Unfassbar: Fixerstube statt Spielplatz?

Der Spielplatz an der Jülicher Straße, in dessen Nähe der Container für Suchtkranke aufgestellt werden soll.
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  • Der Spielplatz an der Jülicher Straße, in dessen Nähe der Container für Suchtkranke aufgestellt werden soll.
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„Niemand hat uns benachrichtigt, niemand hat uns informiert - wir haben alle Kinder und finden die Planungen der Stadt Kleve unglaublich.“ Das sagt Silke Gutsche.

Die Oma von sechs Enkelkindern ist ziemlich erbost: An der Jülicher Straße, drei Schritte vom viel bespielten Kinderspielplatz entfernt, soll ein Container aufgestellt werden - eine sogenannte „Fixerstube“.

Mitten im Wohngebiet und eben in unmittelbarer Nähe zum Kinderspielplatz. „Wir, die Anwohner sind wütend“, ist am Montag Nachmittag die einhellige Meinung. Fast alle Anwohner sind gekommen, um zu zeigen, worum es ihnen geht. „Hier soll der Container stehen“, zeigt Susanne Venmanns. Tochter Nele, 6, ist eifrige Spielplatznutzerin. „Wenn der Container hier aufgestellt wird, dann lassen wir Nele nicht mehr auf den Spielplatz“, so Susanne Venmanns.

Und auch für Silke Gutsche ist klar: „Meine Enkelkinder, die bisher durch unseren Garten direkt zum Spielplatz gehen konnten, werden dann diese Spielfläche nicht mehr nutzen. Wir überlegen wegzuziehen.“ Doch die Sache mit dem Wegziehen ist nicht so einfach: Gerade erst hat die Familie das kleine Mietshaus für rund 3000 Euro renoviert, hat sich extra wegen des vielen Grüns und des schönen Spielplatzes hier ein neues Zuhause gesucht. Jetzt ist der Frust groß. Familie Erzi lebt seit 23 Jahren an der Jülicher Straße. Zunächst zur Miete, jetzt im eigenen Haus. Sohn Isah, 8, erzählt, dass die Familie oft Besuch habe und der Spielplatz gern genutzt werde. Sandra Batista ist alleinerziehend, erst vor drei Wochen ist sie an der Jülicher Straße eingezogen, hat einen Kosmetiksalon mit vielen Stammkunden eröffnet. Jetzt fürchtet sie um ihre Existenz.

„Wir sind null informiert worden. Es gab keinen Brief, keine Infoveranstaltung, nichts“, erklären die Anwohner. Sie machen sehr deutlich: „Ja, auch Menschen mit Drogenproblemen gehören in die Gesellschaft. Aber die Entscheidung, hier direkt am Spielplatz eine ‚Fixerstube‘ hinzustellen, das geht doch zu weit.“
Stadtkämmerer Willibrord Haas verweist auf die öffentliche Sitzung des Sozialausschusses am 10. April 2014. Die Entscheidung sei also bekannt gewesen. „Vorgesehen war, die Anwohner nach Aufstellung des Containers über die Sachlage zu informieren.“

Zum Hintergrund: Drogenabhängigen stand bisher ein umgebautes Bushäuschen an der Mozartstraße als Treffpunkt zur Verfügung. Dort soll gebaut werden, der Treffpunkt muss also weg. Vor rund eineinhalb Jahren hatte die Stadt einen neuen Treffpunkt an der Fredestraße umsetzen wollen, stieß aber auch dort auf viel Protest von seiten der Anwohner. Der Plan war somit hinfällig. Im November des Jahres 2007 veröffentlichte die NRZ in dieser Frage folgenden Passus: „Alleinerziehende Mütter mit Kindern sollen künftig nicht im Milieu mit Suchtkranken leben müssen. Besonders alleinerziehende Mütter mit Kindern sollen nun einen geschützten Lebensbereich an der Jülicher Straße erhalten.“

Willibrord Haas: „Ich sehe keine andere Möglichkeit als dort. Das ist politisch beschlossen. Wenn die Sache nicht vernünftig funktioniert, muss der Spielplatz eventuell geschlossen werden. Die Lösung ist als kurz- bis mittelfristig anzusehen. Das Ordnungsamt wird regelmäßig kontrollieren.“

„In Kleve kümmert sich vor allem die Caritas um Suchtkranke. Zur Problematik Jülicher Straße äußert sich Joachim Schmidt, Vorstand: „Ich weiß, dass die Stadtverwaltung es sich nicht leicht gemacht hat, einen Ersatzstandort für einen ‚kontrollierten‘ Drogentreff zu finden. Kontrolliert in dem Sinne, dass keine Parks, Spielplätze, etc. genutzt und Randprobleme vermieden werden. So war es auch mit dem vorherigen Standort, der mitten im Wohngebiet und eine Zeit lang sogar in Nachbarschaft zu einem Hort bestanden hatte. Caritas nimmt die Menschen bekanntlich an, wie sie sind und achtet ihre Würde. Das gilt entsprechend auch für die Menschen, die nicht ins bürgerliche Bild passen, die in ihrer Existenz aber tiefgreifend bedroht sind. Ich bitte diejenigen, die skeptisch sind, der Planung erst einmal mit Zuversicht begegnen. Sie hat eine Chance verdient.“

In der Landeshauptstadt Düsseldorf bietet die Drogenhilfe einen wirklich geschützten, hygienischen Raum an, in dem Drogen konsumiert werden dürfen. Norbert Henneberg, Bereichsleiter, erklärt: „Die Sache hatte einen langen Vorlauf, war politisch gewollt und wurde von der Verwaltung mitgetragen und umgesetzt.“ Der Besitz von Drogen sei illegal, der Konsum hingegen nicht. Neben der Landesregierung seien auch die Strafverfolgungsbehörden in die Planung einbezogen worden. Heinz Vetter, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde: „Hier ist bis jetzt nichts bekannt von einem Container in der Jülicher Straße.“

Weiterführende Links:
http://www.kleve.de/C125739F002F4C92/html/E59F9CBA530E45A1C1257CC40038F5A5?OpenDocument

http://www.derwesten.de/nrz/staedte/nachrichten-aus-kleve-und-der-region/familien-von-drogen-fern-halten-id2092845.html

http://www.drogenhilfe.eu/deutsch/angebote/zielgruppen/abhaengige/versorgung_d.html

Der Spielplatz an der Jülicher Straße, in dessen Nähe der Container für Suchtkranke aufgestellt werden soll.
Anwohner der Jülicher Straße auf dem Grundstück der Stadt Kleve.
Autor:

Annette Henseler aus Kleve

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