"Letzte Schicht am See" - Roswitha Döbber und der "Kajüte" zu Ehren!

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Super-Event an der Strandallee!


Überraschung...

... für die Frau, die vor 38 Jahren erst einmal mit Skepsis vieler der damaligen Stammgäste der Gaststätte „Zur Kajüte“ am Prinzensteg in Augenschein genommen wurde! Aber es dauerte nicht lange, da hatte sie durch ihre Art die Gäste auf ihrer Seite. Am Freitag nun, dem 23. Oktober 2015, überreichte mir im Beisein von Roswitha Döbber ihre Tochter Jenny auf dem Markt vor der Kirche ein geheimes Dokument. Roswitha durfte nicht erfahren, worum es dabei ging. Es war die Einladung zu „LETZTE SCHICHT AM SEE“.

Roswitha hatte am Samstag und Sonntag vormittags einen Flohmarkt, den „Markt der Erinnerungen“ geplant, um den unzähligen Gästen der letzten Jahrzehnte die Möglichkeit zu geben, aus dieser Zeit Erinnerungsstücke zu ergattern. Dazu sollte ich eine Reportage mit ein paar Fotos machen. Aber es kam alles ganz anders …

Es ist schon fantastisch, was sich Jenny und ihre Cousine Mareike zu Roswitha’s Abschied von der Gaststätte „ Zur Kajüte“ am Prinzensteg an der Strandalle da haben einfallen lassen! Flyer und Einladung in „geheimer Sache“ wurden an Familie, Freunde und Stammgäste verteilt, ein großer Pavillon wurde auf dem Liegeplatz für die Boote aufgebaut und Jenny erklärte ihrer Mutter, dass dieser vom Segelclub Prinzensteg e.V. zum Absegeln, das am Sonntag stattfand, aufgestellt wurde. Das war für sie einleuchtend. Als am Freitagnachmittag Jenny ihre Mutter bat, sich doch heute mal im Look der 50er Jahre anzuziehen, da war sie mehr als erstaunt – baff! Das hatte sie niemals erwartet!

Sie hatte gerade erfahren, dass ab 18:00 Uhr ihr zu Ehren als Abschiedsgeschenk eine Zeitreise zurück zur Eröffnung der „Kajüte“, deren einladender Tresen wie ein Schiffsrumpf gebaut wurde, in die 50er Jahre gefeiert wird. Die Suche nach Vintage-Kleidung stand auf einmal auf dem Programm, also passender Garderobe getreu dem gewählten Motto.

Meine Freundin und ich hatten uns auch entsprechend der 50er Jahre angezogen und waren sehr früh gekommen, um die Geschehnisse vom heutigen Beginn an bis zur offiziellen Verabschiedung von Roswitha als Gastronomin der „Kajüte“ durch die Bootshausgesellschaft am 31. Oktober ab 18:00 Uhr im Bild festzuhalten. Die ganze Familie und Freunde halfen mit, um ein gutes Gelingen zu gewährleisten. Für Speis, am Grill waren Kai und David, und Trank war bestens gesorgt und Taxi-Klaus war als DJ und mit Liedern zur Gitarre nicht zu überhören. Viele Stammgäste, Paddler, Nachbarn, Segler und auch zufällig vorbei Gekommene bildeten einen prima Rahmen für Roswithas Abschied an diesem Abend.

Mir, der den Ausblick von der „Kajüte“ aus auf den See in den knapp 25 letzten Jahren häufig bei schönen Wetter genossen hatte, wurde nun nach Mitternacht bei kühlen Temperaturen eine besondere Ehre zuteil: Der Weg über den Prinzensteg bis zu den Bänken am Ende, wo ein Segelbootbesitzer, ein Paddler und Stammgast mit mir die Ruhe genossen, die der See bei Nacht ausstrahlt. Und dann kam, was kommen musste! „Rambo“, der von den Stammgästen so getaufte Schwan, um den es viele Geschichten angegriffener Paddler gibt, machte uns mit seinem schon recht gut genährtem grauen Nachwuchs seine Aufwartung und man hörte das Schmatzen der Schwäne deutlich durch die Nacht; auch wenn am Horizont nur ein paar Lichter zu sehen waren. Anschließend gingen wir zurück zu den Feiernden und es wurde eine lange Nacht. Spät gingen in der Kajüte die Lichter aus und die Freunde der Familie, die mit leckerer Currywurst und Pizza für das leibliche Wohl gesorgt hatten, nahmen mich noch bis zur Innenstadt mit. Danke!

