"Es geht rund" - Rhönradturnen im Selbstversuch

Redakteur Christoph Schulte begab sich für die neue STADTSPIEGEL-Serie zu unbekannten Sportarten zwar nicht auf Glatteis, wohl aber ins Rad, genauer gesagt ins Rhönrad beim TV Deilinghofen. Und da gings im wahrsten Sinne des Wortes für ihn rund. | Foto: Diana Ranke
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  • Redakteur Christoph Schulte begab sich für die neue STADTSPIEGEL-Serie zu unbekannten Sportarten zwar nicht auf Glatteis, wohl aber ins Rad, genauer gesagt ins Rhönrad beim TV Deilinghofen. Und da gings im wahrsten Sinne des Wortes für ihn rund.
  • Foto: Diana Ranke
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Wikipedia weiß (fast) alles. Otto Feick also war es im Jahr 1925, dem ich mein außergewöhnlichstes Sporterlebnis seit langem zu verdanken habe. Denn der Sohn eines Schmiedes aus Schönau hatte unter der Nummer 442057 ein gewisses „Reifen-Turn- und Sportgerät“ zum Patent angemeldet. Und genau ein solches „Rhönrad“ sollte ich jetzt im Rahmen unserer STADTSPIEGEL-Serie mit selten im Rampenlicht stehenden Sportarten einmal selbst ausprobieren - hatten meine beiden weiblichen Kolleginnen beschlossen.

Bei meiner Recherche stellte ich dann zunächst einmal fest, dass es im heimischen Raum gleich zwei Vereine gibt, die sich dem Rhönradturnen verschrieben haben. Neben dem Letmather TV ist dies der TV Deilinghofen. Und genau diesem wollte ich dann mal einen Besuch abstatten.
Beim Betreten der Turnhalle der Grundschule Deilinghofen sehe ich neben einigen leicht erstaunten sechs- bis zehnjährigen Mädchen vor allem ein auf den ersten Blick kaum zu durchblickendes Wirrwarr an.... Rhönrädern! „Wir besitzen hier im TV Deilinghofen inzwischen weit mehr als ein Dutzend Räder in unterschiedlichen Größen“, weiß Friederike Falkenhagen, Rhönradtrainerin des TVD, die mich in den folgenden Minuten durch mein großes „Abenteuer“ führen wird.

Ein bisschen wie Karrussell fahren

Während sie „ihre“ jungen Mädchen schon mal zum Aufwärmen und Dehnen vor dem eigentlichen Turnen schickt, wird es dann für mich ernst. Als ich mich gerade mit einem mittelgroßen Rad anfreunde, kommt schon die erste Korrektur. „Das nicht, das ist viel zu klein für dich.“ Stattdessen rollt Friederike Falkenhagen nach einem kurzen, aber kompetenten Blick auf meine Größe von 1,70 m mit dem zweitgrößten Rad auf mich zu. „Das müsste für dich passen.“ Okay, wenn die Fachfrau es meint. „Das geeignete Rad muss rund 40 Zentimeter mehr im Durchmesser haben als die Körpergröße des Turners.“ Dann erklärt mir die TVD-Trainerin kurz die einzelnen Bestandteile des inzwischen auf mich irgendwie wie ein bedrohliches „Monster“ wirkenden, rund 40 - 60 kg schweren und rund 1.000 Euro teuren Sportgerätes. Die beiden Reifen sind verbunden durch Griff- und Spreizsprosse, Griffe zum Festhalten befinden sich ebenfalls - Gott sei Dank - noch an dem Ding - und schließlich noch zwei Bretter mit Lederriemen. Da kommen die Füße drauf - wie ich im nächsten Moment erfahre. „Stell Dich einfach mal rein.“ Irgendwie rutscht mir gerade das Herz ein wenig in die Hosen.

