Haushalt Lünen – Ist die Kuh vom Eis?

Kuh vom Eis?

Bekanntlich bedrohen Währungsverluste aus Krediten in Schweizer Franken (CHF) den Haushalt der Stadt Lünen mit einem Betrag von derzeit 20 Millionen EUR, erste Info hier.

Es handelt sich um zwei Kredite über jeweils 25 Millionen EUR und 20 Millionen EUR respektive 39,4 Millionen CHF und 25,6 Millionen CHF.
Der höhere der zwei Kredite mit einem aktuellen Verlust von ca. 14,4 Millionen EUR ist am 31.01.2015 fällig.
Der Kämmerer der Stadt Lünen ist angabegemäß in Gesprächen mit der ausleihenden Bank um diesen ersten Kredit zu verlängern, nach aktueller Berichterstattung mit positiven Erfolgsaussichten.

Doch stellt sich die Frage, ob der Kämmerer damit für Lünen wirklich die Kuh vom Eis holen kann.

Die Idee bei der Kreditverlängerung ist, dass dadurch der Währungsverlust nicht realisiert werden muss und in die Zukunft verschoben wird.
Falls sich dann irgendwann der Kurs EUR zu CHF wieder zugunsten des EUR verändern sollte, könnten die Verluste geringer werden oder auch ganz wegfallen.
So die Idee.
Allerdings stehen dem bereits jetzt einige Bilanzierungsvorschriften entgegen.

Die hier zur Anwendung kommenden Vorgaben aus der Gemeindehaushaltsverordnung NRW (GemHVO) und dem Handelsgesetzbuch (HGB ) regeln die Fragen zur Bewertung von Vermögen und Schulden eindeutig.
§ 32 der GemHVO verlangt die einzelne Bewertung aller Vermögensgegenstände und Schulden und ist erweitert um den Satz "Es ist vorsichtig zu bewerten…". Analoges steht in § 252 HGB.

Darüber hinaus ist im HGB eine ergänzende Bestimmung speziell zur Bewertung von Bilanzpositionen in fremder Währung mit dem § 256a aufgenommen worden.
Danach sind Schulden in Fremdwährung zum Devisenkassamittelkurs am Abschlussstichtag umzurechnen.
Zum Beispiel betrug für den genannten ersten Kredit über 25 Millionen EUR der Kurs zum Bilanzstichtag 31.12.2014 ca. 1,20 CHF, d.h. der ergebniswirksame Verlust würde gute 8 Millionen EUR betragen, aus dem zweiten Kredit wäre "nur" noch ein Verlust von rund 1 Millionen EUR per 31.12. zu addieren.

Erschwerend kommt aber hinzu, dass die Generalklauseln in § 32 GemHVO sowie auch in § 252 HGB verlangen, dass
"alle vorhersehbaren Risiken und Verluste… selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind"
zu erfassen sind.
Da der Jahresabschluss 2014 der Stadt Lünen noch nicht aufgestellt ist, bedeutet dies für den zu unterstellenden Regelfall, dass die CHF-Kredite zum Kurs von etwa 1 EUR für 1 CHF rückwirkend auf den 31.12.2014 zu bewerten sind.
Dies hätte einen ergebniswirksamen Verlust von rund 20 Millionen EUR zur Folge und damit einen faktischen Verzehr des Eigenkapitals der Stadt Lünen bis auf etwa 3 Millionen EUR.

Da bereits nach der eingebrachten Haushaltsplanung für 2015, trotz einer eventuellen Erhöhung der Grundsteuer, sicherlich ein negatives Ergebnis von über 10 Millionen EUR zu erwarten ist, bedeutet dies die vollständige Aufzehrung des Eigenkapitals in 2015.
Damit ist ein Nothaushalt nicht mehr abwendbar.

Mit welchen Konstruktionen diese Bewertungsvorgaben abgebogen werden können oder sollen, bleibt vorerst offen.

Auch wenn dies gelingen sollte, haben die zukünftigen Generationen den Ballast aus diesen Geschäften zu tragen und abzuarbeiten.

Vor dem Gesichtspunkt des aktuell von der EZB verkündeten Vorhabens in den EURO-Raum monatlich 60 Milliarden EUR zusätzliches Geld bis September 2016 zu geben, also insgesamt mehr als 1.100 Milliarden EUR, scheint es illusorisch, dass der EURO in einem absehbaren Zeitraum im Kurs zulegen könnte.

Zur Eingangsfrage im Titel zurückkommend, die Kuh scheint also alles andere als vom Eis zu sein!

Es stellt sich vielmehr die Frage vor dem Hintergrund der offenen Bilanzierungsfragen, ob es nicht angebrachter wäre, statt dem vermeintlichen Heil einer Kreditverlängerung zu folgen als Lösung die Rückzahlung der Kredite anzugehen.
Die Verluste werden, unter "normal" angelegten Bilanzierungsvorschriften, die Gleichen sein, aber zumindest ist ausgeschlossen, dass man ein Fass ohne Boden vor sich herträgt.

Autor:

Reiner W. Dzuba aus Lünen

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