Von Tabakspillen und ärmen Düweln

Schönster Sonnenschein begleitete die Mitglieder von AREANCUM – Verein für Kultur und Geschichte in Rindern auf ihrer Fahrradtour in das Dünendorf Wissel. An der Pfarrkirche St. Clemens wurden sie von Ernst Klever in Empfang genommen, der die Radler durch die dreischiffige romanische Basilika aus Tuffstein führte. Diese zählt zu den bedeutendsten romanischen Bauwerken des 12. Jahrhunderts am Niederrhein und ist mit seinem Kreuz-Band-Rippengewölbe einzigartig im Rhein-Maas-Gebiet. Der heute noch vorhandene Taufstein aus reichlich verziertem Bentheimer Sandstein stammt ebenfalls aus der Zeit des Kirchenbaus. Das einstmals romanische Chorgewölbe wurde im 15. Jahrhundert im gotischen Stil neu errichtet. Zur barocken Ausstattung der Kirche gehören die hölzerne Kanzel und die Stundenuhr aus dem Jahr 1733. Unter der Herrschaft Napoleons wurde das Wisseler Stift aufgehoben und die Kirche dient seither als Pfarrkirche.
Nach dem Rundgang durch die Kirche lud Ernst Klever die Rinderner in das Stiftsmuseum ein. Dort gab es dann den mitgebrachten Kaffee und Kuchen. Mit begeisternden und humorvollen Vorträgen nahm Ernst Klever die Besucher mit auf eine Reise in die Ortsgeschichte von Wissel. Durch das heute noch bestehende Ringdeichsystem war die Ortschaft Wissel gut gegen Hochwasser geschützt. Schlimmer traf es dagegen die Behausungen außerhalb des Ringdeiches, die von den Hochwasserfluten umspült wurden. In diesen Situationen wurden die vom Untergang bedrohten Bewohner „ärme Düwel“ genannt. Einen breiten Raum nahm auch die Geschichte des Tabakanbaus in Wissel ein, der 1960 nach mehr als 200 Jahren sein Ende fand. Der Kiesabbau in Wissel und die Schuh- und Margarinefabriken in Kleve boten eine bessere Verdienstmöglichkeit als der oftmals beschwerliche Tabakanbau. Für den Transport der gebündelten Tabakblätter kamen auch nach dem Krieg noch Hundekarren zum Einsatz. Hunde zogen hier einen mit bis zu 75 Kilogramm beladenen Karren, für die eine spezielle Zulassung notwendig war. Mit großem Stolz konnte Ernst Klever einen Zulassungsschein aus dem Jahre 1955 vorzeigen, der einzigartig ist. Heute wird in Wissel Tabak nur noch für das Stiftsmuseum angebaut. Das Obergeschoss beherbergt jede Menge Utensilien, angefangen von Spillen, auf die die Tabakblätter zum Trocknen aufgezogen wurden, über Tabaksdosen bis hin zu einer umfangreichen Pfeifensammlung.
Eine Überraschung hatte Ernst Klever aber noch aufgehoben. Zum Schluss der Führung öffnete sich für die Besucher aus Rindern die Türe zu Siska Höfkens Dorfladen, den Ernst Klever vor dem Untergang bewahrt hatte. Gemeinsam mit dem Restaurator Gerd Peters hatte er Ladentheke, Regale und sogar die Türe zum Hinterhaus liebevoll restaurieren können. Vom Holzkreisel mit Peitsche über Kautabak, Wäschestab, Kernseife, Pfeifen, Schnuller, Haarspangen, Schulhefte, Schiefertafeln, Schaupackungen, Werbeplakate und uralte Bonbons ist alles aus dem originalen Warenbestand zu finden. In Schaukästen sind fein säuberlich geschriebene Inventurlisten, Anschreibehefte, Milchlieferlisten, Rabattbücher und andere Geschäftspapiere zu sehen. Sorgfältig auf einem Kleiderbügel hängt noch die bunte Kittelschürze, die die Eigentümerin Siska Höfkens hinter der Theke trug. Die Radler genossen sichtlich den Flair des Dorfladens und viele Erinnerungen an vergangene Zeiten wurden wieder wach.
Gut gelaunt trat man die Rückfahrt an. Der ARENACUM-Vorsitzende Josef Gietemann bedankte sich bei Ernst Klever, der die Radler mehr als drei Stunden bestens unterhalten hatte. So mancher Eindruck aus dem Stiftsmuseum wird sicherlich noch nachwirken.

Autor:

Lokalkompass Kleve aus Kleve

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