Julia kann warten

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Da hatten wir für diesen Urlaub minutiös geplant, wann und was wir alles besichtigen wollten – und jetzt treffen wir hier am Gardasee Wetterverhältnisse an, die so nicht zu erwarten waren. Als möchte sich die Sonne bei uns Hertenern für ihre wochenlange Ruhrgebiets-Abstinenz entschuldigen, dreht sie nun voll auf und es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir die in unserem Reiseführer fett markierten Sehenswürdigkeiten niemals zu Gesicht bekommen werden. Das Thermometer pendelt zwischen 25 und 28 Grad und die Vorstellung, sich in Verona oder Mantua in einen kollektiv schwitzenden Touristenschwarm einfädeln zu müssen, wirkt richtungsweisend auf den weiteren Ta­gesablauf.

Somit werden wir auch heute wieder in der „Pool-Position“ verharren und dort mittels frühmor­gendlich ausgelegter Badelaken unseren Anspruch auf die erste Liegestuhl-Reihe dokumentie­ren. Nachdem sich meine Frau im letzten Jahr fremdgeschämt hatte, weil ich mich ausschließlich in der Rückenlage der Sonne ausgesetzt hatte, möchte sie dieses Mal einem ähnlich lächerlich wirkenden einseitigem Bräunungsergebnis vorbeugen, indem ich im Zehnminuten-Takt die navigleiche Anweisung von ihr zu hören bekomme: „Bitte wenden“

Bei diesem herrlichen Wetter kann uns die weltberühmte Julia aus Verona gestohlen bleiben. Sie ist ohnehin nur eine fiktive, den Hirnwindungen eines vor 450 Jahren lebenden Engländers entsprungene Theaterfigur. Die Veroneser werden „Willi Shakespeare“ wohl ewig dankbar sein müssen, dass er die Handlung seiner Liebesschnulze - mit tragischem Ausgang - in ihrer wunderschönen Stadt angelegt hatte. Jährlich pilgern mehrere Millionen Touristen zu einem Palazzo, den die Stadtoberen irgendwann mal als „Casa di Giulietta “ ausgeguckt hatten, um dann dieser Unverfrorenheit noch eins draufzusetzen, indem man 1930 an dieses wirklich schöne Gebäude einen Balkon pappte. Auf dieser nachträglich angebrachten Touristenattraktion sollen sich also vor hunderten von Jahren Romeo und Julia ewige Liebe und Treue versprochen haben?

Doch sollte man bei den hier herrschenden hochsommerlichen Temperaturen das Gemüt nicht mit allzu kritischen Gedanken belasten. Wir werden auch heute wieder den Tag vorwiegend liegend verbringen und wenn dann am späten Nachmittag die Sonne hinter meinem Bauch versinkt, freue ich mich auf Pizza, Spaghetti, Wein und Peroni-Bier. Eine viel zu späte Erkenntnis: Urlaub ohne Bildungsanspruch kann wunderschön sein!

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

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