Ein Polizist ist kein "begnadeter Vollpfosten"

Auslöser der ganzen Geschichte war eine Radarfalle. Der Angeklagte wurde „geblitzt“ und war darüber so sauer, dass er den Beamten als „Du Arschloch“ beschimpft haben soll. Das will der Angeklagte aber nie gesagt haben.

Die Wahrnehmung dieses Vorfalls ist jedenfalls höchst unterschiedlich. Während der beleidigte Beamte bei seiner Darstellung bleibt, ist auch der Angeklagte von der Richtigkeit seiner Aussage überzeugt. Das Gericht glaubte allerdings dem Beamten und verurteilte den Angeklagten. Der will das nicht auf sich sitzen lassen und will ein Berufungsverfahren erreichen. Dazu formuliert er einen Brief an die Staatsanwaltschaft Essen und bezichtigt in diesem Brief den Beamten der Falschaussage und bezeichnet ihn als „begnadeten Vollpfosten“.
Das ruft erneut eine Anzeige auf den Plan, diesmal wegen Beleidigung.
Und damit nicht genug: nachdem die Staatsanwaltschaft eine Berufung nicht zulässt, sieht sich der Angeklagte in seinem Recht beschnitten und geht ins Internet. Auf einem Hilfeforum sucht er nach Bürgern, denen etwas ähnliches passiert ist. Das wäre an sich nicht schlimm gewesen, aber in diesem Hilfeforum bezeichnet er den Beamten als „Münchhausen der Hattinger Polizei“ und damit ist nun endgültig das Maß voll.
Denn auch der beleidigte Beamte hat mittlerweile Ärger am Bein: sein Vorgesetzter möchte nun doch wissen, was da eigentlich gelaufen ist und das hat mehrere schriftliche Stellungnahmen zur Folge.
Für den Angeklagten ist noch eine Anzeige wegen Beleidigung dazu gekommen und das ganze Paket kommt nun zur Hauptverhandlung vor dem Hattinger Amtsgericht.
Dabei sei noch zu erwähnen, dass der Angeklagte mehrfach nachweislich versucht hat, die Sätze aus dem Internet zu löschen. Das aber hat bis zur Verhandlung nicht funktioniert. Das Netz vergisst eben nichts. Auch eine in der Verhandlung vorgetragene Entschuldigung an den Beamten nimmt dieser nicht an – zuviel Ärger habe es deswegen gegeben und außerdem stehe er immer noch verunglimpfend im Internet.
Doch auch der Angeklagte hat mittlerweile Federn gelassen und möchte die ganze Sache gern beenden. Die Staatsanwaltschaft sieht den Tatbestand der üblen Nachrede und Beleidigung gegeben und fordert eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu jeweils 25 Euro.
Die Verteidigung hingegen fordert in allen Anklagepunkten Freispruch und begründet dies mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus den neunziger Jahren. Dort hatte es geheißen: „Der Bürger darf im Kampf um das Recht auch ehrverletzende Begriffe nutzen“. Die Staatsanwaltschaft sieht dies aber nicht auf die Öffentlichkeit bezogen, die durch das Internet beispielsweise hergestellt wurde.
Dieser Auffassung schließt sich zumindest auch teilweise das Gericht an und verurteilt den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 Euro. Im Hinblick auf die Diskussion um das gesagte „Arschloch“ erklärt der Richter, hier stünden sich offensichtlich zwei Wahrheiten ohne Zeugen gegenüber und spricht den Angeklagten frei. Dies gilt aber nicht für die üble Nachrede im Internet und dem Brief an die Staatsanwaltschaft. Dafür muss der Angeklagte zahlen und hat damit nach fast zwei Jahren das Verfahren beendet.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

11 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.