Rosemarie Paulus am Steuer eines 40 Tonners

Rosemarie Paulus am Arbeitsplatz. Manchmal ist sie eine ganze Woche unterwegs und kommt nur zwischendurch zurück zu ihrem Häuschen in Welper.  Foto: privat
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  • Rosemarie Paulus am Arbeitsplatz. Manchmal ist sie eine ganze Woche unterwegs und kommt nur zwischendurch zurück zu ihrem Häuschen in Welper. Foto: privat
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Schlank ist sie. Wenn Rosemarie Paulus „richtige Muckis“ hat, dann sind sie zumindest auf den ersten Blick nicht zu sehen. Ihre Haare sind rötlich gefärbt. Nur der Blick, der streift häufig umher, mustert die Umgebung. Gut so, denn Rosemarie Paulus fährt Lkw, die richtig Großen, und ist damit eine Exotin – für unsereins sowieso, aber auch für ihre männlichen Brummi-Kollegen.

„Mit den Kollegen gibt es überhaupt keine Probleme“, erzählt die 57jährige allerdings lachend. „Die respektieren mich, denn schließlich mache ich ja dasselbe wie sie.“
Bei Kunden, meint sie dann, da sei das schon etwas anders: „Vor allem, wenn dort Frauen die Waren in Empfang nehmen. Wenn die mich zum ersten Mal sehen, dann stöhnen sie oft: Mein Gott, das würde ich mich nicht trauen. Das Auto ist ja viel zu groß!“
Stimmt, denn Rosemarie Paulus fährt einen Mercedes Actros mit 440 PS, einen 40-Tonnen-Sattelzug. „Im Prinzip lässt der sich aber fahren wie ein Pkw. Na klar, auch ich musste mich anfangs an die Breite erst gewöhnen. Und“, gibt sie leise lächelnd zu, „als ich gerade frisch meinen Führerschein hatte, 1992 war das, da habe ich unheimlich viel Zeit gebraucht, bis ich raus hatte, den Zug rückwärts dahin zu bekommen, wo er hin sollte. Heute ist das natürlich überhaupt kein Problem mehr, da habe ich eine ganz andere Sorge: Ich kann meinen Pkw kaum noch einparken, das ist echt grausam!“
Wie kommt denn eine junge Frau aus Welper überhaupt zurecht in einem Beruf, in dem doch angeblich nur die richtig echten Kerle zu Hause sind – zumindest wollen einem das Film und Werbung so verkaufen?

Werkstoffprüferin im Walzwerk auf der Hütte

Eigentlich fing das Berufsleben von Rosemarie Paulus so an wie für viele Menschen aus dieser Stadt: Sie arbeitete „auf der Hütte“, dem heutigen Industriemuseum Henrichshütte. „1979 fing ich dort an als Werkstoffprüferin im Walzwerk“, blickt sie zurück. Als die Hütte dicht machte 1987, da ging sie mit einer Kollegin nach Duisburg ins dortige Walzwerk.
Anfang der 90er Jahre hatte Rosemarie Paulus einen Freund, Lkw-Fahrer war der. Den begleitete sie oft an den freien Wochenenden oder in ihrem Urlaub auf Touren. Das fand sie zwar, wie sie sagt, „interessant“, doch irgendwann kam ihr die Erkenntnis, dass selbst fahren vielleicht noch besser wäre als „nur“ daneben zu sitzen. So machte sie also ihren Führerschein der Klasse zwei, wie das damals noch hieß, fuhr nebenbei ein paar Touren für ihren Freund und machte sich Mitte 1994 mit ihren Ersparnissen mit ihm zusammen selbstständig
„Aber weder mein Freund noch ich hatten so richtig Ahnung von dem Gewerbe“, weiß sie heute. Es gab Probleme, immer mehr, auch in der Beziehung. „Bis 1999 habe ich den ganzen Stress ausgehalten, dann habe ich die Brocken einfach hingeschmissen.“
Einen Job als Brummi-Fahrerin hat sie schnell bekommen. Sie fuhr Obst und Gemüse zwischen Murcia (Spanien) und hier hin und her. Eine Tour dauerte rund drei Tage, denn: „Der Gesetzgeber schreibt vor“, erklärt Rosemarie Paulus, „dass wir pro Woche dreimal neun und zweimal zehn Stunden am Steuer sitzen dürfen und viereinhalb Stunden müssen wir eine 45minütige Pause machen. Gerade in Frankreich wird das ganz streng überwacht, also hält man sich auch daran.“

