Eine zweite Sprache ist ein Geschenk

Maria Daniel, Julia Gromovaya und Birgül Simsek-Tapli arbeiten alle bei der IFAK in Hattingen. Die drei Frauen haben alle einen mehrsprachigen Lebenshintergrund. Marias Muttersprache ist Polnisch, Julias Muttersprache ist Russisch und Birgül spricht Türkisch. Daneben sprechen alle Deutsch. Alle haben Kinder und die sind mehrsprachig aufgewachsen. Ein Gewinn, wie alle drei übereinstimmend sagen. Mehrsprachigkeit in der frühkindlichen Erziehung war das Thema des Elterntreffs „Hattingen hat interessierte Eltern“ im Februar 2016.

Die IFAK (eigentlich die Abkürzung für Initiative für ausländische Kinder, heute geführt unter Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit) hat noch ihren Sitz in der Hattinger Bahnhofstraße, zieht jedoch bald zum Krämersdorf.
Einig sind sich die Expertinnen: Wenn es die Möglichkeit gibt, ein Kind bilingual, also zweisprachig, aufwachsen zu lassen, sollte man dies unbedingt tun. Eine zweite Sprache ist ein Geschenk und ein großer Vorteil in der heutigen multikulturellen Gesellschaft und für die Anforderungen in der Berufswelt.
Man unterscheidet zwischen simultan bilingualen Kindern (also solchen, die sehr früh mit zwei verschiedenen Sprachen aufwachsen). Hier sprechen die Elternteile in der Regel unterschiedliche Sprachen und so wächst das Kind selbstverständlich mit zwei Sprachen auf.
Die anderen Kinder sind die sukzessiv zweisprachigen Kinder, die zunächst nur ihre Muttersprache lernen. Erst ab dem Alter von drei Jahren, oft durch den Kontakt zum Kindergarten, kommt eine weitere Sprache, in der Regel Deutsch, dazu. Diese Kinder haben in den ersten Lebensjahren nur die Muttersprache der Eltern kennengelernt.
Bei der Sprachentwicklung der simultan bilingualen Kinder kann man oft eine Vermischung beider Sprachen beobachten. Das ist völlig normal. Während man früher darin eine Überforderung sah, geht man heute eher von einer kreativen Nutzung beider Sprachen aus. „Wenn ich mit meinem Sohn meine Mutter in Polen besuchte, dann hat man Sohn zunächst nur Deutsch gesprochen. War er wieder hier, sprach er eine Woche nur Polnisch. Auch das ist völlig normal“, erklärt Maria Daniel.
Wortschatzlücken der einen Sprache werden mit Vokabeln aus der anderen Sprache geschlossen. Werden beide Sprachen im Alltag genutzt, bleibt diese Zweisprachigkeit auch erhalten und verbessert sich mit immer mehr Vokabeln und Grammatik. Sobald eine Sprache nicht mehr gesprochen wird, verlernt das Kind die Sprache auch wieder.
Bei sukzessiv zweisprachigen Kindern ist die Muttersprache bereits perfekt gelernt. Die zweite Sprache, die dann im Kindergartenalter dazu kommt, wird dann besonders gut gelernt, wenn sie auch von den engen Bezugspersonen des Kindes geschätzt wird. Wenn sich also Mama und Papa ebenfalls Mühe geben, dann lernt auch das Kind die fremde Sprache umso schneller. Nach etwa zehn Monaten Sprachkontakt können sich diese Kinder auch bereits in der „fremden“ Sprache gut unterhalten.
Über die Sprache werden auch die Werte der jeweiligen Kultur vermittelt. Das ist in der heutigen Zeit besonders wichtig. Mehr als 26 Prozent der unter Sechsjährigen wachsen zweisprachig auf. In der Realität dürften es noch viel mehr sein, denn nach der Einbürgerung werden die Kinder mit Migrationshintergrund nicht mehr in dieser Statistik erfasst.
Integration beginnt mit der Sprache. Dabei können Kinder mit und ohne Migrationshintergrund voneinander lernen. Wenn einer fremden Sprache mit Respekt und Offenheit begegnet wird, dann können alle davon profitieren. „Die beste Möglichkeit für eine gelungene Integration.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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