Am Samstagmorgen gab’s dann mit Waffeln und Kaffee ab 10:00 Uhr den Markt der Erinnerungen. Der Durchgang zur Gaststätte wurde versperrt und dadurch war erreicht, dass die Gäste Roswitha nicht mehr im Schankraum aufsuchen konnten, um sich wie in den letzten 38 Jahren von ihr bedienen zu lassen. Sie sollte möglichst die letzten beiden Tage vor der Schließung der „Kajüte“ auch einmal Gast ihrer vielen Besucherinnen und Besucher sein, um ihren Abschied zu genießen. Das Motto ihres 30sten Hochzeitstages im vergangenen Jahr - „Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu sein!“ - sollte nun auch für die letzten beiden Tage in der „Kajüte“ gelten. Und am Nachmittag war Zeit zum überlegen, was man draußen bei Kälte ab 18:00 Uhr für den „Abschlussball“ anzuziehen hatte.

Und wieder hatte die ganze Familie und Freunde alles arrangiert, um Roswitha einen würdevollen Abschluss zu servieren! Essen und trinken waren wie tags zuvor in bewährten Händen und Jenny und Mareike, die sich das alles haben einfallen lassen, strahlten um die Wette. Und Taxi-Klaus sorgte für die musikalische Unterhaltung, auch wenn das nicht immer zum Thema "Abschlussball" so ganz pasend war. Familie, Freunde und Gäste verbrachten einen tollen Abend. Als nachts gegen 01:00 Uhr schon bei recht kühlen Temperaturen die letzten Gäste den Heimweg angetreten hatten, bedeutete dies das Ende des „Abschlussballs“. Auch ich hatte wieder Gelegenheit, eine private Droschke zur Innenstadt zu nutzen. Herzlichen Dank!

Am Sonntagmorgen, 23. Oktober 2015, gab’s ab 10:00 Uhr zum letzten Mal die Möglichkeit, auf dem „Markt der Erinnerungen“ nach Raritäten zu stöbern. Da fast zeitgleich das Absegeln am Prinzensteg stattfand, nutzten viele langjährige Weggefährten von Roswitha diese Chance. Unendlich viel hatte sich in Jahrzehnten angesammelt, lag auf Boden und Tischen, war an der Wand angebracht oder hing unter der Decke Und dann gab’s auch schon die nächste Überraschung und Ehrung für sie. Michael Frick, 1. Vorsitzender des ansässigen Vereins „Segelclub Prinzensteg e.V.“, nahm zur erfolgreichen abgelaufenen Saison der Segler Stellung und stellte die Ziele für die Seglerinnen und Segler des Vereins für die kommende Saison vor.

Und dann dankte er Roswitha und ihrem inzwischen verstorbenen Mann Peter für die jahrzehntelange Gastfreundschaft und die Bereitschaft, sich oftmals aufopfernd für die Segler und ihre Belange als Gastronomen und Ansprechpartner einzubringen und überreichte ihr ein symbolisches Abschiedsgeschenk. Der Dank kannte kaum Grenzen! Lang anhaltender Beifall und ununterbrochenes Klatschen der zuhauf erschienenen Mitglieder des Segelclubs signalisierten Roswitha und dem leider nicht mehr unter uns weilenden Peter ein herzliches „Dankeschön“. Ja, da war die coole „Kapitänin“ der „Kajüte“ mehr als nur ergriffen!

Und nun folgte eine ans Herz gehende Darbietung des Shanty-Chors Haltern am See, der im SC Prinzensteg e.V. seit 1982 seine Heimat hat. Seit November 2011 singt dieser unter der Leitung von Jacek Stam. Gesungen werden neben den Klassikern auch moderne Shantys. Für Roswitha aber hatten sie ein wahrlich herzergreifendes Arrangement vorbereitet: „In der Kneipe am Moor“. Auch ich konnte mich dem Charme dieses Textes ebenso wenig wie Roswitha und die vielen Seglerinnen und Segler sowie die Stammgäste und andere Besucher der Kajüte nicht entziehen. Hier der Text:

Georg Zierenberg, 1935

1. Kameraden, wann sehn wir uns wieder?
Kameraden, wann kehr’n wir zurück,
Wann sitzen zum Trunke wir nieder
Und genießen ein traumhaftes Glück?

