Job-Center um über 70.000 Euro betrogen

Das Schöffengericht verurteilte die 35jährige Angeklagte und Mutter von vier Kindern zu einer Freiheitsstrafe. Eine Bewährung sei bei diesen Vorstrafen nicht mehr möglich. Gegen ihren ebenfalls angeklagten Ehemann wurde das Verfahren eingestellt.

Der STADTSPIEGEL hatte bereits von einer der insgesamt acht Vorstrafen der Angeklagten im Frühjahr 2014 berichtet. Damals wurde sie nach einem Griff in die Kirchenkasse einer Hattinger Gemeinde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Schon damals hatte der Gutachter Dietmar Oswald der Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt und von Anpassungsstörungen gesprochen. Eine Anpassungsstörung ist eine psychische Reaktion auf einmalige oder fortbestehende identifizierbare psychosoziale Belastungsfaktoren. Die Angeklagte hat offensichtlich Schwierigkeiten, auf alltägliche Problemsituationen angemessen zu reagieren. So kommt es zu einem Verhalten, welches sich auch strafbarer Taten bedient, um eine Lösung auf diesem Weg herbeizuführen.
In diesem Fall hat die Angeklagte von 2010 bis 2014 das Job-Center durch gefälschte Anträge und Kontoauszüge um über 70.000 Euro geprellt. Einige Anträge hat sie allein unterschrieben, andere wurden vom Ehemann mitunterzeichnet, allerdings will dieser nie einen mit Daten ausgefüllten Antrag gesehen haben. Er verdient auch gut, gibt einen Nettoverdienst an, der jenseits von Unterstützungen liegt.
Der mitangeklagte Ehemann erklärt, er habe ein eigenes Konto und davon auch Miete und Versicherungen bezahlt sowie seiner Frau Haushaltsgeld gegeben. Unterhalb der Woche sei er beruflich immer unterwegs, am Wochenende oft auch nicht zuhause. Was mit dem zu Unrecht ausgezahlten Geld der Job-Agentur passiert ist, weiß er nicht. Gegen ihn wird das Verfahren eingestellt, weil ihm das Gegenteil nicht nachweisbar ist.
Die Ehefrau, die mit Baby im Gerichtssaal erschienen ist, erzählt dem Gericht, sie habe das Geld vom Job-Center gebraucht, um einen Kredit zurückzuzahlen. „Mein Mann hat Spielschulden von 80.000 Euro gehabt. Die Schulden habe ich mit einem Bar-Kredit bei einem Kredithai abgelöst. Diesen musste und muss ich in Raten bis Oktober zurückzahlen, sonst tut er meinen Kindern etwas an. Das hat er gesagt. Dafür habe ich das Geld vom Job-Center gebraucht und natürlich für das Leben im allgemeinen.“
Der Ehemann schüttelt nur den Kopf und versichert vor Gericht, er habe noch niemals gespielt, sei noch nie in einem Casino gewesen und spiele noch nicht einmal Lotto. Auch das Schöffengericht und die Bewährungshelferin der Angeklagten glauben die Geschichte nicht.
Die Angeklagte hat sowohl von ihrer Bewährungshelferin als auch von einem Sozialarbeiter in ihrer Beratungsstunde den Rat bekommen, die Polizei einzuschalten. Das aber wollte sie nicht, weil sie Angst um das Wohlergehen ihrer vier Kinder hat. Auch vor Gericht wird sie mit der Geschichte nicht konkreter. Sie berichtet allerdings von ihrem einsamen Leben. Der Mann sei immer weg und der damalige Griff in die Kirchenkasse habe sie in der Konsequenz weiter isoliert und eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde nicht mehr möglich gemacht. Das einzige, was sie habe, seien ihre vier Kinder.
Bei der Fälschung der Kontoauszüge muss sie aber nach eigenen Angaben „Hilfe aus der Familie“ gehabt haben.
Neben diesen Fälschungen und dem begangenen Betrug hat die Angeklagte auch einen Stempel einer gynäkologischen Praxis genutzt und die Unterschrift der Frauenärztin gefälscht, um so eine Berufsunfähigkeit zu bekommen. Hier versicherte sich die zuständige Stelle bezüglich der Richtigkeit der Angaben bei der Frauenärztin, die dann gegen die Angeklagte Anzeige erstattete.
Schwer wiegen bei der Hattingerin vor allem die Vorbelastungen, die immer wieder mit Betrug und gefälschten Unterschriften oder Unterlagen zusammenhängen.
Während die Staatsanwältin noch einmal beide Augen zudrücken wollte und für eine Freiheitsstrafe zur Bewährung plädierte, der sich Verteidiger Dr. Gregor Hanisch anschloss, konnte sich das Schöffengericht nicht zu einer Bewährung durchringen.
Weil sie die neun Einzeltaten gegenüber dem Job-Center innerhalb eines Zeitraumes begangen hat, in dem sie zwei bereits abgeurteilte Taten beging, gibt es ein kompliziertes juristisches Strafverfahren zur Ermittlung des Strafmaßes. So erhielt sie insgesamt drei Strafen, wobei zwei mit den jeweils abgeurteilten Strafen zur einer Gesamtstrafe von einem Jahr und drei Monate beziehungsweise einem Jahr und sechs Monate zusammengezogen wurden. Für die Urkundenfälschung bei der Frauenärztin erhielt sie eine Freiheitsstrafe von neun Monaten. Alle Strafen wurden nicht zur Bewährung ausgesetzt und addieren sich bei einem Gefängnisaufenthalt zu 3,8 Jahren.
Der Vorsitzende Richter Johannes Kimmeskamp: „Im April 2014 haben Sie die letzte Bewährungsstrafe erhalten, doch einen Sinn hat das offenbar nicht gemacht. Sie sind zwar eingeschränkt schuldfähig, aber Sie wissen, was sie tun. Die Erpresser-Geschichte mit dem Kredithai glauben wir Ihnen nicht. Das ist das typische Verhalten einer Betrügerin. Es tut mir zwar leid, aber wir sehen keine Möglichkeit einer Bewährung.“
Eine Berufung gegen das Urteil ist möglich.

Die Rückzahlung

 Die Forderung der Job-Agentur auf Rückzahlung der unrechtmäßig erhaltenen Gelder ist verschuldensunabhängig.

 Deshalb ist es unerheblich, ob das Verfahren gegen den zur Zeit finanzstärkeren Ehemann eingestellt wurde.

 Im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft gibt es Forderungen gegen den Ehemann, seine Frau und auch gegen die Kinder.

 Die Forderungen bestehen dreißig Jahre. Für die Kinder bedeutet das, sie müssen diese Forderungen möglicherweise im Erwachsenenalter, wenn sie Geld verdienen, auch bedienen.

 Das Gesetz sieht vor, alle Bemühungen zur Rückzahlung des Geldes intensiv einzusetzen. Schließlich sind es Steuermittel der Bürger.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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