Erntedankfest: Flegel dreschen am Heimathaus

Den Stab weitergeben: Bernhard Kappe (r.) übergibt nach zwölf spannenden Jahren als Kiepenkerl Stab und Amt an Willi Husmann (l.). Maria Husmann und Bernd Wischus, seit März Vorsitzender des Heimatvereins, gratulierten. Foto: Pieper
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  • Den Stab weitergeben: Bernhard Kappe (r.) übergibt nach zwölf spannenden Jahren als Kiepenkerl Stab und Amt an Willi Husmann (l.). Maria Husmann und Bernd Wischus, seit März Vorsitzender des Heimatvereins, gratulierten. Foto: Pieper
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"So ein Flegel", schimpfen ältere Leute auch heute noch, wenn ihnen jemand ungehobelt erscheint. Doch woher kommt das Wort überhaupt? Beim Erntedankfest am Heimathaus Lippramsdorf konnte man Flegel im Einsatz sehen und feststellen, dass man mit der richtigen Truppe nicht nur Phrasen dreschen kann.

Fast alle Lebensmittel sind im Supermarkt jederzeit verfügbar, niemand muss in Deutschland hungern - da vergisst man schnell, wie wichtig die Ernte nicht nur für die Bauern ist. "Unser tägliches Brot gib uns heute", heißt es im Vaterunser, aber wie macht man aus Korn eigentlich Brot? Seit über 20 Jahren kann man sich den Prozess beim Heimathaus Lippramsdorf anschauen - hier wird beim Erntedankfest wortwörtlich noch die Spreu vom Weizen getrennt.

Wenn die schweren Dreschflegel auf das Getreide krachen, wird den Besuchern die Mühe der Landarbeit erst so richtig bewusst: An langen Stangen schwingen die massiven Knüppel auf die Tenne herab und schlagen die Körner aus den Ähren. "Das ist richtig schwere Arbeit", erklärt ein Experte im blauen Bauernkittel den Vorgang. Man sieht es: Schweißtropfen glänzen den Männern auf der Stirn. Hier erkannte man auch, woher der abschätzige Begriff des "Flegels" stammte: Wer solche harte körperliche Arbeit nicht kannte, etwa die Menschen in der Stadt oder der sogenannten "feinen Gesellschaft", verspottete die vermeintlich groben Landmänner oft mit dem Namen ihres Arbeitsgerätes.

Abgedroschenes bleibt liegen

Doch zurück zur Tenne: Während das abgedroschene Stroh am Boden liegen bleibt, müssen nun noch die Samenhülsen vom eigentlichen Korn - die Spreu vom Weizen - getrennt werden. Fortschrittliche Bauern benutzten vor rund hundert Jahren dabei schon sogenannte Wannemühlen oder Windfegen, die durch Luftverwirbelungen und Siebe die Arbeit taten, die sonst der natürliche Wind beim Hochwerfen des Getreides erledigte. Richtig moderne Bauern mit viel Geld konnten sich vielleicht auch schon einen mechanischen Spitzendrescher leisten, der die mühsame Flegelei einfacher machte. Wie diese Apparatur aussah, konnte man sich im Heimathaus natürlich auch ansehen.

Ist das Korn erst gesäubert, kann aus ihm Mehl gemahlen und daraus wiederum Brot gebacken werden. Klar, dass dies in Lippramsdorf auf ganz traditionelle Weise im Steinbackofen geschieht. Neben frischem Brot konnten sich die Gäste beim Erntedankfest auch an dem schon berühmten Kuchen der Landfrauen laben oder eine leckere Bratwurst vom Grill erhaschen.

Glühende Kohle kam aber nicht nur beim Würstchengrillen, sondern auch in der Feldschmiede zum Einsatz, bei der das Eisen geschmiedet wurde, solange es heiß war. Andere Aktionen zum Anschauen und Mitmachen umfassten das Spinnen von Schafswolle, das Drehen von Seilen und die Präsentation von über einem Dutzend historischer Traktoren.

Willi Husmann ist der neue Kiepenkerl

Wer nicht fragt, bleibt dumm, heißt es - und so standen die Mitglieder des Heimatvereines mit viel Wissen und Erfahrung für alle Fragen der Besucher zur Verfügung. Einer, den man schon mit Fug und Recht als wandelndes Lexikon zu bäuerlicher Geschichte und plattdeutscher Mundart bezeichnen kann, ist dabei Willi Husmann. Der Lippramsdorfer hatte während des Festes die Ehre, den Stab und das Amt des Kiepenkerles von seinem langjährigen Vorgänger, Bernhard Kappe, zu übernehmen. Damit ist Husmann jetzt der neue Kiepenkerl in Lippramsdorf - und wie gewohnt für jede Frage offen.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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