Dachau. Homo homini lupus

Das Eingangstor
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"Lass uns zuerst die Tafeln anschauen", schlägt mein Mann vor. Aber - nein. Ich möchte diesen Ort erst einmal - wirken lassen. Ich trete ein paar Schritte zurück. Sehe die Gleisstränge, die auf das Tor zulaufen. Das Tor mit dem Spruch "Arbeit macht frei". Was müssen die Menschen nur gedacht und gefühlt haben bei diesem Anblick. Die buchstäbliche kalte Hand, die nach dem Herzen greift. Dazu Hunger, Krankheit, Angst. Todesangst. Um sich, um die Familie.

Ich trete durch das Tor, auf den riesigen Platz. Wo jeden Morgen und jeden Abend die gefürchteten Appelle stattgefunden haben. Ich stehe da, die Sonne bricht durch die Wolken. Ich kann mir das Leben hier, die Greuel und den Schmerz nicht annähernd vorstellen - und doch muss ich auf einmal schlucken, Tränen wegblinzeln. Wir schlendern weiter, in einer der Baracken ist die Einrichtung nachgebildet. Einrichtung? Nein, menschenverachtend. Nicht mehr als dahin vegetieren.

Doch das ist nichts gegen die Empfindungen, die im Krematorium auf einen einstürzen. "Der Mensch ist des Menschen Wolf", schießt es mir durch den Kopf. Was hat Menschen angetrieben, Teil dieses Wahnsinns zu sein? Eine Stahltür mit der Aufschrift Brausebad. Hinten im Park die Hinrichtungstätte für russische Offiziere. Wobei Dachau kein Vernichtungslager ist. Viele Eindrücke an diesem Tag, und noch mehr Emotionen.

Ich nehme mir ein Buch mit aus Dachau. "Die Stimme meines Bruders" des ungarischen Juden Stephen "Pista" Nasser. Der selbst mit 13 Jahren zusammen mit seinem Bruder Andris in ein Aussenlager von Dachau kommt, nach Mühldorf. Andris, der seinem Bruder hilft zu überleben und dem es selbst nicht gelingt. In mir wächst die Bewunderung. Die Bewunderung für Menschen, die dieses Grauen durchstehen, die nicht zerbrechen. Ich weiß nicht, ob ich so stark sein könnte. Herr Nasser konnte sich diese Biografie erst in den Neunzigern von der Seele schreiben. Und er ist mit 80 Jahren noch einmal aus Amerika nach Deutschland zurückgekehrt, um sein Buch hier vorzustellen.

Mehr Infos zur Gedenkstätte

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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