Wir sind Hattinger: Karl Thiel (1875-1942)

Karl Thiel. Foto: Stadtarchiv Hatingen
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Karl Thiel wurde am 18. Oktober 1875 als Sohn eines Kupferschlägers in Lüdenscheid geboren. Er schlug die Laufbahn eines klassischen Beamten ein – sein Beruf führte ihn zu den Stadtverwaltungen nach Goch, Lüdenscheid, Gelsenkirchen, Baukau, Westerkappeln und am 1. April 1909 nach Blankenstein. Dort war er bis zum 30. Juni 1934 Amtmann und Erster Bürgermeister.

Einen Namen gemacht hat sich Thiel vor allem im Zusammenhang mit der Gartenstadt Hüttenau. Die Arbeitersiedlung im heutigen Stadtteil Welper geht auf die Gründungsversammlung am 31. Oktober 1909 zurück. Sie lehnte sich an Ideen der Sozialreformen in Großbritannien und das Gartenstadt-Konzept an. Karl Thiel schrieb damals: „Die räumliche Abtrennung der Familien von der Scholle, der nur der wohlhabende Mensch unseres Zeitalters noch entgehen kann, läuft der naturhaften Freude geradezu entgegen. Da die kosmischen Gesetze aber für alle Menschen bindend sind, gilt das Prinzip des freien Menschen auch für alle - die Minderbemittelten wie die Begüterten“ (aus: Geschichte der Gartenstadt Hüttenau).
Thiel rief 1909 zur Gründung einer Baugenossenschaft auf und beauftragte den Architekten Georg Metzendorf, der seit 1908 leitender Architekt der Margarete-Krupp-Stiftung in Essen war, mit der Planung und Umsetzung einer Gartenstadt als Gegenbewegung zum Konzept der Mietskasernen. Hierbei schlossen sich die Gemeinden Blankenstein und Welper zu einer Interessengemeinschaft unter finanzieller Beteiligung der Firma Henschel (Henrichshütte) zusammen.

Gründer der "Gartenstadt auf sonnigen Auen"

Es entstanden innerhalb mehrerer Jahre insgesamt 400 Häuser mit fließendem Wasser, separatem Bad, Anschluss an Abwasserkanäle, Heizung über eine zentrale Anlage, Stromanschluss und einem größeren Garten. Insbesondere der Garten war Thiel wichtig. Die Eigenheime, viele von ihnen für die Arbeiter der Henrichshütte gedacht, wurden auf den „sonnigen Auen von Welper“ errichtet. Die Siedlung galt als vorbildlich und fand in ganz Deutschland Beachtung.
Viel Beachtung fand Karl Thiel auch bei den Nationalsozialisten – allerdings in negativer Form. Ihnen war der beliebte Thiel ein Dorn im Auge. 1933 wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet. Die Vorwürfe schienen absurd: In seiner Dienstwohnung sollte er Waschtische auf Amtskosten eingebaut haben. Auch die Anbringung einer Plakette mit seinem Bild an der Kemnader Brücke wurde als unzulässiger Personenkult angesehen. 1934 wurde das Verfahren vor allem wegen Verjährung eingestellt, aber Thiel sollte nicht mehr zur Ruhe kommen. Die Nationalsozialisten bemängelten, dass der Brunnen am Bebelplatz nach ihm benannt wurde – und sie versetzten den Amtmann im April 1934 einfach in den Ruhestand.
Friedrich Wilhelm Karl Thiel starb am 1. Oktober 1942 in Dortmund – bis zu seinem Lebensende trafen ihn die Vorwürfe schwer.
Die Genossenschaft Gartenstadt Hüttenau eG besitzt heute rund 1.200 Wohnungen. Dennoch ist das „Häuschen im Grünen“ und die Thielsche „Bindung an die Scholle“ heute für viele Menschen nicht mehr die Lebensvorstellung – teilweise aus finanziellen Gründen, teilweise aber auch aufgrund neuer mobiler Lebensmodelle, die eine lebenslange Bindung an einen Arbeitgeber nicht mehr zulassen. Statt Garten reicht heute vielen ein Balkon mit Blumen.

Karl Thiel. Foto: Stadtarchiv Hatingen
Die Gartenstadt Hüttenau in den zwanziger Jahren. Foto: Jahrbuch Henschel & Sohn/Stadtarchiv Hattingen
Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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