Serie "Alt werden": Teil zwei mit dem Thema Sucht

Peter Dresia vom Café Sprungbrett kennt sich aus mit Sucht im Alter und weiß, wie man helfen kann. Foto: Pielorz
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Die Menschen werden älter. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen in die Jahre. Bis zum Jahr 2020 werden 6,6 Prozent der Menschen über achtzig Jahre alt sein. Damit verbunden sind der Anstieg verschiedener Krankheiten, aber auch medizinischer Fortschritt, der ein hohes Lebensalter ermöglicht. Altersarmut und Vereinsamung nehmen zu – und sie sind die Hauptgründe für die Zunahme von Sucht im Alter.

„Die Vereinsamung beobachten wir besonders bei älteren Männern. Sie sind aus dem Berufsleben ausgeschieden, manchmal ist die Partnerin bereits verstorben oder selbst krank. Sie können ihrer neuen Lebenssituation keine Struktur geben und nutzen den Alkohol als Trost in dieser Situation. Bei den Frauen erleben wir es oft, dass ihre kleine Rente für viele Annehmlichkeiten nicht ausreicht. Auch sie sehen im Alkohol dann zunächst einen Trostfaktor. Bezahlbar ist er, denn es gibt ihn oft billig zu kaufen“, erzählt Peter Dresia vom Café Sprungbrett, dem niederschwelligen Angebot für Suchtkranke in der Hattinger Altstadt.
Der Abstieg zur Sucht beginnt schleichend, aber unaufhaltsam. „Hinzu kommt, dass Alkohol im Alter schneller, stärker und länger wirkt. Das hat etwas mit dem geringeren Verteilungsvolumen, also weniger Wasser und Muskelmasse, zu tun, aber auch mit dem verminderten Abbau in der Leber. Außerdem verlängert sich die Wirkdauer von Medikamenten.“
Während jüngere Alkoholiker ihre Trinkgewohnheiten oft einfach auch im Alter beibehalten, gibt es auch die Gruppe derer, die erst im Alter zum Alkoholiker werden. „Zum einen werden auch Alkoholiker aufgrund von Therapien heute älter, zum anderen gibt es immer mehr Menschen, die im Alter zur Flasche greifen“, so Dresia. Sie versuchen, ihre Einsamkeit und ihre Armut mit der Droge zu bekämpfen. Dabei, so Dresia, sind es mehr Männer als Frauen. „Rund 400.000 Menschen über 60 Jahre haben ein Alkoholproblem.“
Dabei liegen die Trinkgewohnheiten oft im Verborgenen. „Das geschieht selten in der Öffentlichkeit. Wer im Alter trinkt, tut das in seiner Wohnung. Ärzte führen Auffälligkeiten wie Vergesslichkeit, Verwahrlosung, Zittern, Schwindel oder Stürze oft allgemein auf das Alter zurück, nicht aber auf Probleme mit Alkohol.“ Dabei, so Dresia, komme oft ein Problem mit Medikamenten hinzu. „Im Alter werden mehr Medikamente genommen und die haben dann mit dem Alkohol eine entsprechende Wechselwirkung.“
Ein weiteres Problem sieht Dresia in der Tatsache, dass es die klassische Großfamilie nicht mehr gibt. „Berufliche Anforderungen führen oft zu einem Wegzug der Kinder. Verstirbt dann der Partner, so bleibt einer allein zurück. Er hat oft niemanden mehr. Und dann ist der Weg zum Glas nicht weit.“ Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, dem zu entrinnen. „Es ist nie zu spät, mit dem Alkohol aufzuhören. Wer sich einmal auf den Weg gemacht hat und in eine Gruppe kommt, der bleibt oft auch da. Die Fluktuation in diesen Gruppen ist nicht so hoch.“
EN-Kreis-Sozialamt, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe/Rheinland und AMITAS (Ambulante Intensivbetreuung mit tagesstrukturierenden Maßnahmen und stationären Wohn- und Beschäftigungsangeboten) bieten abhängigkeitskranken Senioren die Chance auf Hilfe, damit sie nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt in eine stationäre Alten- und Pflegeeinrichtung müssen. Das Café Sprungbrett und Haus Theresia in Bredenscheid spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die abhängigen Senioren können dabei in ihrer eigenen Wohnung leben, erfahren aber eine umfassende Betreuung und Struktur (inklusive Essen) an fünf Wochentagen. Außerdem besteht die Möglichkeit, in einer kleinen Wohngemeinschaftseinheit zu leben.

Viele Ältere sind einsam

Außerdem gibt es seit sechs Jahren im Café Sprungbrett am Steinhagen jeweils dienstags vierzehntägig von 14.30 bis 16 Uhr einen Gesprächskreis für suchtgefährdete und suchtkranke Senioren. „Gemeinsam statt einsam“ heißt dieser und jeder ist willkommen. „Man muss sich nur überwinden, einmal hierher zu kommen. Die Gespräche mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben, sind hilfreich. Wir versuchen, Menschen in der Sinnkrise zu helfen, die oft bei den sogenannten Späteinsteigern die Sucht ausgelöst hat.“
Überhaupt noch kein Thema ist die Sucht im Alter bei Menschen mit Migrationshintergrund. „Das findet absolut im Verborgenen statt. Hinzu kommt, dass manche Kulturen wirklich auch schlecht mit wenig Alkohol umgehen können. Wenn dann Probleme auftauchen, nimmt der Konsum zu und einfach überhand.“
Kontakte: Café Sprungbrett, Steinhagen 19, geöffnet montags bis samstags ab 10 Uhr bis 19 Uhr, samstags bis 13 Uhr; sonntags und an Feiertagen 13 bis 17 Uhr; Telefon 02324/59697-0 (-11 Peter Dresia). Kontakt zu Haus Theresia: Telefon 02324/5988-213 (Yvonne Noellen).

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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