Wir sind Hattinger: Emmy Roth

Emmy Roth, fotografiert von Wanda von Debschitz-Kunowsky
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Emmy Roth wurde am 12. Mai 1885 als Emmy Urias in Hattingen geboren und starb am 11. Juli 1942 in Tel Aviv. Bekannt wurde sie durch ihre Silberschmiedekunst.
Sie wuchs mit den Geschwistern Rosalie und Josef in einer bürgerlichen Familie auf, die sich vom Wanderhandel hochgearbeitet hatte und in Hattingen das Kaufhaus im Steinhagen 15 betrieb.

Dreimal heiratete sie und wurde unter dem Namen Emmy Roth bekannt. Sie machte eine Lehre zur Silberschmiedin und erwarb darin 1906 ihren Meister – als Frau damals eine Besonderheit. Sie zog nach Berlin und betrieb eine eigene Werkstatt als Silberschmiedin in der Clausewitzstraße. Gelebt hat sie auch in Paris. Sie erhielt sogar Aufträge aus dem Ausland. Berühmt wurde sie für ihre Alltagsgegenstände wie Kannen und Services im Bauhausstil. Ihre Werke waren klar in der Form, sehr funktional, ohne Schnörkel.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte sie nach Frankreich. 1935 ging sie nach Palästina. Dort erkrankte sie an Krebs und beging mit 57 Jahren Selbstmord, indem sie Lösungsmittel trank. Aus dem Nachruf weiß man, dass sie Briefe an Angehörige und Polizei hinterließ, die den Selbstmord belegen. Wo die Briefe heute sind, ist unbekannt. Im Archiv in Jerusalem, in dem mehrere Unterlagen von Emmy Roth aufbewahrt werden, sind sie jedenfalls nicht. Die Stadt Hattingen erinnert an sie seit 2005 mit einem „Stolperstein“ im Steinhagen.
Zurzeit der Stolpersteinverlegung im Jahre 2005 war noch kein Foto von Emmy Roth bekannt.
Später, bei der Frauensilberausstellung im Jahre 2011, wurde ein Foto aus dem Jahre 1927 präsentiert. Das Foto ist von Wanda von Debschitz Kunowsky gemacht worden. Sie war die Ehefrau des Gründers der Debschitz-Schule in München, hat dort knapp zehn Jahre das Fach Fotografie gelehrt und später in Hannover, dann in Berlin ihr Atelier gehabt.
Schüler der damals neunten Klasse der Realschule Grünstraße – Katharina, Darleen, Anna-Lena, Maximilian, Lennart, Davin und Paul - zog die Geschichte der Emmy Roth in den Bann, als sie sich 2016 um den Dr. Ruer-Preis zum Thema „Nähert euch einer berühmten jüdischen Persönlichkeit“ bewarben. Die Gruppe gewann mit dem Filmprojekt von einer Stunde Dauer den ersten Platz – doch damit war die Geschichte noch lange nicht beendet.

Durch die umfangreichen Recherchen der Schüler – viele in ihrer Freizeit - entstand Kontakt zu Verwandten der verstorbenen Silberschmiedin. Religionslehrerin Judith Nockemann, die das Projekt immer begleitet hat, berichtet: „Wir sind mit einigen Verwandten von Emmy Roth im Gespräch. Yoram Grunspan, ein Neffe von Emmys Neffen aus Jerusalem, berichtete uns, er habe endlich Emmys Grab gefunden: In Tel Aviv. Das ist darum so interessant, weil Emmy ja Selbstmord begangen hatte, das ist im Judentum verboten, darum war nicht klar, ob es ein Grab von ihr gibt. Erschwerend kam dazu, dass Emmy nicht unter "Emmy Roth", sondern unter "Chava (Eva) Roth" in den Friedhofslisten stand. Da hat Yoram Grunspan viele viele viele Listen durchkämmt, bis er Emmys Grab gefunden hat.“
Auch in die USA führen die Verbindungen. Emmys Neffe, Kurt Stein, ist mit Lore verheiratet. Deren Tochter Naomi Eliezer fand jetzt antiquarisch die Promotionsschrift der Mutter. „Dann haben wir über 1.000 Ecken noch jemanden aus Malaysia aufgetan, der noch zwei Kannen von Emmy Roth besitzt. Der Mann stammt ursprünglich aus Amerika, seine Oma aus Duisburg und seine Oma hat Werke von Emmy Roth mitgenommen bei der Flucht nach Amerika. Unglücklicherweise wurde die Oma ausgeraubt, fast alle Dinge von Emmy Roth wurden gestohlen, aber diese beiden Kannen blieben erhalten“, erzählt Judith Nockemann.
Doch was fasziniert die Schüler heute an Frauenpersönlichkeiten wie Emmy Roth? „Sie war eine starke Frau, eine Querdenkerin, sie war kreativ und für die damalige Zeit sehr gut vernetzt. Wir haben mit dem Wikipedia-Artikel, dem Stadtarchiv und der Bibliothek begonnen, hätten aber niemals gedacht, dass sich ein solches Projekt daraus entwickelt“, erzählen die Schüler. Sie sei auch heute noch ein Vorbild für eine starke Frau, die selbstbewusst durch ihr Leben gehe und von ihrer Hände Arbeit leben konnte. „Emmy Roth lebte immer in guten Wohngegenden, sie absolvierte ihre Ausbildung bei den Besten ihrer Zeit, zum Beispiel bei einem späteren Kaiserlichen Hofjuwelier“, ergänzt Judith Nockemann und findet: „Ich glaube, solche Schüler in Verbindung mit diesem Thema, das gibt es nur einmal im Schulleben. Jetzt haben sie die Schule beendet und ich muss mich auf die Suche nach geistigen Erben begeben, denn die vielen Verbindungen sollen ja nicht abreißen.“

Vor 75 Jahren gestorben

Heute stolpert man wieder über Spuren von Emmy Roth in Hattingen – auch dank der wunderbaren Recherche der Schüler. In Düsseldorf wurde ein Silberkännchen der Hattingerin verkauft – der Händler wollte dafür 16.000 Euro haben. Die Schüler selbst sagen, sie hätten im Team toll gearbeitet und viel gelernt – über Emmy Roth und auch über sich selbst. 2018 plant die Stadt Hattingen eine größere Würdigung ihrer fast vergessenen berühmten Tochter.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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