Kranenburger Bruch: "Hier wollen wir das Grundwasser zurückholen"

Lisa Schinkel | Foto: Dietrich Cerff

Lisa Schinkel arbeitet seit zwei Jahren als Naturschutzrefentin in der NABU-Naturschutzstation Niederrhein.

Zu ihren Aufgaben gehört die Betreuung des Naturschutzgebietes "Kranenburger Bruch". Zum Jahresende erläutert sie im Interview, welche Naturschutzarbeiten im Laufe eines Jahres üblicherweise anfallen und was der Sinn der einzelnen Maßnahmen ist.

Frau Schinkel, zunächst: Was versteht man unter "Schutzgebietsbetreuung"?
Naturschutzgebiete sind Gebiete, die vom Staat unter Naturschutz gestellt wurden. Für jedes Gebiet gibt es eine Schutzgebietsverordnung mit Auflagen und Verboten, aber auch mit Zielen des Naturschutzes. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Biologischen Stationen damit beauftragt, die Naturschutzgebiete fachlich zu betreuen. Wir sind dann vor Ort und beobachten und bewerten die Entwicklung des betreffenden Gebietes sowie die Einhaltung der Auflagen. Wir entwickeln aber auch Maßnahmen, die zur Erreichung der festgelegten Ziele führen sollen und treiben die Umsetzung dieser Maßnahmen voran.

Aber es ist doch Natur. Warum müssen Sie da so viel machen? Kann die Natur das nicht alleine?
Das wäre natürlich der Idealfall. Allerdings sind die natürlichen Verhältnisse häufig so gestört, dass es einer Art Initialzündung bedarf, um die ungestörte Entwicklung eines Gebietes wieder in Gang zu bringen. Nehmen wir z.B. das Kranenburger Bruch, ein Niedermoorgebiet, das normalerweise von hohen Grundwasserständen geprägt ist. Eine ganz besondere Vegetation ist an die hohen Grundwasserstände mit dem kalkhaltigen Wasser angepasst. Durch Entwässerungsmaßnahmen wurde das Gebiet viel trockener und die chemischen Bodeneigenschaften änderten sich. Mit gezielten Maßnahmen wollen wir hier das Grundwasser zurückholen und so die natürliche Dynamik wieder ermöglichen.
In Kulturlandschaften ist aber auch eine regelmäßige naturverträgliche Nutzung entscheidend. In vielen Landschaften hat sich durch historische Landnutzung eine sensible Balance zwischen einer bestimmten Intensität menschlicher Nutzung und der Natur herausgebildet. Die hier lebenden Arten sind gefährdet durch Nutzungsintensivierung, aber auch durch Nutzungsaufgabe. Auch das Kranenburger Bruch wurde und wird extensiv genutzt, um den Offenlandcharakter trotz gestörtem Wasserhaushalt zu erhalten. Das Offenhalten der Landschaft ist uns aus Artenschutzgründen sehr wichtig, denn gefährdete Wiesenvögel, wie der Kiebitz können im Kranenburger Bruch noch ungestört brüten.

Woher wissen Sie, was das Gebiet braucht?
Wir beobachten das Gebiet sehr genau und systematisch. In bestimmten Abständen werden die Vögel, Libellen, Pflanzen etc. erfasst. Das nennt man Monitoring. Diese Tiere und Pflanzen geben uns Informationen über die Umweltbedingungen im Gebiet, Bestandsänderungen sagen also aus wie sich das Gebiet verändert - ob zum Positiven oder Negativen. Geht es bestimmten Arten schlecht, d.h. schrumpft die Population, wissen wir, dass möglicherweise im Gebiet etwas nicht stimmt. Jedes Jahr schreiben wir dann für jedes unserer Betreuungsgebiete einen Bericht über die Entwicklung der Natur, in dem wir den zuständigen Behörden mitteilen, was wir beobachtet haben. Außerdem machen wir Vorschläge, welche Maßnahmen eine Verbesserung des Gebietes erwirken können. Dabei beraten wir uns auch mit Naturschützern, die landschaftlich vergleichbare Gebiete erfolgreich betreuen. Das Kranenburger Bruch hat z.B. ein Schwesterngebiet direkt auf der anderen Seite der Grenze, das Naturschutzgebiet "de Bruuk".
Dort wurde das Grundwasser bereits sehr erfolgreich zurück ins Gebiet geholt und die Zahlen seltener Arten explodieren seither regelrecht.

Je nach Jahreszeit sind ganz unterschiedliche Aufgaben zu erledigen. Wie sieht ein Jahresverlauf in Ihrem Job aus?
Im Frühling kenne ich als Naturschützerin keinen Schlaf. Viele Vögel sind Frühaufsteher und da man kleine Singvögel im Dickicht der Sträucher vor allem an ihrem Gesang erkennt, muss ich gleichzeitig mit ihnen aufstehen. Das kann schon mal eine Stunde vor Sonnenaufgang sein. Sechsmal über das Frühjahr verteilt zählen wir im Gebiet alles was singt. Im Sommer geht es dann weiter mit den wärmeliebenden Insekten und den Pflanzen. Vom späten Frühjahr bis zum Ende des Sommers kommt dann noch die Beratung und Absprache mit den Landnutzern dazu, die im Gebiet naturverträglich wirtschaften wollen. Gleichzeitig muss ich Maßnahmen für den Winter vorbereiten. Das heißt, die nötigen Genehmigungen einholen und einen Unternehmer finden, der die Maßnahmen im Gebiet umsetzt.

Was sind das für Maßnahmen im Winter?
Der Winter dient eigentlich dazu, das Gebiet auf den Sommer vorzubereiten. Die Natur schläft im Winter. Da haben wir Zeit, Maßnahmen umzusetzen, ohne Tiere bei ihrem Brutgeschäft zu stören. Außerdem haben wir dann Zeit, unsere Beobachtungen vom Frühling und Sommer auszuwerten und die Zukunft des Gebietes zu planen und mit Behörden, Eigentümern und Bewirtschaftern abzustimmen. Auch müssen wir uns im Winter um die Finanzierung der Maßnahmen kümmern, das heißt Förderanträge schreiben.

Steht etwas Besonderes für 2016 an?
Bei der oben beschriebenen Grundwasserproblematik besteht dringender Handlungsbedarf. Allerdings sind wir nicht die einzigen, die ein Interesse am Gebiet Kranenburger Bruch haben. Die Schwierigkeit bei der Maßnahmenplanung und -umsetzung ist immer, alle verschiedenen Interessen und Bedenken unter einen Hut zu bekommen. Das wollen wir in 2016 anpacken.

Was wünschen Sie sich für das Schutzgebiet?
Ein Wunsch ist in diesem Jahr schon in Erfüllung gegangen. Im Frühjahr konnte ich mehrmals den Balzgesang der seit vier Jahren verloren geglaubten Bekassine, einem typischen Vogel feuchter Moorwiesen, hören. Die Wunschliste meines Kollegen Dietrich Cerff, mit dem ich gemeinsam das Kranenburger Bruch betreue, ist die eines Botanikers. Bei welchen komplizierten und nie gehörten Artnamen sein Herz höher schlägt, das kann nur jemand verstehen, der schon einmal dabei war, wenn ein Botaniker sich wie ein Schneekönig über ein unscheinbares grünes Gras gefreut hat. Doch genau hier, in der Botanik, liegt das große Potential des Kranenburger Bruchs und das wollen wir herauskitzeln.

Autor:

Lokalkompass Kleve aus Kleve

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