Die Auswanderin: Von Kamen nach Kreta

Familienfoto auf dem Balkon eines der fünf Studios: Für Silke, Jannis, Rafael, Pandelis und Nathalia Diakoumakis (v.l.n.r.) ist die Sonne ein täglicher Begleiter.
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  • Familienfoto auf dem Balkon eines der fünf Studios: Für Silke, Jannis, Rafael, Pandelis und Nathalia Diakoumakis (v.l.n.r.) ist die Sonne ein täglicher Begleiter.
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Als die gebürtige Kamenerin Silke Jahn (heute Diakoumakis) zum ersten Mal in der Souda-Bucht bei Plakias im Süden Kretas aus dem Auto stieg, fühlte sie sofort eines: angekommen zu sein. Das war vor 15 Jahren; am Steuer des Autos ihr neuer Freund Pandelis, den sie im Urlaub kennengelernt hatte und der ihr sein Zuhause zeigen wollte. Ein Zuhause, das für viele wie ein Paradies klingt: Eine kleine Bucht mit einem traumhaften Strand, eingerahmt von Bergen und gesäumt von Olivenbäumen und Palmen, oben das weiß-blau gestrichene Haus mit den Studios für Touristen. Ein Ort für eine Wirtschaftskrise?

Die 43-Jährige schmunzelt, wenn sie auf die Euro-Krise und die drohende Staatspleite angesprochen wird. „Das Leben“, sagt sie, „geht weiter“ – und in den Automaten der Banken sei noch immer Geld. Den Blick nach vorne wagen die Menschen auf der griechischen Insel selbstbewusst, auch wenn die Krise bei ihnen schon lange allgegenwärtig ist: Viele Touristen sind weggeblieben, vor allem der Mai war mau. Spätestens zum Herbst hatten sich die Hotels zwar wieder mit Gästen gefüllt, doch da war die Saison bereits gelaufen.

Menschen trotzen Krise mit Zuversicht

Silke Diakoumakis fühlt sich wohl auf Kreta. Auch als Deutsche. Ressentiments der Einheimischen? Fehlanzeige. Wohl eher seien es überzeichnete Darstellungen, die die Menschen abschreckten. Und dann gebe es da noch die andere Seite – nämlich Touristen, die dem Wirt der Taverne erklären wollen, sie hätten in der Vergangenheit doch schon längst alle Rechnungen für ihn bezahlt. „Es gibt offenbar immer Menschen, die sich komisch benehmen“, sagt Silke Diakoumakis.

Auf Kreta angekommen

Der Schritt, den die mittlerweile dreifache Mutter vor 15 Jahren gegangen ist, war wohl ihr bisher größter. Nach dem Abitur 1988 am Städtischen Gymnasium studierte sie in Dortmund Mathematik und Pädagogik, lebte in Kamen, Dortmund und Bochum. Die Bindung an ihr Elternhaus in der Ostenmauer war so eng, dass die ersten Jahre hin- und herreiste: Auf Kreta die große Liebe, die sie 1999 heiratete, in Kamen die Familie und die Freunde, die sie nicht so einfach hinter sich lassen wollte. „Ich war im Herzen Pendlerin.“ Ihre beiden Kinder Jannis (13) und Nathalia (11) wurden in Unna bzw. Kamen geboren, Nachzügler Rafael (4) kam dann doch in Rethymnon zur Welt. Ihren Kinderarzt hat sie heute noch in Bönen – auch wenn dies ebenfalls dem familiären Umfeld geschuldet ist: Dr. Jürgen Krüger ist ihr Cousin. Wenn er nicht gerade auf Kreta zu Besuch weilt oder die Kinder mit ihr in Kamen sind, hilft eben die moderne Telekommunikation bei der Diagnosefindung oder Therapieempfehlung. „Entweder wir skypen, oder wir telefonieren miteinander“, berichtet sie. Wenn’s ernst wird, schickt er sie auf Kreta zum Arzt. Fließend griechisch hat sie innerhalb eines Jahres gelernt.

Nur noch selten in der Heimat

Heute ist Silke Diakoumakis nicht mehr ganz so häufig in Kamen. Jannis und Nathalia gehen mittlerweile zum Gymnasium, die Eltern genießen ihren Ruhestand stattdessen zu einem großen Teil bei ihrer Tochter. Ehemann Pandelis (42) hat den Schwiegereltern hierzu ein eigenes Appartement eingerichtet, Vater Kurt (73) hat sich unlängst von seiner Taubenzucht in der Ostenmauer verabschiedet. Es fällt ihnen nicht schwer, die Begeisterung ihrer Tochter für das Leben auf Kreta zu teilen. Da ist zum einen der Schwiegersohn: „Ich wusste gleich, die kommt nicht wieder“, erinnert sich Inge Jahn (70) an ihren ersten Besuch auf Kreta. Sie wollte sich ein eigenes Bild vom Auserwählten ihrer Silke machen. Und dann ist da Silkes Schwiegermutter, die ihr gleich sagte: „Deine Tochter ist bei uns gut aufgehoben. Wir passen auf sie auf.“ Auf Kreta ist das ein Wort.
Doch es sind nicht nur die Eltern, die Silke Diakoumakis mit der Heimat verbinden. Zu ihren Gästen in den fünf Studios in der schönen Bucht gehören regelmäßig Freunde, Verwandte und Bekannte – sowie ehemalige Lehrer wie ihr Stufenleiter Heinrich Rickwärtz-Naujokat. Kontakt hält sie zudem via SMS, Facebook und Internet, wo sie mit schon lange mit einer eigenen Seite unter www.akrogiali.kreta-sun.com vertreten ist. Auf Kreta selbst ist längst ein neuer Freundeskreis entstanden; insbesondere mit Frauen, die ebenfalls aus Deutschland stammen. Vor allem im Winter, wenn der Tourismus zur Ruhe kommt und Zeit bleibt, verabreden sie sich zu Kaffee und Kuchen – „ganz traditionell, wie wir es von zuhause kennen“. Anfangs schaute sie mit einer Freundin sogar alle acht Wochen gemeinsam die Lindenstraße, dafür vier Stunden am Stück: Die Freundin bekam von ihrer Mutter regelmäßig Videokassetten mit den aktuellen Folgen zugesandt, weil das erste Programm auf Kreta nur sehr schwer zu empfangen war. Heute ist das überhaupt kein Problem mehr - „zum Glück“, wie die Wahl-Kreterin gerne ergänzt.

Und das Leben in der Krise? „Die Griechen sind Improvisationskünstler“, sagt Silke Diakoumakis. So kämen die Kürzungsmaßnahmen schneller bei den Menschen an, als ihnen mitgeteilt würde. In Deutschland, mutmaßt sie, wäre das nicht möglich. „Sonst wäre ja auch schon der neue Flughafen in Berlin in Betrieb.“

Autor:

Anja Jungvogel aus Unna

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