Falsche Praxis bei Hartz IV Mietbescheinigungen

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Mit dem Vorwurf der „fehlenden Mitwirkung“ werden in Jobcentern regelmäßig Leistungen verweigert und Existenzen massiv bedrängt. „Bringen Sie dies“, „wir brauchen noch das“ „und überhaupt fehlt noch Formular Y“. Vieles davon wird von Erwerbslosen zu Recht als unnütze Schikane und Disziplinierung empfunden.

Jobcenter-Mitarbeiter fordern viel. Und tatsächlich viel mehr als sie rechtlich dürfen und benötigen.

Das Internetportal gegen-hartz.de machte jetzt auf ein Beispiel rechtswidriger Forderungen aufmerksam, das auch im Märkischen Kreis noch regelmäßig Anwendung findet: die Forderung einer sogenannten „Mietbescheinigung“.

„Auf mehrfache An- und Nachfrage der Fraktion die Linke im Rat der Stadt Köln (AN 3386/2014) erklärte das Jobcenter gestern im Sozialausschuss, dass die gängige Praxis bei Mietbescheinigungen „durch die Geschäftsführung des Jobcenters Köln als falsch und kritisch identifiziert" wurde, wie die Partei in einer Mitteilung informiert. Hintergrund ist die standardmäßige Aushändigung von Mietbescheinigungen bei der Beantragung von Hartz IV-Leistungen, die nicht nur Angaben zu Miet-, Heiz- und Nebenkosten behalten, sondern auch vorsehen, sich die Lage, Ausstattung oder Bezugsfertigkeit der Wohnung vom Vermieter bestätigen lassen. Diese Bescheinigung war häufig ausschlaggebend bei der Entscheidung über die Leistungsgewährung.“
gegen-hartz.de

Alle für die Ermittlung der Leistungen tatsächlich erforderlichen Daten ergeben sich regelmäßig aus dem Mietvertrag und der Jahresabrechnung des Energieversorgers. Mietbescheinigung wie sie das Jobcenter Märkischer Kreis fordert, verletzen das Gebot der Datensparsamkeit und die Persönlichkeitsrechte der Kunden. Es ist nicht erforderlich, dass ein Vermieter darüber Kenntnis erhält, dass sein Mieter Sozialleistungen bezieht. Es genügt, wenn die Miete gezahlt wird.

Merkels Überwachungsstaat

Den aufmerksamen Beobachter muss es überraschen, wie wenig sich unsere ostdeutsche Kanzlerin in ihrer Regierungsweise von ihrer Vergangenheit losgesagt hat, wenn es um die Überwachung und Drangsalierung ungeliebter Personengruppen geht.

Die Hartz-Gesetze verletzen in vielfältiger Weise die Persönlichkeitsrechte der Bürger und missachten in schwerwiegender Weise verfassungsrechtliche Grundwerte.

Das Bundessozialgericht zum Sozialgeheimnis

Das Bundessozialgericht hat bereits in seiner Entscheidung B 14 AS 65/11 R vom 25.01.2012 eine Feststellungsklage zum Thema Sozialdatenmissbrauch als begründet zugelassen. Die Richter führen in der Urteilsbegründung aus:

„Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ist § 35 Abs 1 Satz 1 SGB I, der lautet: „Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs 1 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis)." Die Vorschrift gilt ebenso wie für alle anderen Sozialleistungsbereiche auch für das SGB II (§ 37 Satz 1, 2 SGB I).“

Ausdrücklich verweisen die Richter auf die Freiwilligkeit, wenn über das zwingend erforderliche Maß hinaus weiterführende Informationen eingefordert werden.

Datenschutz

Auch die Datenschutzbeauftragten verurteilen die Forderung nach Mietbescheinigungen scharf.

„Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat ein datenschutzkonformes und datensparsames Verfahren erarbeitet und den ARGEn Mustervordrucke zur Verfügung gestellt. Der Antragsteller selbst soll die erforderlichen Angaben zur Miete in der „Anlage KDU“ eintragen. Dieser Vordruck beschränkt sich darauf, nur die wirklich erforderlichen Angaben abzufragen, bzw. weist darauf hin, dass z. B. Anga­ben zum Vermieter grundsätzlich freiwillig sind. Der Mitarbeiter soll die Angaben anhand des vorzulegenden Mietvertrages kontrollieren und das Ergebnis seiner Kontrolle in einem Aktenvermerk festhalten. Eine Kopie des Mietvertrages ist somit entbehrlich und der Vermieter erfährt nicht, dass sein Mieter ALG II benötigt.“

Welche Dokumente benötigt werden, welche kopiert und zur Akte genommen werden müssen, hat die Bundesagentur für Arbeit erarbeitet und in einer Übersicht zusammengestellt.
IFG062
Auch hier zeigen sich schnell die Rechtsverletzungen der Jobcenter.

IFG-Anfrage an das Jobcenter Märkischer Kreis

Wenn es um die eigenen gesetzlichen Mitwirkungspflichten geht, versagt das Jobcenter Märkischer Kreis kläglich. Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz müssen von Gesetzes wegen innerhalb eines Monats beantwortet werden. Aber selbst einfachste Anfragen werden monatelang verschleppt und ausgesessen.
fragdenstaat.de

Dazu gehört auch die Anfrage zum Thema „Mietbescheinigung“ :

1. Bitte benennen Sie mir anhand der von Ihnen verwendeten Mietbescheinigung diejenigen Informationen, die nach Auffassung des Jobcenters Märkischer Kreis für die abschließende Bearbeitung der Bescheide erforderlich sind, die aber in den vorzulegenden Mietverträgen nicht einsehbar sind.
2. Bitte übersenden Sie mir die entsprechende Dienstanweisung, nach der Ihre Mitarbeiter regelmäßig die Mietbescheinigung einfordern sollen.
3. Bitte benennen Sie mir die Rechtsgrundlage auf der Sie die Antragsbearbeitung von der Vorlage der Mietbescheinigung abhängig machen.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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