Blind Date in der Küche oder die Kunst des Genusses

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Sie haben sich auch schon einmal nach dem perfekten Rezept für einen gelungenen Abend gefragt? Hier ist es: Man nehme 15 Personen, durchmische sie gründlich, füge eine Prise Spannung, einen Teelöffel Überraschung, eine Messerspitze Ehrgeiz und eine große Portion Spaß hinzu. Und schon scheint die Zeit wie im Flug vergangen, gefüllt von Lachen, Genießen und Experimentieren.

Das Wochen-Magazin hat es ausprobiert – gemeinsam mit zehn seiner Leser. Ein spannendes „Blind-Cooking“ in der Kochschule Genend21 von Ursula Brandhoff. „Keiner wusste so genau was einen erwartet, ob man sich miteinander verstehen würde, wie der Abend verlaufen würde“ erzählt Sabine, Mutter zweier Töchter, die sich für das 4-Gänge-Dinner beworben hatte. Und die Begeisterung steht ihr ins Gesicht geschrieben, als wir gemeinsam die süße Spitze der Kokos-Panna cotta im Mangofruchtspiegel versenken. Über dem festlichen gedeckten Tisch schwebt eine Atmosphäre von Zufriedenheit und Geselligkeit und schon werden die ersten Stimmen laut: „Das könnten wir eigentlich nächste Woche wieder machen.“

Warum auch nicht, war dieser Abend doch für alle ein kleines Wagnis. Gegen 18 Uhr trafen sich die zehn Bewerber zum „perfekten Dinner“ in der Kochschule. „Bei uns duzen sich alle“, erklärte Gastgeberin Ursula Brandhof mit zwinkerndem Auge, „was ihr danach macht, ist eure Sache. Prost.“ Spätestens als das erste „Happy birthady“-Ständchen für Sabine gesungen wurde, war das Eis gebrochen. „Ich hab mich so gefreut, dass ich ausgewählt wurde. So kann ich meinen Geburtstag einfach mal ganz anders feiern“, strahlt sie. Und Freund Jörg nickt zustimmend. Denn gemeinsames Kochen und Genießen ist den beiden sehr wichtig. Auch wenn sie die ein oder andere Leidenschaft nicht teilen. Als Angler liebt Jörg frischen Fisch, selbstverständlich selbst zubereitet. Und auch Hartmut ist begeisterter Angler. Als er von seinen Fängen in Norwegen erzählt funkelt es in seinen Augen. „Klar, schmeckt ein selbst gefangener Fisch besser. Denn noch frischere Qualität kann man nicht finden.“ Und das ist nicht nur Hartmut sondern auch allen anderen Köchen sehr wichtig. Regionale Produkte und Qualitätsstandards sind unverzichtbar. Denn das schmeckt man. Das sieht auch die Köchin von Genen21, Anette Schilling, so. „Ich achte sehr darauf, dass die Produkte frisch und regional sind. Bei mir gibt es im November dann halt keine Erdbeeren oder Spargel.“ Denn Kompromisse macht die gelernte Wirtschafterin und Oekotrophologin was Geschmack und Qualität angeht nicht.

Ohne belehrend zu wirken wirbelt die sympathische Köchin zwischen den verschiedenen Teams umher. Schnackt mal hier, gibt Tipps dort und ist ohne Zweifel in ihrem Element. Eine ganz besondere Überraschung für sie: Astrid. Die mittlerweile verheiratete und in Düsseldorf lebende Hobby-Köchin war auf das Event aufmerksam geworden und hatte ihre alte Schulfreundin wiedererkannt. 26 Jahre war es her, als die beiden zusammen in Moers-Repelen die Schulbank drückten. Wie sie auf das Koch-Event aufmerksam geworden sei? „Meine Schwiegermutter studiert immer die lokalen Medien und hat uns dann den abfotografierten Artikel per Whats-App geschickt“, erklärt mir Astrids Ehemann Jochen, der gerade Zucchini hackt. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ist, dass diese Zucchini nicht umsonst geerntet wurde. Denn die Zucchini-Suppe, die Team Zwischengericht (Jochen und Susanne) später an den Tisch reichen werden ist ein Gedicht. Das besondere Etwas ist die Zubereitung mit Ingwer, Knoblauch und Kokosmilch, die den Geschmack der Zucchini erst richtig wach küssen.
Und überhaupt merkt man schnell, das die unterschiedlichen Konstellationen in den einzelnen Teams eine witzige, wie fruchtbare Idee sind. Menschen, die sich zuvor noch nie begegnet sind, stehen gemeinsam an einem Topf und kochen Gerichte, die sie in ihrer Zusamenstellung vielleicht noch nie so zubereitet haben. So überrascht bei Team Vorspeise ( Angela und Sabine) der unglaublich Schmelz des Honig-Ziegenkäses. Leicht paniert wurde er in den Ofen gegeben und dann lauwarm auf eine Auswahl gartenfrischer Salatblätter drapiert. Das frische Dressing aus Öl, frischen Kräutern und Himbeeressig sorgte dann für ein harmonische Spiel zwischen Süße und Säure. Angela, die täglich für -man staune- acht Personen kocht, zwei Erwachsene und sechs Kinder, wirkt nicht wirklich überrascht, beim Anblick der Salatmassen: „Für mich sind diese Mengen nichts besonderes. Das entscheidende beim Kochen für so viele hungrige Mäulchen ist die Organisation und Struktur hinter dem Geschehen.“ So gibt es bei ihr beispielsweise Essenspläne, an denen jeder ein Mitbestimmungsrecht hat. Ganz demokratisch. „Und wenn es an einem Tag einmal etwas gibt, was dem einen nicht schmeckt, wird nicht gemeckert, schließlich darf sich ja jeder etwas wünschen.“

