Eine Hemer-Rundfahrt für eineinhalb Euro

Ehrenamtlich am Steuer des Busses: Erhard Voß, Schriftführer des Bürgerbus Hemer e.V..
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Einen Euro und fünfzig Cent für eine „Quasi“-Stadtrundfahrt? Das Ehepaar aus Menden hat heute Morgen gerade den Shuttlebuss in die Innenstadt verpasst. Hilfe suchend stehen sie an der Haltestelle am „Haupteingang“ der Landesgartenschau, als ich mich mit dem Bürgerbus auf der Rückfahrt der Felsenmeerlinie zum Zentralen Omnibusbahnhof befinde. Letztlich ist das nicht „unsere“ Haltestelle, dennoch halte ich an und lasse beide einsteigen. 1,50 Euro pro Person beträgt der Preis für die Einzelfahrt.

Auf der Fahrt schwärmen die beiden nicht vom 4:1-Erfolg der deutschen Fußballelf sondern von der Landesgartenschau und wie sich die Stadt gewandelt hat. Eigentlich wollten sie am ZOB in die Linie 1 der MVG nach Menden umsteigen. Doch als sie von mir zu Ohren bekommen, dass der entrichtete Fahrpreis bis zum Ausstieg gilt, beschließen sie, sitzen zu bleiben, um über Hemer und den Bürgerbus – den es auch in Menden gibt – mehr zu erfahren.

Die aus England stammende Idee war ursprünglich für den Einsatz in dünn besiedelten ländlichen Räumen gedacht. Heute sind in der Republik 154 Bürgerbusse, davon alleine 90 in NRW, in abseits gelegenen Stadtteilen unterwegs, und zwar auf Strecken, die der reguläre Personennahverkehr nicht bedient – weil es sich nicht lohnt, oder weil die Straßen für die üblichen Linienbusse zu eng sind.

In Hemer ist der Verein „Bürgerbus Hemer e.V.“ mit seinem inzwischen dritten achtsitzigen Kleinbus und z.Zt. 17 ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern seit 1997 aktiv. Es sind vornehmlich die Senioren aus den Außenbezirken der Stadt, die den Bus nutzen, da dort die „Tante-Emma-Läden“ inzwischen geschlossen sind und der Partner, der sonst das Auto fuhr, vielleicht nicht mehr da ist. Täglich verbinden vier Linien nach einem festen Fahrplan mehrfach die Wohngebiete, wie z.B. Urbecke, Asenberg, Tannenkopf, Ballo, „Klein-Berlin“, „Weifenbach-Siedlung“, Hemer-Ost, Lamberg und Parkstraße, mit der Innenstadt und den in ihrer Nähe liegenden Geschäften, Arztpraxen und Apotheken. Selbstverständlich liegen dabei die Seniorenheime, Paracelsus- und Lungenklinik, die Begräbnisstätten „Friedhof Kantstraße“, „Waldfriedhof“ und „Sundwiger Friedhof“ an der Strecke. Die Haltestellen sind mit dem Bürgerbus-Logo gekennzeichnet, teilweise sind sie identisch mit denen der Märkischen Verkehrsgesellschaft mbH und gestatten so einen direkten Übergang in deren Liniennetz mit Anbindung an die Nachbarstädte Iserlohn und Menden.

Heute werden nicht nur Pakete zur Post gebracht oder schwere Einkaufstaschen nach Hause transportiert, auf einer Fahrt durch die Außenbezirke lernt das Mendener Ehepaar Hemer von einer ganz anderen Seite kennen – nicht ohne auch mal vom Asenberg einen Blick auf den neuen Jübergturm geworfen zu haben. Und sie sind erstaunt darüber, wie locker und familiär es unter den Fahrgästen zugeht. Man kennt sich und hat viel zu erzählen und zu diskutieren: Über große und kleine Politik, wie toll die Landesgartenschau mit all ihren Veranstaltungen geworden ist, wie sich das Stadtbild verändern hat und wer das nur alles bezahlt. Aber auch von Kindern und Enkelkindern wird gesprochen, über Krankheiten, und bei welchen Ärzten man lange warten muss. Sogar die Tages- und Wochenangebote bei Real, Edeka, Lidl, Aldi, Netto und Penny sind Gesprächsstoff.

Nicht ganz eineinhalb Stunden hat das Abfahren der vier Linien gedauert. Jede Linie beginnt und endet am Omnibus-Bahnhof. Aber die beiden Fahrgäste wollen noch nicht den Bus nach Menden nehmen. Sie möchten bei „Poggel“ aussteigen. Offiziell heißt die Haltestelle zwar „Auf dem Hammer“, aber den großen Eisbecher, den sich die Mendener noch zum Abschluß der kleinen Stadtrundfahrt gönnen, gibt’s eben im Café Poggel.

Ich bin gespannt, wann wieder mal Fahrgäste „nur so“ zur Rundfahrt mit mir oder meinen Kolleginnen bzw. Kollegen mitfahren. Ein Zu- und Ausstieg ist an allen Haltestellen der Bürgerbus-Strecken möglich, ganz bestimmt aber trifft man den Bus im 15- bis 25-minütigen Abstand am ZOB an. Und vielleicht ist auch jemand dabei, der sich für eine Fahrertätigkeit interessiert.

Ehrenamtlich am Steuer des Busses: Erhard Voß, Schriftführer des Bürgerbus Hemer e.V..
Im 15- bis 25-minütigen Takt fährt der Bürgerbus den ZOB Hemer an.
Autor:

Erhard Voß aus Hemer

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