Die Geheimnisse des Triumphkreuzes

Das Gesicht Jesu ist detailreich herausgearbeitet.
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Ein Tisch mit Pinseln, Bechern und Zahnarztinstrumenten, eine Frau, die mit seltsam anmutender Spezialbrille in ihre filigrane Arbeit vertieft ist und ein ca. 80 Kilogramm schweres und über 500 Jahre altes Holzkreuz: Das sind die Zutaten für eine äußerst spannende Geschichte, die sich zurzeit in der Stadtkirche St. Georg abspielt.

Nach der Restauration der Orgel hatte der Verein „Rettet die Stadtkirche“ bereits angekündigt, dass das nächste Projekt die Restauration des Triumphkreuzes sei. Und die startete nun vor wenigen Tagen. Direkt vor dem Altar, im Scheinwerferlicht, liegt das 3,30 Meter lange Kreuz mit der 2,13 langen Jesusfigur. Davor arbeitet konzentriert eine Frau. Mit medizinisch aussehendem Gerät werkelt sie an dem Kunstwerk. Dabei kommt sogar ein tierisches Produkt zum Einsatz: Stör-Leim, gewonnen aus der Schwimmblase des ansonsten eher durch das Produkt Kaviar bekannten Fisches. „Denn dieser Leim trocknet transparent auf und verklebt gelöste Farbschollen wieder“, erläutert Diplom-Restauratorin Susanne Erhards.

Kreuz stammt aus dem Mittelalter

Sie bringt jede Menge Berufserfahrung mit. Dazu ist Restauratorin ihr Traumberuf. „Seit ich 16 bin, wollte ich so etwas machen“, berichtet sie. Umso größer wiegt ihre mehr als positive Einschätzung des Kreuzes. „Monumental-Skulpturen sind etwas Besonderes. Manch ein Museum würde sich über dieses Stück freuen. Ich find‘s klasse, dass es hier in der Kirche hängt.“
Erstaunt ist sie auch über die hohe bildhauerische Qualität: Die perfekten Proportionen, Details und die Dramatik mit der der gekreuzigte Gottessohn dargestellt ist. Das sei für die Zeit, in der das Kreuz gefertigt wurde, eine Ausnahme. Ein Virtuose war am Werk.

In Jesus‘ Gesicht sieht man rote, plastische Blutstropfen, den extremen Brustkorb, die Rippen und Muskelstränge am Bauch und Hals. Eine weitere Besonderheit: Der Mund ist detailreich mit Zähnen und Mundhöhle, ebenso wie die Nasenlöcher herausgearbeitet. Die Jesusfigur fasziniert als Gesamtwerk in beeindruckender Weise nicht nur die Expertin. Auch Gemeindemitglieder erleben das Kunstwerk aus nächster Nähe neu.
Die Hände sind etwas gröber geschnitzt. „Die sind auch erst später hinzugefügt worden“, so Erhards. Der Korpus wurde aus einem massiven Stück Holz gefertigt, die Arme sind angehängt.

Das Kreuz wurde wohl ca. um das Jahr 1470 gefertigt, schätzt die Restauratorin. Das Holz ist aller Wahrscheinlichkeit nach Eiche, das wird aber noch überprüft. An den Enden des Kreuzes sind vier Tiere abgebildet. Von links gegen den Uhrzeigersinn sind dort Engel, Löwe, Stier und Adler zu sehen. Sie stehen für die Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

Das Triumphkreuz wird nach den Arbeiten, die voraussichtlich zwei bis drei Wochen dauern werden, nicht „wie strahlend neu“ aussehen. Die Arbeit von Susanne Erhards ist eher eine Substanzsicherung, sie konserviert das wertvolle Kreuz. „Einen Unterschied wird man bei der Betrachtung aber schon sehen“, sagt sie. Das Kreuz war stark verschmutzt. Nach der Reinigung mit Benzin, der Entfernung des Schimmelbefalls im Inneren und der Bearbeitung der bestehenden Farben wird die Plastizität gesteigert, die Farbe braun etwas heller wirken und das Spiel der erhobenen Flächen und Vertiefungen besser zur Geltung kommen.

Künstler ist (noch) unbekannt

Neben der handwerklichen Arbeit ist es für die Restauratorin stets spannend, wohin der Weg geht. Neue Farbe wird am Kreuz nicht verwendet.Wie nah kommt man aber dem Original und passt die Restauration zum Gesamtkunstwerk? Bei solchen Projekten arbeiten Restaurator und Denkmalpflege im engen Austausch zusammen. Wer das Kreuz geschaffen hat, ist noch nicht geklärt. Susanne Erhards hat eine Vermutung. Die will sie noch mit der zuständigen Expertin der Denkmalbehörde besprechen.

Die letzte Restauration des Kreuzes wurde um 1960 vorgenommen. „Für die Zeit war die Arbeit schon wegweisend“, lobt Erhards und vermutet einen bekannten Restaurator dahinter. Weshalb es auch ihr Ziel ist, das Kreuz quasi in den Zustand vor 60 Jahren zurückzuversetzen. „Es geht nicht darum, das Kreuz in neuem Glanz erstahlen zu lassen, sondern den letzten Zustand zu erhalten“, so die symphatische Wahl-Kölnerin.

15.000 Euro Kosten sind für das Kreuz und für die Behandlung der riesigen Caravaggio-Kopie veranschlagt. Der Förderverein hat seit seinem Bestehen schon rund 500.000 Euro für Projekte an der Stadtkirche gesammelt. Am morgigen Sonntag ist das Kreuz Thema im Gottesdienst in der Stadtkirche(9.30 Uhr). „Da wird der Begriff Triumphkreuz noch einmal erklärt“, so Pfarrer Rüdiger Holthoff.

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Autor:

Holger Schmälzger aus Dortmund-Süd

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