Unterwegs in ganz Europa

Seit dieser Zeit ist sie in ganz Europa unterwegs. Sie fährt Palettenware für Discounter, Stahl in allen Varianten, Getränke, Indus­triefolie – praktisch alles, was in einem Sattelzug transportiert werden kann. „Manchmal bin ich eine ganze Woche lang am Stück unterwegs“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. „Und wenn ich nach Hause komme und es ist noch Lenkzeit übrig, dann mache ich mich eben ein bisschen frisch, schaue zu Hause nach dem Rechten und mache mich wieder auf den Weg.“
Als sie noch im Gegensatz zu heute ausschließlich die richtig langen Strecken gefahren ist, da hat sie häufig ihr Häuschen in Welper, das sie mit ihrer Mutter bewohnt, nur alle paar Wochen mal gesehen.
Und erlebt hat Rosemarie Paulus auch so manches. Zum Glück gab es nie Unfälle, „höchstens mal einen kleinen Rempler, weil ich einen Pkw angetitscht habe oder der Lkw ist mal kaputt gegangen. So richtig liegen geblieben bin ich noch nie und wenn, dann war schnell die Pannenhilfe da.“
Aber einmal, da war doch etwas Außergewöhnliches: „Ich kam aus Griechenland und bin mit der Fähre nach Italien übergesetzt. Kaum hatte ich mich auf den Weg nach Deutschland gemacht, hörte ich immer so ein komisches Geräusch wie ein Klopfen. Deshalb bin ich gleich am ersten Rastplatz stehen geblieben und habe nachgesehen. Dort fand ich im Auflieger vier Asylbewerber, die sich für mich völlig unbemerkt reingeschlichen hatten. Um selbst keinen Ärger zu bekommen, habe ich die Polizei gerufen. Und glücklicherweise sagten die Leute gleich für mich aus, dass ich nichts von ihnen mitbekommen hatte. Sonst wäre ich womöglich noch mit ihnen zusammen in den Bau gewandert. Letztlich habe ich durch den Zwischenfall dank der deutschen Botschaft, die mein Chef von Deutschland aus eingeschaltet hatte, nur einen Tag verloren.“

"Gute Touren" sind manchmal wie eine Kreuzfahrt

Rosemarie Paulus liebt ihren Beruf, der – Servo-Lenkung und Automatikgetriebe sei Dank – heutzutage kein körperlich anstrengender mehr ist. Sie ist gerne mit ihrem Truck unterwegs – vor allem, wenn sie eine „gute Tour“ erwischt hat: „Gute Touren sind solche ohne den großen Termindruck, ganz ohne Stress. Und wenn es dann noch ans Wasser geht, vielleicht sogar noch eine Fähre ins Spiel kommt, dann fühle ich mich fast wie auf einer Kreuzfahrt und im Urlaub, denn weil es so wenige Frauen in meinen Beruf gibt, bekomme ich im Gegensatz zu meinen männlichen Kollegen immer eine Einzelkabine.“
Aber so ist es ja leider nicht immer. Für den „Trucker-Alltag“ hat sie an Bord „ihres“ Lkw ein Bett, einen Kühlschrank, Schubladen, Staufächer für Wäsche, manche haben eine Kaffeemaschine dabei, Rosemarie Paulus einen Fernseher für die eher einsamen Abende. Sie sieht immer zu, dass sie an einer Raststätte oder einem Autohof übernachtet: „Da kann ich abends warm essen, habe Klo und Dusche und manchmal trifft man beim Essen auch einen Kollegen, mit dem man ein bisschen quatschen kann.“
Danach geht es allein zurück in den riesigen Actros. Diesmal zum Schlafen. Die Autobahn ruft erst wieder morgen früh – nach ganz sicher unfallfreien Träumen...

Rosemarie Paulus am Arbeitsplatz. Manchmal ist sie eine ganze Woche unterwegs und kommt nur zwischendurch zurück zu ihrem Häuschen in Welper.  Foto: privat
Das sind ganz schöne Größenunterschiede...Foto: privat
Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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