Körperspannung aufbauen

Nachdem ich noch auf Anraten der Expertin meine Hosentaschen von jeglichem Inhalt (Schlüssel, Speichersticks.... etc.) befreit habe („Damit während der Fahrt nichts rausfallen kann.“), zieht Friederike Falkenhagen die Lederriemen noch richtig fest und meint mit einem verschmitzten Lächeln zu mir „Jetzt gibts kein Entrinnen mehr!“ Na prima! Ihre weiteren Tipps lauten noch: „Füße schön gegen die Bretter pressen, Körperspannung aufbauen und gut festhalten.“ Und schon setzt sich das Rhönrad mit seinem „Fahrgast“ - denn genauso komme ich mir gerade vor - langsam in Bewegung. Ein kleiner Schubs von der Trainerin hat dazu gereicht. Langsam, ganz langsam drehe ich mich um die eigene Achse. Irgendwie komme ich mir ein bisschen wie auf der Kirmes vor. Vielleicht wie in einem sich langsam drehenden Riesenrad - nur dass man dort nicht irgendwann kopfüber in den Gondeln sitzt. Aber schließlich komme ich tatsächlich mit Kopf oben und Beinen unten wieder zum Stehen. Erleichterung macht sich breit. „Überstanden!“ Lob von der Expertin „Siehst Du, war doch gar nicht so schwer. Hast Du für den Anfang ganz gut gemacht.“ Wie, für den Anfang? Ich dachte eigentlich, ich hätte es überstanden. Doch da habe ich meine Rechnung sichtlich ohne den Wirt bzw. Friederike Falkenhagen gemacht. „Beim nächsten Mal versuchen wir, dass Du das Rhönrad selbst zum Rollen bringst.“ Ojeh! Doch obwohl sich mein Kopf irgendwie weigern will, eine Hand vom Festhaltegriff zu lösen und mit dem Arm und etwas Gewichtsverlagerung das Gerät in Bewegung zu setzen, klappt es tatsächlich. Nach der nächsten Runde kommt ein kleines bisschen Stolz in mir auf. Klappt doch. Gut, dass ich gerade nicht die mitleidigen Blicke der „Turnküken“ in der Halle mitbekomme. Na ja, egal. Friederike Falkenhagen kommt jetzt auch in Fahrt. „Sah doch gut aus. Dann können wir nach der Seitstellung jetzt mal weitere Anfängerübungen wie den Liegestütz mit Anwinkeln oder die Spindelbrücke versuchen.“ Wie bitte? Mir reicht es eigentlich schon. Aber nach kurzem Zureden stelle ich mich den neuen Herausforderungen. Der gerade zurückgekehrte Mut ist aber genauso schnell wieder weg, als ich höre, dass ich dazu einen Fuß aus der „lebensrettenden“ Schlaufe nehmen muss. Aber was solls? Augen zu und durch - übrigens im wahrsten Sinne des Wortes bei mir.

Schweißtropfen auf der Stirn

Als ich wieder kopfüber und nur mit einem Fuß gesichert in dem Rad hänge, weiß ich spätestens, warum beim Rhönradturnern auch regelmäßig Krafttraining zum Muskelaufbau zum Trainingsprogramm gehören. Verflixt anstrengend, das Ganze. Verzweifelt versuche ich mit meinem „freien“ Fuß wieder Boden bzw. einen Spross unter eben diesen zu bekommen. Aber da ist ja zum Glück noch die 20-jährige Trainerin, die selbst noch aktiv an Rhönradwettkämpfen teilnimmt, und so klappt auch dieses am Ende noch. Und als die Schweißtropfen auf meiner Stirn - ich weiß gar nicht, ob mehr aus Angst oder aus Anstrengung - abgewischt sind, setzt sich dann doch schnell die Erkenntnis durch: „Eigentlich hat es doch ziemlich Spaß gemacht und war auf jeden Fall eine Erfahrung wert.“ Bevor ich mich dann wieder verabschiede, zeigen die jungen Rhönradturnerinnen des TV Deilinghofen dann noch eben, wie es wirklich geht. Da sehe ich dann Spiralübungen auf nur einem Reifen oder auch Sprünge auf das Rhönrad. Die Kinder sind mit Begeisterung dabei und haben einfach Spaß bei dieser außergewöhnlichen Sportart. Und da sehe ich dann plötzlich auch wieder die Eleganz, die das Rhönradturnen eigentlich auszeichnet und so attraktiv macht.
Wer jetzt Interesse bekommen hat, Rhönradturnen selbst mal auszuprobieren, sollte einfach mal beim Training vorbeischauen. Am besten immer freitags zwischen 15 und 17 Uhr, denn dann findet in der Turnhalle der Grundschule Deilinghofen am Brockhauser Weg, immer das TVD-Anfängertraining statt. „Übrigens gerne auch Jungs“, gibt mir Friederike Falkenhagen zum Abschied schmunzelnd mit auf den Weg.
Weitere Infos gibt es auch online unter www.tv-deilinghofen.de.

Fotos: Diana Ranke

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

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