Gemeckert wurde auch nicht bei Team Hauptgericht, dem souveränen Halbblut-Italiener Fabrizio und dem tiefenentspannten Hartmut. „Sabine und ich kochen unglaublich gerne – nur nicht zusammen“, sagt er und grinst in Richtung Ehefrau. Die guten Freunde und Nachbarn kannten sich schon vor dem Kochabend und wirken auch jetzt wie ein eingespieltes Team. „Kochen ist für uns Entspannung und Geselligkeit“, erklärt Fabrizio. „Da geht es auch nicht immer um die größten Herausforderungen, was den Schwierigkeitsgrad angeht“, führt Hartmut weiter und bekommt von Fabrizio ein zustimmendes Kopfnicken. „Manchmal ist eine tolle Lasagne einfach das beste was es geben kann.“ Ihre Aufgabe für diesen Abend: Zitronen-Hähnchen mit Rucola und Mandel. Sorgfältig pariert liegen die Hähnchenbrustfilets auf der Arbeitsplatte und der Duft von Schalotten, Knoblauch und Zitronen strömen mir entgegen. Das Schwierige an Geflügel ist hinlänglich bekannt: Es muss saftig bleiben. Und das bleibt es. Nach kurzem Anbraten darf das Hähnchen leise vor sich hin simmern, und betrinkt sich förmlich an dem Zitronensud.
Sparingpartner von Team Hauptspeise ist Team Beilage (Daniela, Sabine und Astrid), seines Zeichen verantwortlich für eine farbenfohe wie schmackhafte mit Bulgur gefüllte Paprika mit Salsa Verde. Passend zum Beginn des Dinners, wird Ziegenkäse mit Lauch und Rosinen in den Bulgur eingearbeitet und anschließend in die entkernte Paprika gefüllt. Durch ein langsames Schmoren im Ofen wird nicht nur der perfekte Garpunkt abgepasst, sondern auch ein schonendes Verfahren zum Erhalt der Vitamine gewählt. Zusammen mit einer auf Petersilienbasis zubereiteten Salsa Verde werden Hähnchen, Paprika und Rucola formvollendet zu einem duftenden Kunstwerk angerichtet.

Für viele die Königsdisziplin ist und bleibt das „Süße danach“. Team Dessert (Claudia und Jörg) wirken an einem Feuerwerk für Augen und Gaumen. Gemeinsam bereiten sie eine Kokos-Panna cotta zu, die auf einem Mango-Chili-Fruchtspiegel, garniert mit Papaya, Granatapfel und Kokosraspeln serviert wird. Voilà, kein Maler hätte schönere Farben verwenden können und die Begeisterung am Tisch senkt sich in ein großes Genießen. Wen wundert es, dass Ursula Brandhoff, häufig „Wiederholungstäter“ in ihrer Kochschule begrüßen darf. „Ein Grüppchen kommt bereits zum 13. Mal“, betont sie mit vollem Stolz. Denn die unaufdringliche Art von Köchin und Gastgeberin hat nichts belehrendes, es ist die Kunst des Genusses, Essen zu wertschätzen und zu genießen, die die Kochschule zu einem ganz besonderen Ort macht. Hier gibt es Raum für Begegnung und Spaß, für Unterhaltungen und Fachsimpeleien, hier gibt es den Raum, einen wunderbaren Abend zu verbringen.

Fotos: Heike Cervellera

Autor:

Regina Katharina Schmitz aus Dinslaken

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