Eine Rettungsschule für den Kreis - ohne Marktanalyse und am Bedarf vorbei?

Am Montag, dem 23. Februar 2015 wird vermutlich im Kreistag Recklinghausen die Gründung einer neuen Rettungsschule in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) beschlossen werden. Das lässt sich nach der Abstimmung im Ausschußverfahren bereits jetzt vorhersehen, denn SPD, CDU und Grüne ließen sich selbst von schwerwiegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Bedenken nicht von ihrem Vorhaben abbringen.
Dabei ist die Art und Weise der Beschlußfassung höchst kurios und wirft ein schräges Licht auf die Art und Weise, wie die Altparteien im Kreistag ihre Entscheidungen treffen.

Melanie Kern, Vorsitzende der Gruppe Piraten im Kreistag, hat nach eingehender Recherche und Prüfung der vorliegenden Unterlagen, der Rechtslage und der Situation im Rettungsdienstbereich die Entscheidung getroffen, sich gegen das Projekt Rettungsschule auszusprechen.

"Im Rahmen des kommunalaufsichtlichen Anzeigeverfahrens hatte die Bezirksregierung Münster zusätzlich eine Marktanalyse für das Vorhaben gefordert. Diese wurde uns jetzt vorgelegt. Leider weist sie keine Merkmale einer Analyse auf, sondern liest sich wie ein Gedicht ohne Reime", sagt sie.

Dabei war ihr die Idee zuvor durchaus sympathisch erschienen - eine Einrichtung mit neuen Arbeitsplätzen, ein wichtiger Beruf mit hoher Verantwortung: ein potenziell großes Projekt für den Kreis.

Allerdings hat die Sache bei näherer Betrachtung gleich mehrere gewaltige Haken:

- die bisherige Form der Ausbildung zum Rettungsassistenten läuft in diesem Jahr aus und wird durch das Beufsbild des Notfallsanitäters ersetzt - wit längerer und intensiverer Ausbildung
- bereits ausgebildete Rettungsassisten können durch Lehrgänge in einem Zeitraum bis 2020 quasi "nachschulen".
- die neue 3jährige Ausbildung bedeutet, dass die "Azubis" durch die höhere Ausbildungsstundenzeit und deren Verteilung gut 3mal so viel Zeit nicht für den Dienst der Feuerwehr zur Verfügung stehen. Damit steht das bisherige Konzept "Rettungsdienst durch Beamte der Feuerwehr" insgesamt in Frage.
- da Rettungsdienstschulen bislang immer "über Bedarf" ausgebildet haben, ist der Bedarf an Schulplätzen kaum kalkulierbar.
- in den umliegenden Städten gibt es über 20, in NRW gar über 40 Feuerwehren und Privatschulen mit der Zulassung zur Ausbildung von Rettungsassistenten.

Wären also Kooperationen mit den Nachbarstädten nicht sinnvoller?
Zumal es die rot-grüne Landesregierung bislang versäumt hat, die nötige gesetzliche Grundlage zur Einführung des Berufsbildes Notfallsanitäter zu schaffen.

In dieser Situation bekommen die Mitglieder im Wirtschaftsausschuss des Kreises Recklinghausen also eine Marktanalyse vorgelegt, ohne das die rechtliche und berufliche Grundlage überhaupt geklärt ist. Die Analyse selbst war, so Melanie Kern, aber die Bezeichnung nicht wert: "Dieses Schriftstück hat nichts mit dem zu tun, was ich mir unter einer Marktanalyse vorstelle. Es werden dort keinerlei Daten oder Zahlen aufgeführt, es gibt keine Bedarfsermittlung der tatsächlichen Schülerzahlen, es gibt kaum Quellen und keine Belege - nur viele schöne Worte. Man behauptet, der Ressourceneinsatz sei planbar, aber konkrete Planungen kann man dem Papier nicht entnehmen."

Da fragt man sich, auf welcher Basis so mancher Politiker seine Entscheidung trifft. Bei ungeklärter Rechtslage und vielen anderen unsicheren Aspekten können die Piraten jedenfalls einem solchen Vorhaben im Interesse des Kreises und seiner Bürger nicht zustimmen. Letztlich haben aber dennoch nur Piraten, Linke und FDP gegen eine Rettungsschule unter solchen Bedingungen gestimmt.

Nachtrag:
in der Kreistagssitzung am 23.2. wurde der Antrag tatsächlich von CDU und dem überwiegenden Teil der SPD gegen die Stimmen von Piraten, Linken, Grünen und FDP durchgeboxt. Die Bitte, das Ganze aufgrund der vielen ungeklärten Aspekte noch einmal in die Ausschüsse zurück zu überweisen, wurde damit abgeschlagen.
Besonders tief blicken über die Marktanalyse, ihren Wert und ihre Qualität, lässt jedoch die Aussage des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Kreistag, Benno Portmann, nachdem die Analyse nur gemacht wurde, weil sie Bestandteil der Auflagen aus Münster war. Ob die Analyse gut, schlecht oder grottig ist, ist dabei egal, Hauptsache die Auflage wurde erfüllt.

Das ist nicht nur ein echtes Beispiel für "Basta-Politik", das ist darüber hinaus ein deutliches Zeichen dafür, wie Lokalpolitik teilweise funktioniert - und das lässt sehr, sehr tief blicken...

Autor:

Sascha Köhle aus Herten

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