Wir sind Hattinger: Nikolaus Groß

Nikolaus Groß. Foto: Bistum Essen
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Einer der sicherlich berühmtesten Hattinger war Nikolaus Groß (1898 – 1945). Er wurde in Niederwenigern geboren, war ein christlicher Gewerkschafter und führend in der KAB, der Katholischen Arbeiterbewegung. Später lebte die Familie in Köln. Er kämpfte gegen den Nationalsozialismus und wurde am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Am 7. Oktober 2001 wurde er von Papst Johannes Paul II seliggesprochen, das Bistum Essen hatte den Prozess seit 1987 für Nikolaus Groß geführt.

Wie Jürgen Aretz in seinem Buch über Nikolaus Groß schreibt, ist er der einzige Laie im deutschsprachigen Raum, für den wegen seines Widerstandes gegen die Nationalsozialisten ein Seligsprechungsprozess geführt wurde. In Niederwenigern gibt es heute ein Nikolaus-Groß-Museum zu seinem Gedenken, in zahlreichen Städten weitere Gedenktafeln.
Nach seiner Schulzeit in Niederwenigern wurde Groß zunächst Bergmann. 1920 gab er diesen Beruf auf und wurde Jugendsekretär beim Gewerkverein Christlicher Bergarbeiter. Er brachte es bis zum Gewerkschaftssekretär in Bottrop 1926, bevor er als Redakteur zur Westdeutschen Arbeiterzeitung wechselte, dem Verbandsorgan der KAB Westdeutschland. Die Zeitung stand dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber und wurde 1938 endgültig verboten. Groß selbst kämpfte schon vor 1933 gegen den Nationalsozialismus. Immer wieder hatte er vor der Entwicklung gewarnt – vor allem vor den Reichstagswahlen im September 1930, als die Nationalsozialisten ihre Mandate von bisher zwölf auf 107 vervielfachen konnten. Immer wieder versuchte der Widerstandskämpfer mit religiösen Beiträgen gegen den Nationalsozialismus wach zu rütteln.
Groß wurde im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli im August 1944 durch die Gestapo verhaftet, vor den Augen seiner Kinder. Mit dem Attentat selbst hatte er nichts zu tun, er war aber mit dem Widerstandskämpfer Bernhard Letterhaus befreundet, der nach der Hitler-Zeit als Ausbauminister im Gespräch war – falls das Attentat erfolgreich gewesen wäre. Überliefert ist die Frage der damals fünfjährigen Leni an ihn: „Vater, wohin gehst Du?“ Sie sollte ihn nicht wiedersehen. Am 6. Januar 1945 bekam Groß in Berlin im Gefängnis Besuch von seiner Frau. Er hoffte auf baldige Freilassung, weil die sowjetischen Truppen bereits die Ostgrenze des Deutschen Reiches überschritten hatten. Noch einmal traf er seine Frau am 13. Januar im Gefängnis. Am 15. Januar 1945 wurde er zum Tode verurteilt, am 18. Januar sah er seine Frau noch ein letztes Mal und am 23. Januar 1945 wurde er durch den Strang hingerichtet. Ein Grab von ihm ist nicht bekannt. Hingerichtete Widerstandskämpfer wurden in der Regel verbrannt, ihre Asche verstreut. Auch Todesanzeigen für sie waren den Angehörigen verboten.

Seine Liebe galt Gott und der Familie

Nikolaus Groß war seit Mai 1923 mit Elisabeth Koch verheiratet und hatte sieben Kinder. Seinen Kindern ist es auch zu verdanken, dass die persönlichen Briefe, die Nikolaus Groß in der Zeit seiner Haft an die Familie schrieb, in die Öffentlichkeit gelangen konnten und Gegenstand des Buches von Jürgen Aretz Hg.) über Nikolaus Groß wurden. In den Briefen spricht er seine Frau oft mit „Mutter“ an, damals ein üblicher Sprachgebrauch. Seine Sorge gilt ihr und den Kindern.
Nikolaus Groß darf wöchentlich zwei Briefe aus der Haft schreiben. Er tut dies in der tiefen Überzeugung, dass Gott „uns nicht mehr schickt, als wir tragen können“. In den ersten Briefen fragt er nach dem Wohlergehen seiner Familie und gibt an, sie solle sich keine Sorgen machen, es gehe ihm gut. Groß, schon lange schwer magenkrank und deshalb vom Kriegsdienst befreit, will nicht, dass sich seine Familie Gedanken macht. Auch die Antworten seiner Familie erreichen Nikolaus Groß im Herbst 1944 in der Haft – ebenso Päckchen, zum Beispiel mit Pfirsichen aus dem heimischen Garten. Auch Wäsche, Toilettenartikel, Lebensmittel und Briefpapier schickte die Familie in die Haft. Groß schrieb am 11. September 1944: „Ich komme mir vor wie ein steinreicher Mann.“
Dann wurden die Haftbedingungen erschwert und nur noch einmal pro Woche darf Nikolaus Groß schreiben. Am 18. September 1944 schreibt er in einem Brief seine Erinnerungen an die letzten Worte auf, die er von seiner Familie hörte: Vater, wohin gehst Du? Ende September wird Groß in die Haftanstalt nach Berlin verlegt und darf nur noch alle zwei Wochen schreiben. Pakete darf er keine mehr bekommen. An Heiligabend 1944 schreibt er einen Brief an die Familie mit dem Inhalt der Erinnerung an das erste gemeinsame Weihnachtsfest der Eheleute 1923. Unterzeichnet sind die Briefe entweder mit „Vater“ oder auch mit „Nikel „ (von „Nikolaus“). Der letzte Brief datiert vom 21. Januar – sechs Tage zuvor war Nikolaus Groß zum Tode verurteilt worden. Seine Frau kannte das Urteil und Groß selbst hatte wohl nicht wirklich mit diese Härte gerechnet. Noch immer sind seine Briefe vom tiefen Glauben und der Liebe zu seiner Familie geprägt. „Ich habe für jeden von Euch ein Spruch- oder Andachtsbildchen mit einem persönlichen letzten Wort versehen. Möge es jedem eine kleine Erinnerung sein, auch mit der Bitte, mich im Gebet nicht zu vergessen.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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