Stadtarchivar Martin Litzinger berichtet über Bergkamen im 1. Weltkrieg

Da viele Männer in den Krieg ziehen mussten, übernahmen Frauen häufig deren Berufe, wie hier in einer Zeche in Bergkamen. | Foto: Weskamp/Stadtarchiv
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  • Da viele Männer in den Krieg ziehen mussten, übernahmen Frauen häufig deren Berufe, wie hier in einer Zeche in Bergkamen.
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„Weihnachten sind wir wieder Zuhause“ lautete eine der Parolen: Zum Beginn des Ersten Weltkriegs waren die Menschen auch in Bergkamen sehr euphorisch. Doch wie konnte es zu einer solchen Begeisterung für einem neuen Krieg kommen?

Um die Kriegsbegeisterung zu Anfang des Ersten Weltkriegs zu verstehen, müsse man sich vor Augen halten, dass die vorherigen Kriege für Deutschland sehr erfolgreich gewesen seien, erklärt Bergkamens Stadtarchivar Martin Litzinger. „Sowohl der Deutsch-Dänische Krieg 1864, der Deutsche Krieg 1866 als auch der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 gingen alle für Preußen erfolgreich und schnell zu Ende. Das prägte die Vorstellung von einem neuen Krieg“, so der Stadtarchivar. „Durch Mitglieder von Veteranenvereinen etwa in Oberaden oder Weddinghofen wurde dies noch gefestigt. Für diese war es etwas Besonderes, in einem dieser Kriege mitgekämpft zu haben. Zudem war die Erinnerung bei vielen verklärt.“ Der Krieg wurde als ein Spaziergang angesehen. Passend dazu gab es die Parole: „An Weihnachten sind wir wieder zuhause. Mit dieser Art von Krieg hatte zum Zeitpunkt seines Ausbrechens kein Mensch gerechnet.“

In der Overberger Schulchronik wird beispielsweise erzählt, dass die Glocken am 31. Juli (eigentlich der 1. August) zur Mobilmachung riefen. In der Nacht vorher wurden die jüngsten Reservejahrgänge aus den naheliegenden Zechen und aus ihren Betten geholt. Offensichtlich war auch nicht allen klar, dass es Krieg geben würde: Viele Leute glaubten erst an eine Bereitschaftsübung. Die damalige Art der Nachrichtenübermittlung wird auch durch den Satz deutlich: „Die Mobilmachungsordre […] wurde für unser Dorf durch Anschlag an der Wirtschaft Schmülling bekanntgegeben.“ Einberufungen wurden auch per Depesche übermittelt.

Ein großes Problem stellte sich den Menschen in der Heimat gleich zu Anfang: Durch die Einberufung der kräftigsten Männer fehlte es grade zur Erntezeit an Arbeitern. Auch im Bergbau kam es zu Problemen. Um diese zu lösen, wurden ältere Bergleute von der Front nach Hause geschickt. Als das nicht reichte, erlaubte das Oberbergamt in Dortmund, dass auch Frauen den Dienst im Bergwerk verrichten durften, meist Übertage.

1916/17 kam der so genannte Steckrübenwinter. „Das war auch ein Zeichen dafür, wie unvorbereitet Deutschland in den Ersten Weltkrieg gegangen war“, so Litzinger. Mit Volksküchen und Essensmarken versuchte man auch in Bergkamen, dem Problem zu begegnen.

Die „Gewissheit“, bis Weihnachten sei der Krieg vorbei, verkehrte sich Ende September ins Gegenteil. „Zu der Zeit gab es die ersten Gefallenenmeldungen, auch für Bergkamen“, beschreibt Litzinger. „einer der ersten Toten war Fritz Hegemann. Er war ein angesehenes Mitglied des örtlichen Schützenvereins, der auch gemeinsam mit anderen Vereinen, die Todesanzeige aufgab.“

In Sterbebüchern hat Litzinger Angaben darüber gefunden, wie viele Bergkamener gestorben sind. „Es gibt Eintragungen darüber, das sie in den Kopf oder den Bauch geschossen wurden, durch Bajonettstiche ums Leben gekommen sind, Volltreffer durch Artillerie erhielten oder durch Gas umkamen. Auch mit dem Spaten wurde getötet. Darin spiegelt sich der besondere Schrecken des Stellungskrieges wider“, beschreibt der Stadtarchivar.

Autor:

Tobias Weskamp aus Kamen

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