Katzenliteratur

Nicht schlecht, der Rotwein

Hallo, meine lieben Weltverbesserer. Ich bin ja so neugierig. Hatte ihr gestern Erfolg? Oh, das freut mich sehr.
Also, weiter gehts, wir sind noch lange nicht am Ende der guten Taten. In der Spielzeugabteilung könnt ihr wahre Kinderliebe zeigen. Da steht so ein kleines unverstandenes Wesen und weint still in sein Schnuffeltuch, oder genauer gesagt , es liegt am Boden, schreit markerschütternd und trampelt nach allem, was es erwischen kann, den sauer blickenden Eltern, dem großen Bruder, den verzweifelten Eltern, den vorbei gehenden Einkäufern, der, den Tränen nahen Mutter, dem Einkaufswagen. Diesen trifft er dann auch wirklich. Der Wagen kann nicht so geschickt aus dem Weg springen, wie der alte Herr mit der Gehhilfe. Die Einkaufshilfe nimmt Fahrt auf, direkt auf ein Regal mit ängstlich drein schauendenStoffkatzen zu. Ihr reagiert sofort, spurtet hinter dem verhängnisverheißenden Gefährt her, reißt es im letzten Moment rum. Die Stoffkatzen sind gerettet.
Das daneben der Herr Geschäftsführer sein Rotweinsonderangebot drapiert hat, 6 Flaschen für den Preis von einer und dazu ein fescher Weinhumpen, na, dafür könnt ihr ja nichts . Es scheppert und klirrt, tiefrote Flüssigkeit breitet sich rasch aus . Das Blut der roten Trauben flutet, so hat es den Anschein, überall hin, unter die halb gefüllten Regal, zwischen die vollgefüllten Einkaufswagen und die überraschten Kunden. Viele Schuhe weisen nun ein modisches Pünktchenmuster auf oder haben sich mit frischen Streifen aufgepeppt. In den süßen Gesichtern der Stoffkatzen erkennt man tiefe Erleichterung. Sie habt ihr schon glücklich gemacht. Aber auch das nervtötende Geschrei des am Boden liegenden Kindes ist verstummt, im Moment herrscht absolute Still, eine ganz besondere Ruhe breitet sich in der sonst so hektischlauten Einkaufshalle aus. Alle scheinen in einen Augenblick der totalen Entspannung abgeglitten zu sein. Keiner, der hier Anwesenden hat je in seinem Leben so ein Gefühl in einen schnöden Konsumtempel erlebt, noch nie war die Beschreibung Tempel so meditativ zu spüren. Nur aus der Obstabteilung schallen einige störende Wortfetzen herüber. Während sich alle diesem einmaligen Erlebnis hingegeben, fragt ihr den kleinen Wicht am Boden, warum er denn so außer sich ist. Erst schaut er verduzt zu euch auf, sammelt sich und kommt in die Wirklichkeit zurück. Einen Moment sieht es so aus, als wolle er wieder losbrüllen, aber ein Blick in eure wohlwollenden Augen lassen ihn umschwenken. Kinder sind viel feinfühliger als Altmenschen und er erkennt seine Chance sofort. Leise, um den Zauber nicht zu verstören, haucht er, ,,ich will das rote Auto und den Kran". Na, wenns sonst nichts ist. Ihr angelt die gewünschten Teile, die dem Kleinen so wichtig sind, aus dem Regal und verstaut sie im Wagen der Eltern, legt noch eine Stoffkatze dazu und häuft die anderen, schon erledigten Einkäufe darüber. Der Kleine stahlt und euch wird bewusst, dass ihr diese Veränderung hervor gezaubert habt. Aus einer kleinen nervtötenden Göre ist ein fast niedliches Kleinkind geworden. Hut ab, weiter so. Ihr seid auf dem richtigen Weg, und der führt euch noch an manchem Regal vorbei. Als erstes finden die Eltern zurück ins wahre Leben. Etwas verwirrt betrachten sie ihren zufrieden dreinschauenden Sprössling, schnappen ihn und ihren weintriefenden Wagen. Der Kleine lässt sich widerstandslos abführen und der Große folgt selbstständig. Sie machen sich nicht aus dem Staub, dafür ist es zu nass, aber von dannen, eine feine rote Spur hinter sich herziehend. Ihr habt schon längst den nächsten Gang aufgesucht, der Blick in die entspannten Gesichter ist Lohn genug für euch, die Dankesreden dafür, dass ihr die süßen Stoffkatzen errettet habt, können sie sich sparen, ihr habt es ja nur für sie alle getan, nicht für euch.
Diese Zeit bietet sich besonders für unsere Anerkennungs- und Glücklichmachkampangne an, weil die Läden vor Ostern gerammelt voll sind.
So, jetzt halte ich euch nicht länger auf, damit ihr wieder zu unserer Mission aufbrechen könnt.
VIEL GLÜCK für euch und die von euch beschenkten euer Marko

Autor:

Sabine Heiermann aus Iserlohn-Letmathe

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