Angemessene Wohnkosten - das Jobcenter MK hat seit Jahren falsche Zahlen geliefert

„Wenn die Wohnung auch nur 1 Cent teurer ist als angemessen, werde ich die Zustimmung zur Anmietung verweigern.“

– So in etwa reagierte die Jobcentermitarbeiterin des Jobcenters Märkischer Kreis, auf eine Kundin, die in einer unzumutbaren Wohnung haust. Die übertünchten Wände waren beim Einzug nicht sofort aufgefallen. Aber bereits nach wenigen Wochen zeigten sich erste Schimmelflecken und auch ein fauliger Geruch wurde durchdringend. Die fortschreitende Atemwegserkrankung ist ärztlich attestiert und ein Wohnungswechsel geradezu vom Arzt verschrieben.
Trotzdem:

„Wenn die Wohnung auch nur 1 Cent teurer ist als angemessen, werde ich die Zustimmung zur Anmietung verweigern.“

Bereits vor Jahren hatte die Leistungsberechtigte nach einem Wohnungsbrand um eine Einwilligung zum Umzug vorgesprochen. Als Sie glücklicherweise kurzfristig eine Bleibe gefunden hatte, verweigerte die Sachbearbeiterin der inzwischen Obdachlosen die Anmietung der Wohnung, weil die Miete um 8,30 € zu teuer war. Die Jobcentermitarbeiterin verlängerte durch Ihre Abweisung die Obdachlosigkeit um mehrere Monate.

Die Angemessenheit einer vertretbaren Sozialwohnung liegt zunächst in der Verantwortung der Städte und Kreise. Im Streitfall jedoch erfolgt eine Überprüfung durch die Sozialgerichte.

Zitat aus einem Mietsenkungsschreiben:

„Ihre Unterkunftskosten (Kaltmiete inkl. kalter Nebenkosten) übersteigen daher die angemessenen Kosten der Unterkunft um 6,50 €. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II fordere ich Sie daher auf, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten Ihre Aufwendungen für die Unterkunft bis zum 31.05.2016 auf das angemessene Maß zu senken. Dies kann durch einen Umzug in eine kostengünstigere Wohnung; durch Untervermietung oder auf andere Weise geschehen.

Sollten Sie bis zum oben genannten Termin Ihre Unterkunftskosten nicht auf das angemessene Maß gesenkt haben, weise ich schon jetzt darauf hin, dass ab dem 01.06.2016 bei der Berechnung der zustehenden Leistung nach dem SGB II nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 308,50 € berücksichtigt werden. Dies bedeutet auch, dass eine ab diesem Zeitpunkt entstehende Nebenkostennachzahlung ebenfalls nicht mehr übernommen werden kann.

Es steht Ihnen selbstverständlich frei, den Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen und der angemessenen Miete, im Rahmen Ihrer Dispositionsfreiheit, aus dem Regelsatz zu finanzieren und in Ihrer Wohnung zu verbleiben.“

Praxisbeispiele

Wer als Leistungsbezieher (ohne finanzielle Einbußen) umziehen will, muss vor der Unterzeichnung eines Mietvertrages die Einwilligung des zuständigen Jobcentermitarbeiters einholen. Der potentiellen Vermieter soll aber zuvor zusätzlich eine ausführliche „Mietbescheinigung“ ausfüllen. Der Leistungsbezieher wird auf diese Weise gezwungen seine aktuelle Abhängigkeit vom Amt zu outen. Außerdem wird der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes missachtet und der Leistungsberechtigte durch die vermeidbare Mehrarbeit für den Vermieter und die Bevormundung bei der zeitlich oft kurzfristigen Mietentscheidung gegenüber Mitbewerbern um die Wohnung benachteiligt.

Nur wenn der Mitarbeiter den Umzug als 1. „erforderlich“ bewertet und 2. die Wohnkosten den (hier: willkürlichen) Vorgaben des Jobcenters genügen, darf er den Mietvertrag unterzeichnen.

Die behördlichen Vorgaben schränken den als angemessen bewerteten Wohnraum weiterhin massiv ein.

Die neuen, alten Zahlen

Das Konzept des Märkischen Kreises vom November 2013 genügt den Anforderungen an ein „schlüssiges Konzept“ nach den Vorgaben des Bundessozialgerichts wohl nicht. Nach vorläufiger rechtlicher Würdigung bestehen Bedenken, ob das "Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten" des Märkischen Kreises den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept genügt. (SG Dortmund, S 19 AS 3392/15)
Kippt das Konzept insgesamt, kippt auch die „Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2013“ vom 11.11.2015

Eine rückwirkende Neuberechnung darf wohl ausgeschlossen werden. Für die Zeiträume in denen kein „schlüssiges Konzept“ existiert, muss das Jobcenter auf die Wohngeldtabelle § 12 Abs. 1 WoGG mit einem Sicherheitszuschlag von 10 %
zurückgreifen, was zu erheblichen Nachzahlungen führen müsste.
Eine Gegenüberstellung der Mieten macht die Schadenshöhe für die Geschädigten deutlich.

Rechtliche Hilfe ist noch möglich

Betroffene, die aus Ihrem Regelsatz zusätzliche Kosten der Miete mitgetragen haben, und Ihre Leistungen erstattet haben möchten, sollten kurzfristig handeln und sich z.B. bei aufRECHT e.V. melden. (aufrechtev( )gmx.de)

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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