Refrain:

In der Kneipe am Moor
Singt und spielt einer vor,
Klirren Gläser und Klampfen,
Die Gesellen sie stampfen
Zu dem Sang
und der Klang
Läßt die Männer lauschen

2. Der eine liebt Gin oder Wodka,
Der andre, der liebt gar ein Weib,
Der dritte liebt Schwerter und Kämpfe,
Doch in einem sind alle sich gleich:
Refrain:

3. Und sehen wir uns in Madagaskar,
Und treffen wir uns in Rio,
Und trennen wir uns in Alaska,
Ja, dann heißt es: das nächste Mal, wo?
Refrain:

Besser als in diesem Lied konnte man die Stimmung, die die Gäste in der Kajüte tagtäglich erlebten, nicht wiedergeben! Seemannslieder, unendliche Geschichten um die Seefahrt, Seemannsgarn und viele wahre Begebenheiten sowie die üblichen Thekengespräche haben das Leben in und vor der „Kajüte“ in Jahrzehnten geprägt. Und diese Ära verliert an diesem Wochenende ihr Herz, wenn Roswitha den Laden abschließt und die „LETZTE SCHICHT AM SEE“ enden wird!

Parallel zum Absegeln und Auftritt des Shanty-Chores hatten Jenny und Mareike ab 11:00 Uhr einen Frühschoppen „wie früher“ organisiert - mit Live-Musik. Die Tanz- und Unterhaltungsband „Swinging Boys & One“ aus Haltern am See bot eine musikalische Mischung aus Oldies, Schlagern, Volks- und Discomusik sowie aktuellen Hits. Einfach Spitze! Mir hat insbesondere das überzeugende Stimmvolumen von Sängerin Alexandra Pietrucha gefallen, die hervorragend von Torsten Schmidt und Jochen König begleitet wurde. Sie kamen gerade von ihrem Auftritt tags zuvor aus der Halle Münsterland, wo alle acht Musiker als „Kraut & Rübe“ für zwei ihrer Karnevalstitel mit Preisen geehrt wurden. Das zeugt von einem verdammt weitgreifenden Spektrum!

Kaffee und Kuchen sowie die leckeren immer wieder frisch gebackenen Waffeln waren an diesem Sonntagnachmittag der Renner. Zum Schluss zeigte mir die fleißige Waffelbäckerin voll Freude ihren riesigen leeren Topf. Dann brachten die noch verbliebenen Sänger des Shanty-Chores ein weiteres Ständchen zum Abschluss eines unvergesslichen Sonntags für Roswitha. Und das bedeutete dann so allmählich auch, dass nach dem Fortgang aller Musiker viele fleißige Hände halfen, den Außenbereich der Gaststätte wieder in den „Normalzustand“ zu versetzen. Kurz nach 15:00 Uhr verabschiedete ich mich mit einem letzten Blick auf den See, um Roswithas letzte Tage und die Aufräumarbeiten während der Woche und die offizielle Verabschiedung am 31. Oktober 2015 zu dokumentieren. Und bis zu diesem Abend gab’s noch viel Arbeit für Familie Döbber und ihre fleißigen Helfer.

Ich nutzte die Gelegenheit, Roswitha nach ihren Vorstellungen für die Zukunft zu fragen. Ihre Antwort war frappierend einfach: „Ich lasse jetzt erst einmal alles auf mich zukommen und schaue, was die Zukunft ohne Gäste und mit einem notwendigen Umzug mir bringt“. Sie wird den See gewiss mit all’ seinen Facetten vom Sonnenaufgang bis zum –untergang, dem Geschnatter der Enten und Stammgäste, Nebel, Wind, Regen und dem Geruch des Wassers immer in Erinnerung haben und wahrscheinlich auch sehr vermissen. Zur Erinnerung füge ich ein letztes Bild ein, das vor Jahren von unserem Lieblingsplatz auf der Terrasse mit Blick auf den See gemacht wurde.

Die Theke wurde ausgeräumt, Getränke- und Leergutkästen mussten retourniert werden, ein Container wurde aufgestellt, um Verbliebenes aus Jahrzehnten zu entsorgen. Viele fast leere Flaschen fanden den Weg hinein in den Müll, einige jedoch auf wundersame Weise auch wieder hinaus! Kajüte und Nebenräume wurden gereinigt und viel, viel Arbeit gab’s noch bis zum Samstag.

