Beschneidung von Jungen: "Wir wollen unseren Kindern nicht schaden"

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Seit Juni liefern sich Politiker, Ärzte sowie muslimische und jüdische Organisationen eine rege und emotionsgeladene Diskussion: Soll die Beschneidung von Jungen in Deutschland verboten werden? Im Stadtspiegel kommt die Hertenerin Ayse Türk zu Wort, die ihre beiden Söhne vor einigen Monaten beschneiden ließ.

Ein sonniger Frühlingstag in Scherlebeck: Eine schneeweiße Kutsche hält vor einem Haus. Unter den Blicken der zahlreichen Gäste und Nachbarn steigen Arif (7) und Elyesa (3) in das märchenhafte Gefährt ein. Die beiden kleinen Jungen stehen an diesem Tag im Mittelpunkt. Rund 600 Gäste werden sich später in einem Saal einfinden, um ein traditionelles Beschneidungsfest zu begehen. Kein Wunder, dass die Mutter der Kinder ziemlich aufgeregt ist. „Die Organisation hat fast ein Jahr gedauert“, erzählt Ayse Türk und gesteht lächelnd: „Die Planung ist fast so aufwendig wie die bei unserer Hochzeit.“ Die Beschneidung an sich, bei der ein Teil der Vorhaut entfernt wird, fand bereits Monate zuvor in einem Krankenhaus statt.

Einige Woche nach der großen Familienfeier im Hause Türk hat das Kölner Landgericht in einem Urteil eine aus religiösen Gründen durchgeführte Beschneidung als Körperverletzung bewertet. Muslimische und jüdische Vereine hingegen fordern ein Gesetzt, dass dieses traditionelle Ritual erlaubt. Nun sollen die Richter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe ein bundesweitgültiges Urteil fällen.

Beschneidungs-Gegner kritisieren, dass jeder operative Eingriff und jede Narkose ein gewisses Grundrisiko mit sich bringt. Zudem kommt es immer wieder teilweise zu drastischen Komplikationen. Ein Teil der Gegner fordert, dass junge Männer erst mit 18 Jahren beschnitten werden, wenn sie sich bewusst für diese Operation entscheiden können. Befürworter der Beschneidung sehen die Religionsfreiheit in Deutschland gefährdet. Sie könnten ihre religiösen Rituale nicht mehr leben. Der Rabbi Pinchas Goldschmidt erklärte, dass dieses Verbot den Verbleib von Juden in Deutschland unmöglich macht. Zumal die Beschneidung völlig ungefährlich, ähnlich einer Impfung, sei.

Was sagt Ayse Türk zu diesen Diskussionen? „Mein Mann Ahmet und ich haben unsere Söhne im Krankenhaus unter Vollnarkose beschneiden lassen“, erzählt die Krankenschwester. „Von dem Eingriff haben Arif und Elyesa nichts mitbekommen, das was uns auch sehr wichtig“, betont sie.

Warum war es der gebürtigen Recklinghäuserin mit türkischen Wurzeln wichtig, ihre Söhne beschneiden zu lassen? „Das ist nicht nur Tradition, sondern auch der islamische Glauben schreibt das vor“, erklärt sie, „zudem haben unsere Kinder keinen Nachteil davon, wir wollen ihnen auf keinen Fall schaden.“ Für jeden türkischen Jungen, sei das Beschneidungsfest ein großer Tag, vergleichbar mit einer Kommunion oder Konfirmation. „Danach werden aus den Kindern kleine Männer.“

Doch was glaubt Ayse, werden ihre Landsleute und andere Moslems machen, wenn die Beschneidung von Jungen tatsächlich verboten wird? „Ich glaube dann gibt es einen Art-Beschneidungs-Tourismus“, vermutet sie. „Ich würde dann in die Türkei mit meinen Kindern fliegen. Heimlich würde ich eine Beschneidung in Deutschland aber niemals durchführen, denn ich möchte mich auf keinen Fall strafbar machen.“

Infos:
Die Ursprünge des Brauchs der Beschneidung sind weitgehend ungeklärt. Sie spielt jedoch im jüdischen wie auch im islamischen Glauben eine große Rolle. Sie wird im Judentum als Eintritt in den Bund mit Gott angesehen, ähnlich einer christlichen Taufe. Die Beschneidung von Neugeborenen, „Brit Mila“ genannt, muss in den ersten acht Tagen nach der Geburt stattfinden. Der Prophet Mohamed kam laut einer Überlieferung ohne oder mit einer sehr kurzen Vorhaut zur Welt. Die Beschneidung wird bei Muslimen als ein Zeichen der Relionszugehörigkeit im Kindesalter, bis zum Alter von 13 Jahren, durchgeführt.

Autor:

Bianca Nadine Munker aus Herten

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