafés im Ruhrgebiet. Allerdings nur in großen Städten und ihr Besuch war ein kleines Event, auf das man sich schon lange im Vorfeld freute. Das Eis aus der Hand war im Straßenbild noch fremd und in die Eisdiele schlenderte man nicht einfach "nebenbei", sondern ganz bewusst. Heute entscheiden wir spontan, ob wir uns nach dem Einkauf und vor der Arbeit noch schnell ein Eis gönnen. Wie und wo aber entstanden eigentlich die ersten Eisdielen hier bei uns in Haltern am See?

Zu den ersten Inhabern eigener Eiscafés gehörte die aus Cortina stammende Familie Zoldan. Ende der fünfziger Jahre erhielt Großvater Guiseppe Zoldan von der Stadt Haltern die Lizenz einer Betriebs-, Schank- und Speisewirtschaft. Er eröffnete daraufhin das erste nach seiner Heimatstadt benannte Café in den Räumen der heutigen Boutique Schellhorn am Gantepoth/ Ecke Gaststiege. In den frühen sechziger Jahren eröffnete das Eiscafé Lo Faso an der Mühlenstraße seine Pforten, erinnert sich Gregor Husmann, Archivar der Stadt Haltern am See. Seine Frau, selbst aus Italien stammend, war schon als Kind gern Gast in der Eisdiele ihrer Landsleute. Das Café, das sein Eis auch selbst produzierte gibt es heute nicht mehr. Die Produktion wurde von der Familie Ferraro übernommen, die aber nicht mehr im Lokal selbst ihr Speiseeis anboten, sondern mit einem Eiswagen ihre erfrischenden Köstlichkeiten an heißen Tagen vertreiben. Auch die Familie Marchese verwöhnte die Halterner Bürger mit selbstgemachtem italienischem Eis.

Wie das bis dahin in Haltern völlig neue Konzept von der Halterner Bevölkerung aufgenommen wurde, können wir heute nur erahnen. Da Mitte der fünfziger Jahre nur wenige Haushalte schon über einen eigenen Kühlschrank verfügten, dürfte die Möglichkeit Eis zu schlürfen wahrscheinlich noch ein wirklich außergewöhnlicher Genuss gewesen sein und man kann wohl ziemlich sicher davon ausgehen, dass die kalte Köstlichkeit schon damals mindestens ebenso begeisterte wie heute. Das typisch italienische „dolce vita“ war endlich auch für die Daheimgebliebenen, die sich die in den sechsziger Jahren so hippe Urlaubsreise in den Süden nicht leisten konnten, erschwinglich. Zusätzlich brachten Foto-Tapeten, Bilder und Gemälde das italienische Flair in den Norden und machten so den Besuch nicht nur zum geschmacklichen Erlebnis.

Auf jeden Fall lohnte sich das Geschäft für die Familie Zoldan so sehr, dass dem ersten Lokal bald das zweite folgte. Sohn Luciano übernahm in den achtziger Jahren den Betrieb und führte ihn gemeinsam mit seiner Frau bis die beiden im Jahr 2001 zurück in die alte Heimat Cortina gingen. Die Familie Zoldan führt heute in der Seestadt zwar selbst kein Eis-Lokal mehr, allerdings sind seitdem Eisdielen so sehr etabliert, dass allein in der Innenstadt mehrere Lokalitäten den Bedarf decken.

Siegeszug vom tiefen Süden in den hohen Norden

Wer richtig gutes Eis wollte, der bestellte oder kaufte traditionell "italienisches Eis". Die Geheimnisse der richtigen Rezeptur für dieses besonders cremige, homogene und himmlisch leckere Eis offenbarte sich recht bald aber auch deutschen Herstellern. Seine Anfänge in der Eisfabrikation hat auch die Firma Schröer-Eiscreme in der Seestadt. Sie begannen in Haltern mit dem Betrieb einer Eisdiele bevor sie deutschlandweit expandierten. Zahlreiche weitere Cafés und Eisdielen folgten und sind heute längst nicht mehr aus dem Bild der Innenstadt wegzudenken. Zeitweise gab es auch in den Ortsteilen Lavesum und Hullern Eisdielen. Heute betreibt nur das Eiscafe Dolomiti eine Zweigstelle außerhalb der Innenstadt in Sythen.

Längst gibt es hier nicht mehr nur im Sommer, sondern ganzjährig Eis in den verschiedensten Variationen. Es gibt wohl kaum eine Geschmacksrichtung, die hier nicht zu bestellen ist. Von Früchten aller Art bis hin zu Kaffee, Nüssen, Schokolade und sogar Chilly bleibt längst kein Wunsch mehr offen. Immer wieder entstehen neue, bis dahin unbekannte und zum Teil völlig ausgefallene Geschmackskreationen. Auch farblich gibt es längst nicht mehr nur das blassgelbe Vanilleeis, das braune Schokoladeneis oder das rosa Erdbeereis – von giftgrün bis Pink ist alles möglich. Einzig das in anderen Städten bereits gängige und nicht weniger köstliche, vegane „Milch“-Speiseeis lässt in Haltern noch auf sich warten.

Autor:

Antje Clara Bücker aus Haltern

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