Amtsgericht: Großzügige Vergabe von Titeln

Wegen Urkundenfälschung saß der Angeklagte vor dem Hattinger Amtsgericht. Doch der Sicherheitsingenieur wusste von nichts und wurde schließlich freigesprochen.

Wen man sich sehr gerne als Zeugen angehört hätte, wäre der frühere Inhaber eines Ingenieurbüros gewesen, für welches auch der Angeklagte gearbeitet hatte. Doch der Mann mit angeblichem Professorentitel ist lange tot und selbst im Internet findet man nichts über ihn. Es liegt der Verdacht nahe, dass er möglicherweise kein Professor war...
Ganz sicher aber hat er Mitarbeitern seines Büros Fortbildungen zum Thema Arbeitssicherheit aufs Auge gedrückt, sie Berichte und Arbeiten schreiben lassen und diese auch bewertet – und ihnen dann Abschlüsse und Titel ausländischer Universitäten verliehen.
Für den Angeklagten ging es verbal in die Schweiz (denn persönlich war er nie dort), für einen weiteren Zeugen nach Oxford und für dessen Bruder, der aber mittlerweile auch schon verstorben ist, sogar nach Amerika.
Nun muss man sagen, dass die Vorfälle sehr lange zurückliegen, genauer in den neunziger Jahren.
Dass der Angeklagte überhaupt auf der Anklagebank sitzt, hat mit seiner Bewerbung bei einem internationalen Unternehmen 2013 zu tun. Bei der Überprüfung seines Lebenslaufes, in dem er die Zertifikate der Schweizer Universität angab, fielen Ungenauigkeiten auf und daraus ergab sich schließlich, dass die Unterlagen gefälscht waren.
Das aber wusste der Angeklagte nicht – sagt er jedenfalls. „Ich habe den Professor durch den hier anwesenden Zeugen kennengelernt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Ausbildung abgeschlossen, war aber arbeitslos. Er stellte mir eine Anstellung in Aussicht, wenn ich einige Fortbildungen in der Schweiz zum Thema Arbeitssicherheitstechnik absolvieren würde. Das habe ich gemacht. Ich erhielt alle Unterlagen direkt von ihm und hatte in die Schweiz keine Kontakte. Ich habe zum Abschluss eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben und diese wurde auch bewertet – von dem Professor. Von diesem habe ich auch das Zertifikat als Abschluss erhalten. Ich bin nicht auf den Gedanken gekommen, dass da irgendetwas nicht stimmen könnte.“
Einige Zeit hat der Angeklagte auch für den Professor gearbeitet, Geld für etwaige Fortbildungen soll nicht geflossen sein. Heute ist der Angeklagte als Angestellter in einem Unternehmen tätig und verdient gut. Er habe bei dieser Stelle, die er erst einige Monate habe, in der Bewerbung diese Zertifikate nicht genutzt.
Der Zeuge, der einen Professoren-Titel zu Unrecht führte, erklärte, er habe dies später erfahren und nutze den Titel natürlich nicht mehr. Zum Angeklagten will er jahrelang keinen Kontakt gehabt haben, erst seit kurzem wieder. Er gibt an, auch sein Bruder habe einen falschen Titel durch den Professor verliehen bekommen. Sein Bruder sei indes verstorben.
Das Büro des möglicherweise falschen Professors gibt es auch nicht mehr. Es wurde verkauft und unter anderem Namen weitergeführt.
Für den Angeklagten geht sein Strafprozess sehr glimpflich aus. Weil man ihm nicht nachweisen kann, dass er von den gefälschten Unterlagen wusste, wird das Verfahren gegen ihn auf Kosten der Landeskasse eingestellt. Seine eigenen Kosten trägt er selbst.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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