Der Mann, der Hattingen klein macht

Ernst Johann Wittmers ist ein Hattinger, der Erstaunliches zu vollbringen vermag. Hier im Foto ist er mit dem Bügeleisenhaus im Maßstab 1:50 zu sehen – aus drei verschiedenen Epochen: in seinem Baujahr 1611 und in den Jahren 1700 und 1947. Was der 65jährige Hattinger aber seit mehr als drei Jahren macht, das ist beinahe unglaublich: Er baut die Altstadt von Hattingen im Maßstab 1:100 nach und auch mit Häusern, die heute gar nicht mehr da sind! alle Fotos: Kosjak
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  • Ernst Johann Wittmers ist ein Hattinger, der Erstaunliches zu vollbringen vermag. Hier im Foto ist er mit dem Bügeleisenhaus im Maßstab 1:50 zu sehen – aus drei verschiedenen Epochen: in seinem Baujahr 1611 und in den Jahren 1700 und 1947. Was der 65jährige Hattinger aber seit mehr als drei Jahren macht, das ist beinahe unglaublich: Er baut die Altstadt von Hattingen im Maßstab 1:100 nach und auch mit Häusern, die heute gar nicht mehr da sind! alle Fotos: Kosjak
  • hochgeladen von Roland Römer

Am Anfang war die Kirche. Nein, eigentlich der Wunsch nach einem Winterdorf. Jetzt ist es die nahezu komplette Hattinger Altstadt im Klein­format geworden. Aber Ernst Johann Wittmers ist noch nicht fertig. Er baut daran ja „erst“ seit gut drei Jahren. Und noch einmal so lange wird es wohl dauern, bis der Bastler und Tüftler den Bereich zwischen Schulstraße und Bunker und zwischen Augustastraße und der Bruchstraße fertig haben wird.

Schuld an dem ganzen Projekt ist nämlich doch die Kirche, die St.-Georgs-Kirche. Die und andere Altstadthäuser wurden vom Ehepaar Wittmers auf dem Weihnachtsmarkt aus Keramik angeschafft. Fürs geplante Winterdorf. Was Ernst Johann Wittmers aber daran wurmte, das war der Maßstab der Häuser. Sie passten nämlich nicht zusammen.
„Dann habe ich mir gesagt, Fachwerkhäuser kann man doch auch selbst machen“, lacht der 65jährige. Ihm fiel nämlich die Rückwand von einem alten Kleiderschrank ein – eine Seite weiß, die andere braun. „Ich kann nämlich nichts wegwerfen, man könnte es ja noch einmal gebrauchen“, schmunzelt er. In dem Fall hatte er Recht.
Zunächst setzte er die gekaufte St.-Georgs-Kirche in die Mitte einer Holzplatte, wollte mit den Häusern drumrum loslegen –und stellte bei seiner Recherche fest, dass die Häuser am Kirchplatz immer nur von vorn zu sehen sind. Also machte er sich mit seinem Fotoapparat auf in die Altstadt, fotografierte die Häuser von allen Seiten.
„Dann packte mich der Ehrgeiz“, blickt Ernst Johann Wittmers zurück. „Plötzlich wollte ich auch die Häuser bauen, die gar nicht mehr da sind. Daher nahm ich Kontakt mit Gerhard Wojahn auf. Der brannte mir seine historischen Fotos auf CD. Das war eine wertvolle Hilfe.“
Dennoch war das Zuordnen sehr aufwändig. Dabei half dann auch Stadtarchivar Thomas Weiß. Und die Seite „Hattingen Vintage“ im Internet, die gespickt ist mit alten Fotos aus Hattingen. Betrieben wird sie von Lars Friedrich, dem Vorsitzenden vom Heimatverein Hattingen.

