Elterntreff: Ohne Töne keine Sprache

Mit diesem Motiv macht die Stadt Hattingen auf das Problem aufmerksam, dass sich Eltern manchmal mehr mit dem Smartphone als mit dem Kind beschäftigen.
  • Mit diesem Motiv macht die Stadt Hattingen auf das Problem aufmerksam, dass sich Eltern manchmal mehr mit dem Smartphone als mit dem Kind beschäftigen.
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Lisa Wich, Leiterin der „Krabbelbude“ und Melanie Becker von der städtischen Erziehungshilfe diskutierten an diesem Abend in der Reihe "Hattingen hat interessierte Eltern" mit (werdenden) Eltern über die Frage, wie man sich mit seinem Baby unterhalten soll.

Dabei stellte Melanie Becker zunächst die Kampagne „Sprechen Sie mit Ihrem Kind“ vor, die mit Postkarten, Flyern und Poster darauf aufmerksam machen soll, wie wichtig die interaktive Kommunikation mit dem Baby/Kleinkind ist. Dabei sollten sich Eltern nicht ständig von ihrem Smartphone ablenken lassen. Das nämlich war den Experten aufgefallen, dass die technischen Alleskönner verstärkt als Beruhigungsmittel eingesetzt werden, aber eben auch viel Zeit der Eltern beanspruchen, die sie von den Signalen, die ihnen ihr Kind gibt, ablenken. Lisa Wich gibt ein Beispiel. „Wenn ein Elternteil mit seinem Kind auf dem Spielplatz ist und das Kind hat etwas entdeckt und versucht, dies über Töne dem Erwachsenen mitzuteilen, wird dieser nicht reagieren, wenn er mit dem Smartphone beschäftigt ist. Daraus lernt das Kind, es muss möglicherweise brüllen, um sich mitzuteilen. Vielleicht lernt es daraus aber auch, dass es sich nicht lohnt, irgendetwas mitteilen zu wollen und verstummt. Um diese Kinder müssen wir uns besondere Sorgen machen.“
Die Expertin, die sich seit über zwanzig Jahren mit Babys und Kleinkindern beschäftigt, weiß, wie wichtig Interaktion zwischen dem Erwachsenen und den Kindern ist. „Wenn ein Kind geboren wurde, verändern wir unser Verhalten eigentlich intuitiv. Unsere Stimme wird höher, wenn wir das Baby ansprechen, Wir machen große Augen, wir verändern unsere Mimik und nähern uns dem Baby an, damit es uns optimal erkennen kann. So sollte es sein. Doch es gibt Störungen, die diesen Prozess brechen. Eltern, die nicht gut auf ihr Kind hören, werden erleben, dass das Kind dadurch lernt, es müsse möglichst laut brüllen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Oder es lernt, dass es sich nicht lohnt, zu kommunizieren und hört auf, sich mitzuteilen.“

Direkte Ansprache mit Blickkontakt

Babys und Kleinkinder brauchen die direkte Ansprache mit persönlichem Blickkontakt. Selbst im Erwachsenenalter empfinden wir es als unangenehm, wenn wir mit jemandem sprechen, der selbst ständig in eine andere Richtung schaut oder sich mit seinem Smartphone beschäftigt.
Babys und Kleinkinder müssen erst lernen, dass es sich lohnt, durch Töne etwas mitzuteilen. Der Erwachsene reagiert darauf, nimmt diese Töne auf und signalisiert dem Kind, dass er weiß, was es möchte und seine Bedürfnisse ernst nimmt.
Mit einem Film über das Prozedere des An- und Ausziehens eines Kindes wird dies verdeutlicht. Die Mutter bezieht das Kind mit ein, erklärt die einzelnen Schritte, die sie unternimmt, benennt Körperteile und sorgt mit Kitzeln und Spaß nicht nur für eine angenehme Atmosphäre, sondern bringt dem Kind auch spielerisch Zahlen und Worte bei. Außerdem wird das Baby eingebunden in selbständiges Handeln: Sieh mal, den einen Arm haben wir schon aus dem Pulli heraus, jetzt ziehst Du den anderen Arm heraus.
Dahinter verbirgt sich der Fachbegriff „Marte Meo“, bedeutet „aus eigener Kraft“. Die Begründerin Maria Aarts hat damit eine Video-Aufzeichnungsmethode von Alltagssituationen geschaffen, mit deren Hilfe Eltern praktische Tipps im Umgang mit ihren Babys und Kleinkindern gegeben werden. Übrigens genießt diese Video-Methode auch im Umgang mit dementen Menschen mittlerweile Anerkennung.
Wie ein roter Faden zieht sich an diesem Abend die Bitte der Experten, dem Kind Hilfe und Unterstützung zu geben, ihm aber nicht die Aufgabe abzunehmen. „Wenn das Kind zu einem Kuscheltier robben will, geben Sie ihm Hilfe. Sprechen Sie mit dem Kind, signalisieren Sie, dass Sie verstanden haben, was es möchte, aber holen Sie das Kuscheltier nicht. Lassen Sie das Kind dorthin robben und loben Sie es für die Anstrengung, wenn es das geschafft hat.“
Ganz wichtig: Sprechen Sie mit dem Kind. Dabei kommt es nicht darauf an, wie lange mit dem Kind gesprochen wird, sondern in welcher Qualität. Ob man wirklich ganz bei dem Kind ist, es direkt anspricht und nicht nur „nebenbei“. „Ohne Töne keine Sprache. Und Berufstätige müssen sich keine Sorgen machen. Auch wenn sie weniger Zeit haben, mit dem Kind zu reden – tun sie dies bewusst und intensiv, ist alles in Ordnung.“
Über zwei Stunden am Tag beschäftigen sich Erwachsene mittlerweile mit dem Smartphone. Das sagt die Statistik. „Wollen wir wirklich eine Zukunft, in der wir eine App auf dem Smartphone mit Herzschlag oder Haarfön-Geräusch zur Beruhigung für das Baby nutzen? Das gibt es nämlich alles schon“, weiß Lisa Wich.

Kontakt: Lisa Wich, Eltern-Kind-Zentrum Krabbelbde, Heckenweg 8, 45527 Hattingen, Telefon 02324/570431; E-Mail krabbelbude-hattingen@web.de; unter dieser Rufnummer können auch Termine für die Offene Babysprechstunde (kostenlos) vereinbart werden, die in Kooperation mit dem „Bündnis für Familie“ und dem Jugendamt der Stadt Hattingen montags 16 bis 17 Uhr im Familienzentrum Südring und freitags von 10.30 bis 11.30 Uhr im Familienzentrum Holthausen stattfindet.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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