Glosse: Mittags halb zwei in Kleve oder warum wir ihn unbedingt brauchen, den neuen Supermarkt

Foto: Semen Grinberg / PIXELIO http://www.pixelio.de

Ich hab es wirklich nicht geglaubt. Dass wir noch einen brauchen. In Kleve. In einer Kleinstadt mit der vermutlich höchsten Dichte dieser... Etablissements. Aber gestern wurde ich eindrucksvoll eines besseren belehrt. Leute, macht Supermärkte auf! Noch so ein "Einkaufserlebnis" überleb ich nicht!

Ja, es war wirklich leichtsinnig. Normalerweise ein absolutes No-Go beschloss ich an diesem Samstag, meine Einkäufe um die Mittagszeit herum zu tätigen. Wenn ich bei diesem fast schon novemberlich anmutenden Wetter nicht nochmal vor die Tür wollte. Das Elend nahm schon auf der Zufahrtsstraße seinen Lauf...

Kein Vorankommen für Linksabbieger auf dieser Spur! "Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden" - so möchte man Grönemeyer zitieren, nachdem die Einfahrt auf den riesigen Parkplatz endlich gelungen ist. Wie ich hier nachher wieder wegkomme, steht noch in den Sternen, versperrt die Schlange der abgestellten Einkaufswagen doch jetzt schon die halbe Straße.

Der Eingang zum Ort des Geschehens mutiert zum Nadelöhr - schwer bepackte Wägelchen passieren die neidvollen Blicke derer, die es noch vor sich haben. An den Obst- und Gemüseaufbauten grabschen gierige Hände, die gerade noch das Schnupfentaschentuch im Ärmel verstaut haben, nach den letzten frischen Exemplaren von Tomate, Paprika und Äpfeln. "Hatschi!" - ein feuchter Schwall streift diejenigen, die sich gerade mit Vitaminen eindecken wollen. Igitt, bäh!

Bloß schnell weg hier! Schnell? Geht leider gar nicht. Im Reißverschlussverfahren reihe ich mich in die langsam dahin kriechende Schlange der Kaufwütigen ein, immer wieder staut es sich wegen Gegenverkehrs, plötzlichem Abbiegen ohne Blinkersetzen oder missglückten Wendemanövern. Meine Fersen schmerzen vom Auffahrunfall meines Hintermannes, und als ich mit einem Paket Kaffee zu meinem geschickt eingeparkten Kärrchen zurückkehre, bemerke ich verwundert den Zuwachs von diversen Pizzen und Kuchen darin.

Ich versuche der hinzueilenden Dame klarzumachen, dass es sich hierbei um meinen Einkaufswagen handelt, was aufgrund der Sprachbarriere gar nicht mal so einfach ist. Denn nicht nur unsere lieben Nachbarn mit den gelben Nummernschildern kaufen hier ein, sondern man hört ein babylonisches Stimmengewirr aus aller Herren Länder.

Als Sahnehäubchen die Leute, die im Supermarkt ohne ihr Handy verloren scheinen. Zwischen "Schaaatz, Erdbeer- oder Aprikosenmarmelade?" und "Schnucki, heute sind Espresso-Pads im Angebot!" kann frau keinen klaren Gedanken fassen. Und mustert daher mit scheelem Blick die ausgeleierte knallrote Jogginghose vor sich, die gerade eine Kiste Glühwein aus dem Regal zerrt. Nun ja, immer noch besser als Miss Piggy in schwarzer Spitze an der Fleischtheke.

Letztendlich wogt die Menge behäbig durch den Mittelgang und ergießt sich schwallartig Richtung Kasse. Doch dort bin ich endlich einmal im Vorteil. Rasant biege ich bei den Getränken rechts ab und nehme die kaum frequentierte Kasse ganz außen. Zu früh gefreut, denn zuerst muss die Rolle erneuert werden und die Orangen meiner Vorderfrau sind auch nicht abgewogen. Müde verstaue ich meine Einkäufe im Auto und überlasse mein Wägelchen resigniert dem Bettler, der mich wegen des 1 Euro-Stücks darin anspricht.

(c) Christiane Bienemann

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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