Neues aus dem Blätterwald - Drum prüfe, wer sich wörtlich windet, was wohl der Kunde darin findet…

Das aggressive Advertising der Möbelgeschäfte hält mich in dieser Woche auf Trab. Nicht nur, dass ich heute Mittag auf dem Heimweg das Gefühl hatte, ausschließlich Möbelhersteller betrieben Radiowerbung – am frühen Morgen gab es einen mit innovativem Ansatz. Er wirbt in nahezu perfekter Alliteration, auch wenn er dieses Schema nicht bis zum Schlusswort durchhält: Wo Wohnen wenig kostet!
Genau das ist der Satz, an dem ich gedanklich hängenbleibe. Handelt es sich wahrhaftig um die Aufforderung, ins Möbelhaus zu ziehen, um Miete einzusparen? In NRW herrscht Wohnungsknappheit. Hat der Händler das erkannt und wirkt dem Mangel auf diese Weise entgegen? Eine spannende Frage.
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie wohnen in einem Ensemble, bestehend aus der Wohnwand Kurt (furnierte Astkiefer), kombiniert mit der Sofalandschaft Heidelberg (dunkelbraunes Velourleder mit Maserun) und dem Teppich Josefine (Langhaarflor aus echtem Polyester, in bunte Blockmusterfelder unterteilt).
Ihr Gegenüber aus der Nachbarparzelle, abgeteilt durch gelbe Klebebandmarkierungen am Boden – außer der Wohn-Wand gibt es keine weiteren – haust in Wildeiche-geölt, den Namen des Produktes dürfen Sie sich selbst ausdenken und hockt vorm Plastikbildschirm, der als Dauerimagination die Sportschau zeigt. Seine Füße liegen auf dem gekachelten Tischchen, in der Hand hält er sein Feierabendbier.
So weit, so gut. Damit hätten wir das Thema „Wohnen“ abgehakt. Was aber machen Sie und Ihr Nachbar, wenn Sie Hunger haben, ins Bad müssen oder das Schlafzimmer aufsuchen wollen? Keine der passenden Möblierungen dürfte sich in unmittelbarer Nähe zu Ihren Wohnräumen befinden. Vermutlich müssten Sie nicht nur der abgetretenen Bodenmarkierung oder den Hinweisschildern folgen, sondern sogar die Etage wechseln, wenn sie hungrig oder müde sind. Mit etwas Glück verfügt Ihr Möbelhaus über eine Rolltreppe, die des Nachts aber vermutlich nicht rollt. In der Küche müssten Sie mit Plastikobst vorlieb nehmen, dürften dafür jedoch das ausgefallene italienische Designerporzellan nutzen, das Ihnen schon beim letzten Besuch hier so gut gefiel.
Das bringt mich gleich zur nächsten Frage: Wohin verschwinden Sie, wenn Kunden das Haus bevölkern und sich neben Ihnen auf „Heidelberg“ niederlassen wollen? Waschen müssten Sie sich ohne Wasser, da die Badmöbel in der Regel nicht angeschlossen sind – oder Sie teilen sich mit dem Herrn aus der Nebenparzelle die Kundentoilette.
Gleichwohl – die Idee, das Möbelhaus zu bewohnen hat ihren Reiz, könnten Sie doch täglich das Ambiente wechseln, bis sich die Angelegenheit rumgesprochen hat. Dann aber wird es eng, wenn Heidelberg, Josefine und Kurt nicht nur Ihren Geschmack treffen. Da kriegt möbliertes Wohnen eine völlig neue Bedeutung…

Autor:

Anja Ollmert aus Herten

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