Seine Altstadt wird in "Fachwerk"-Ausstellung gezeigt

Weil Ernst Johann Wittmers im Internet neben dessen Original-Fotos seine inzwischen nachgebauten Häuser stellte, kamen die beiden Hattinger in Kontakt. Jetzt wird die nachgebaute Altstadt, die durch Detail­treue ein realistisches Bild der Altstadt im Zeitraum zwischen 1930 – aus diesem Jahr hat Ernst Johann Wittmers nämlich Luftbild-Aufnahmen zur Verfügung – und den 70er Jahren liefert, in der neuen Ausstellung vom Heimatverein ab 23. April im Bügeleisenhaus „Fachwerk1611: Bauen, Leben, Schützen“ zu sehen sein.
Allerdings lässt sich der Altstadtbauer nicht so gerne auf einen Zeitraum festlegen: „Wenn mir ein Gebäude so gut gefällt wie beispielsweise das abgerissene von ,Waffen Isenberg‘ an der St. Georg-Straße, dann baue ich das natürlich nach.“
Fakt ist: Nach dem kompletten Kirchplatz, der während der Weihnachtszeit im Wittmerschen Wohnzimmer als „Winterdorf“ präsent ist, hat Ernst Johann Wittmers inzwischen auch die Kirchstraße, Steinhagen, den ehemaligen Huck – heute befindet sich dort in etwa die Zufahrt zum Kaufland-Parkhaus – Haldenplatz, St.-Georg-Straße und Flachsmarkt fertig. Folgen sollen noch Obermarkt, Krämersdorf, Bunker und der Anfang der Bahnhofstraße – vielleicht auch noch Teile der historischen Bruchstraße. Schon jetzt ist das Modell fast vier Quadratmeter groß. Allerdings hat der Tüftler alles so angelegt, dass die momentan vier einzelnen Platten in seinem Auto problemlos transportiert werden können.
Keine Frage, dass all das, was bereits geschaffen wurde und den Betrachter nur einfach staunen lässt, und auch das, was noch folgen soll, sehr zeitintensiv ist. Zum Glück ist der Kfz-Mechanikermeister, der früher bei VW Podlech arbeitete, inzwischen Rentner. Manchmal ist er den ganzen Tag mit seinen Arbeiten an der Altstadt zugange, fertigt – wenn’s vom benötigten Material her passt – auch schon einmal drei bis vier Häuser gleichzeitig.

Recherche und Zeichnen kosten am meisten Zeit

Das Bauen sei noch der harmloseste Teil von allem, plaudert Ernst Johann Wittmers aus dem Nähkästchen: „Die Recherche und das Zeichnen der Pläne, das kostet wirklich viel Zeit. Aber auch das Gebäude von Waffen Isenberg hat mich vier Wochen lang beschäftigt.“
Da war es gut, dass er von Lars Friedrich fürs Bügeleisenhaus sogar genaue Baupläne mit Maßangaben bekommen hat. Bei den anderen Häusern orientiert er sich am Fachwerk, das rund 1,20 Meter Abstand hat. Jedenfalls hat das geklappt, denn der runde Kirchplatz habe genau gepasst, freut er sich. Ansonsten hat die St.-Georgs-Kirche den Maßstab von 1:100 vorgegeben.
Die Häuser bestehen aus Holzplatten mit einer weißen Seite. Das Fachwerk wird nach Original-Vorlagen aufgemalt, bei fehlenden auch schon einmal so, „wie es gewesen sein könnte“. Die Fensterläden sind Kunststoffplättchen wie die Dächer auch, die Fenster dünnes Plastik. Für Bruchsteine wird erst etwas von dem Weiß weggekratzt, anschließend in passendem Braunton bemalt. Schornsteine sind die Stangenreste von Silvesterraketen.
Ernst Johann Wittmers: „Schon als Kind habe ich gerne gebastelt. Meine Eltern hatten auch Eigentum, da musste viel selbst gemacht werden, weil nicht so viel Geld da war. Da bekommt man einiges an Geschick mit im Laufe der Zeit.“
Gebaut an der Altstadt wird übrigens nur im Herbst und im Winter: „Nur dann kommt man auf solche Ideen“, meint er lachend. „Aber im Frühling und im Sommer, da kennt man keine Langeweile, wenn man Haus und Garten hat. Und Urlaub will man ja auch noch machen.“
Er schätzt, dass er rund 15.000 Euro bereits in sein Altstadt-Modell gesteckt hat. Seine Arbeit, die ist sowieso unbezahlbar. Neben den weiteren Häusern, die er bis zur Ausstellung im Bügeleisenhaus fertig haben möchte, tüftelt Ernst Johann Wittmers auch über einen Schutz seines Gesamtmodells, damit Schäden daran erst gar nicht entstehen können.
„Da wird mir aber schon noch etwas einfallen“, ist sich Ernst Johann Wittmers sicher. Ganz sicher.

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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