Und dann war es endlich(?) so weit. Um 18:00 Uhr dankte Benno Schrief, Vorsitzender der Bootshausgesellschaft, Roswitha Döbber für 38 Jahre, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Peter der Gaststätte „Zur Kajüte“ ihren Stempel aufgedrückt hatten und überreichte zum Abschied nach so langer Zeit hinter der Theke dieser Kultgaststätte ein Fass Bier.

Schrief hofft, dass diese alte Gaststätte ihr einmaliges Flair an der Strandallee behalten und man eine einvernehmliche Lösung mit der Politik finden wird. Für viele Menschen, die langjährige Stammgäste sind, ist dieser Ort der beliebteste am Halterner Stausee – und so soll es auch bleiben! Heute haben sich viele der Stammgäste, die teilweise seit Jahrzehnten hier zu Gast waren, mit Blumen, Sekt und unzähligen Sympathiebekundungen von Roswitha, ihrer Stammwirtin, verabschiedet.

Jeder Abschied ist auch ein Neuanfang – zum einen für die Nachfolger, Andreas Kleimann und Christian Zehren vom Halterner Rossini-Team, zum anderen für Roswitha Döbber, die den Großteil ihres Lebens in der tollen Kneipe am See verbracht hat. Von den neuen Pächtern erhielt Roswitha einen schönen Blumenstrauß und in ihrer so typischen Art bat sie um Verständnis, dass sie keinen Blumenstrauß, dafür aber das erhaltene Fass als Freibier für ihre Stammgäste als ihr persönliches Abschiedsgeschenk sogleich weitergab. Der Beifall war auf ihrer Seite!

Anschließend wurde im Vereinsraum des Segelclubs Prinzensteg e.V. und in der Gaststätte „Zur Kajüte“, die ja Tür an Tür liegen, bei Currywurst und Fleischimbiss ein wunderbarer Abschied gefeiert, der Roswitha unvergessen bleiben sollte. Viele Stammgäste und Mitglieder des Segelclubs sowie Vertreter der Bootshausgesellschaft waren an diesem Tag gekommen, um einfach noch einmal „Danke!“ zu sagen.

Für die musikalische Darbietung sorgte Florian Albers (KLANG-POESIE), dessen Repertoire viele Stilrichtungen der vergangenen 50 Jahre umfasst. Ob Musical, deutschsprachige Lieder, Pop, Jazz oder Klassik, seine Klavier- und Gesangsinterpretationen gehen unter die Haut und bieten für jeden Geschmack etwas Besonderes.

Aber auch Taxi-Klaus ließ es sich nicht nehmen, seine Lieder in der Kajüte und draußen auf der Terrasse darzubieten, so wie er es schon oftmals in der Vergangenheit an seinem Lieblingsplatz am See getan hatte. Im Vereinsheim nutzte er die Gelegenheit, sich ebenfalls musikalisch einzubringen - neben der stilvollen Klaviermusik von Florian Albers. Mitschunkelnde Gäste erlebten eine lange Nacht.

Auch ich nutzte den Abend und die Nacht zu endlosen Gesprächen mit vielen Stammgästen und Mitgliedern und Freunden des Segelvereins. Zu später Stunde wurden die Türen der Kajüte letztmals von Roswitha abgeschlossen und der harte Kern feierte im Vereinsheim des Segelclubs weiter. Ich auch. Nachdem sich auch die letzten Gäste verabschiedet hatten, hatte ich erneut das Glück - diesmal durch den Jugendtrainer und seine Mutter - einen Transfer in die Innenstadt zu bekommen. Danke! Ja, und jetzt sind tatsächlich 10 Tage vergangen, die uns allen wohl immer in Erinnerung bleiben werden. Wir wünschen Roswitha viel Glück für die Zukunft!

Zum alten Bild mit Blick auf den See ist nun ganz persönlich etwas zu sagen:

„Als sonnenhungrige Gäste in den letzten fast 25 Jahren
waren wir gern hier und haben viel über Menschen am See erfahren!
Unser Dank für die schönen Tage gilt besonders Peter und Dir
und der Abschied ist standesgemäß mit einem Glas Bier!“

Autor:

Hans Kirschbaum aus Haltern

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