"Ich hatte alles – nur keine Zukunft mehr"

"Im Iran darf man nicht sagen, dass man Christ ist. Auch über Politik darf man nicht laut reden", berichtet Omid. | Foto: Fotostudio Augenblick
  • "Im Iran darf man nicht sagen, dass man Christ ist. Auch über Politik darf man nicht laut reden", berichtet Omid.
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Christsein? In die Kirche gehen? Für uns in Deutschland ist das selbstverständlich. Dass es im Iran anders ist, bekam Omid am eigenen Leib zu spüren. Im Asylkreis-Projekt "Schau mich an - Gesicht einer Flucht" erzählt der 28-jährige von der Gefahr in seinem Heimatland und seinem Start in Haltern am See.

Im Iran sind fast alle Menschen Muslime. Ich bin aber Christ. Wenn Du im Iran sagst, dass Du Christ bist, dann bist Du tot oder musst für immer ins Gefängnis. Ich musste lügen und sagen, dass ich Moslem bin. Im Iran gibt es evangelische und katholische Kirchen, vor allem für Leute aus Armenien. Ausländische Christen haben kein Problem, wenn sie die Kirchen besuchen. Aber für uns ist das anders. Wir Christen im Iran treffen uns heimlich in Wohnungen, die wir als Kirchen nutzen.

Jeder soll selbst entscheiden, welche Relgion er mag

Meine Verwandten sind sehr gute Muslime. Aber auch sie sagen, ich soll Moslem sein. Seitdem sie verstanden haben, dass ich Christ bin, bin ich tot für sie. Nur mein Vater sagt, ob Du Christ bist oder Moslem, ist kein Problem. Ich finde, jeder soll selbst entscheiden, welche Religion er mag. Die Menschen sollen freundlich zueinander sein.
Zum Christentum bin ich gekommen, weil ein Kollege erzählt hat, dass er sich einmal in der Woche mit evangelischen Christen trifft. Aus Neugierde, nur um mal zu gucken, bin ich mitgegangen. Ich habe ein Buch bekommen und begann das Evangelium zu lesen. Nach einem Monat war ich etwas interessiert, habe dann weiter gelesen und mich entschieden, Christ zu werden.
Später hatte ich Probleme mit der Iranischen Revolutionsgarde. Ein Freund und ich wurden kontrolliert. Ich hatte christliche Bücher dabei. Ich konnte fliehen. Sie haben meinen Freund verhaftet. Er hat mich nicht verraten. Für mich wurde es sehr gefährlich.
Ich habe mit meinem Vater und zwei älteren Halbschwestern gelebt. Ich hatte eine gute Wohnung, eine Arbeit als Maler, die Mädchen waren nett. Ich hatte alles – nur keine Zukunft mehr. Wenn ich nochmal in den Iran gehe, weiß ich nicht, welche Probleme ich bekomme. Vielleicht töten sie mich.
Ich wollte in ein christliches Land. Mit meinem Pass bin ich in die Türkei eingereist. Aber dort sind alle Muslime. Griechenland habe ich mir angesehen, es ist ein schönes Land, aber ich konnte keine Arbeit finden. Dann kam ich nach Deutschland. Die Menschen sind nett und ich habe viele Freunde gefunden.

Ausbildungsplatz und Wohnung gefunden

Ein Jahr lang habe ich keine Schule besucht, keinen Kurs gemacht, weil es nicht erlaubt wurde. Aber dann war ich vier Monate im Bildungszentrum in Recklinghausen, habe einige Monate in der Jugendwerkstatt und in der Schulmensa gearbeitet und nochmal drei Monate eine Schule besucht. Nach einem Praktikum habe ich einen Ausbildungsplatz zum Maler und Lackierer beim Malerbetrieb Glatz bekommen. Ich danke Deutschland und allen Menschen, die mich aufgenommen haben.

Ihre Erlebnisse schreiben die Geflüchteten selbst auf, unterstützt von der freien Journalistin Gerburgis Sommer. Die Ausstellung ist am 05. Mai beim „Wohin?“-Konzert des Chores „Die Untertanen“ um 20 Uhr in der Marienkirche in Haltern, vom 10. bis 12. Mai beim Katholikentag in der Alexianer Waschküche in Münster und ab dem 10.05. in Rosendahl zu sehen. Alle Portraits und Termine für die Ausstellung auf www.gesicht-einer-flucht.de.

Autor:

Gerburgis Sommer aus Haltern

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