Trauernde sind Lebenskünstler - und manchmal Pfützenspringer: Mechthild Schroeter-Rupiepers Geschichten, die das Leben erzählt, weil der Tod sie geschrieben hat

Schon im April diesen Jahres habe ich hier im Lokalkompass die Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper in einem Interview vorgestellt. Den Kontakt hatte ich über Herzenswunsch Niederrhein bekommen, dieser Verein baut unter anderem gerade die Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen hier am Niederrhein auf. Vor kurzem hatte ich mir dann ihr Buch geholt, schon der Titel führt den Leser gleich in medias res. Das grüne Cover fällt direkt ins Auge, ich finde es sehr passend, vermittelt es doch eine Menge Hoffnung. 

Mechthild Schroeter-Rupieper erzählt darin zahlreiche kleine und große Erlebnisse aus ihrem Alltag als Trauerbegleiterin. Die alles andere als alltäglich sind! Was macht eine Trauerbegleiterin für Kinder und Jugendliche eigentlich, mögen sich nun einige Leser fragen. Sie geht in die Familien und bereitet Angehörige auf das Abschiednehmen vor. Über alle Fragen zu diesem sensiblen Thema wird offen gesprochen um ein Stück weit die Angst zu lindern, Erinnerungen zu schaffen. Wissen wird vermittelt, beispielsweise, dass man von einem lieben Verstorbenen bis zur Beerdigung zu Hause Abschied nehmen kann. In Minitrauergruppen wird vor allem die Kreativität gefördert, sich mitzuteilen ist ganz wichtig und das Verständnis schon deshalb groß, da hier alle einen schlimmen Verlust erlitten haben. 

Alles Scheiße oder was? 

Ich gestehe, ich war ein bisschen skeptisch, als ich das Buch aufschlug. Doch die Erlebnisse und Geschichten zogen mich sofort in ihren Bann. Ja, ich habe geschmunzelt aber auch ein paar Tränchen verdrückt. Tod und Trauer gehören selbst heute noch zu den Tabuthemen in unserer Gesellschaft und es wird hier soviel bekanntes angesprochen. Kinder, die sich nicht trauen, Fragen zu stellen, wie in "Leichenwasser". Den Nachwuchs schützen zu wollen, indem man die schwere Krankheit des Elternteils herunterspielt und ihm so die Möglichkeit zum Abschiednehmen nimmt. Trauer, die sich erst Jahre später ihren Weg bahnt und dann nur sehr schwer als solche erkannt werden kann. 

Die Tränen zu verstecken, um Papa nicht noch trauriger zu machen in "Alles Scheiße oder was?". Einem jungen Menschen wird dadurch die Fähigkeit genommen, Gefühle auszuleben und später im Leben zurechtzukommen. Der Weg der 18-jährigen Pauline endet nach dem Tod beider Eltern in der Psychiatrie - ich würde gerne wissen, wie es ihr heute geht. Zusammenbrechen nach einer schlimmen Nachricht wird heutzutage oftmals als nicht "normal" empfunden, doch das Verdrängte bahnt sich später oft seinen Weg heraus durch Angst und Panik. Es gibt sie auch, die heiteren Episoden, wie Kinder auf ihre ganz eigene Art und Weise den Tod begreifen in "Logik". 

Düfte und Erinnerungen 

Und leider immer noch ganz viel Unsicherheit. Was sollen die Nachbarn denken, wenn Mutter und Tochter kurz nach der Beerdigung scheinbar ausgelassen durch die Pfützen springen? Wie ist es, wenn sich Papa wieder neu verliebt? Besonders angerührt haben mich "Wohin mit meiner Liebe?", wo aus falscher Scheu nicht mehr über die tote Tochter gesprochen wird. Dann die Geschichte, wie eine Schulklasse mit dem Suizid ihres Mitschülers umgeht. "Ein Raum voller Düfte", in der eine einfühlsame Parfüm-Verkäuferin viel Herz zeigt. Ja, diese Geschichten wirken nach. Erinnern vielleicht auch an die ein oder andere Erfahrung, die man selbst gemacht hat.

Nie werde ich vergessen, wie vor Jahrzehnten eine Bekannte über eine Hinterbliebene sagte, dass der Tod der Mutter doch abzusehen gewesen wäre. Da bräuchte man sich doch wirklich nicht so anzustellen. Heute würde ich ihr die Meinung sagen! Liebe Mechthild, nun wird der Text doch etwas länger und vor allem auch persönlich, aber ich denke, das ist genau das, was dein Buch bezwecken möchte. Dass Tod, Trauer und Erinnerungen, Lachen Weinen und Wut zum Leben dazugehören. Dass man beim Lesen dieses Buchs wieder ein Stück weit lernt, Trauer nicht totzuschweigen und ihre Facetten zu achten. 

Zurück in der Wasserburg

Ich freue mich für alle Betroffenen, dass es heute überhaupt so etwas gibt wie die Trauerbegleitung. So hoffe ich, dass auch im Gesundheitswesen noch ein Umdenken stattfinden wird und Kosten übernommen werden. Ja, früher sind die Menschen "ohne" auch irgendwie zurechtgekommen, doch ihre Narben prägen nicht nur sie alleine. 

Mechthild Schroeter-Rupieper kehrt im Herbst nochmals an die Wasserburg Rindern zurück. Am 10. November spricht sie und auch Mitglieder aus ihren Kinder- und Jugendtrauergruppen mit allen Interessierten über das Thema Suizid. 

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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