Lore Terhoch überlebte das KZ Bergen-Belsen - Eindrucksvolle Stolpersteinverlegungen mit dem Künstler Gunter Demnig und NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer

Stolpersteine Gahmener Straße 229 in Lünen
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Gegen das Vergessen, aus Protest gegen Rassenwahn und Gewalt

Lünen. Das waren emotionale und beeindruckende Veranstaltungen in Lünen-Süd und Gahmen. Hier wurden für NS-Opfer „Stolpersteine“ vom Künstler Gunter Demnig in Anwesenheit des NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer verlegt, aus dem Tagebuch der Verfolgten Elsa Terhoch vorgetragen, über Einzelschicksale berichtet und ihrer gedacht. Ein Stolperstein wurde unter anderem für Lore Terhoch, die heute noch als 93jährige in Israel wohnt, verlegt. Sie überlebte das KZ-Bergen-Belsen und gehörte kurz vor Kriegsende zu den rund 6.800 Häftlingen die dort in drei Zügen abtransportiert wurden, weil sich britische Truppen dem Lager näherten. Das Fahrtziel der Geiseln war das Konzentrationslager Theresienstadt. Hier sollten sie gegen deutsche Zivilinternierte oder durch Devisenzahlung ausgelöst werden. Dazu kam es aber nicht. Der Transportzug von Lore Terhoch blieb auf offener Strecke stehen. Die NS-Opfer wurden von Amerikanern befreit. 71 Jahre später, im Juni 2016, interviewte der Lüner Filmemacher Michael Kupcik Lore Terhoch und Ihre Angehörigen in Israel. Der Film soll am 9. November in Lünen gezeigt werden. Einen ersten Eindruck vom Besuch vermittelte sein Wortbeitrag während der Verlegung bei der Dr. Sabine Omland von Drensteinfurter Synagogenverein aus ihrem Schriftverkehr mit den Überlebenden berichtete und Marie-Luise Bolte sichtlich bewegend aus dem Tagebuch vorlas.
NRW-Minister Rainer Schmeltzer: „Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer demokratischen Gesinnung diskriminiert und verfolgt werden.“ Lob und Anerkennung sprach der Minister dem Künstler und seinem europaweiten Projekt aus sowie den örtlichen Sponsoren und dem Arbeitskreis Lüner Stolperstein und für ihr Engagement. Pfarrerin Andrea Ohm erklärte für den Arbeitskreis, das mit den Aktionen ein Zeichen gegen das Vergessen gesetzt werden soll. Gleichzeitig ist es auch ein Protest gegen den Rassenwahn und Gewalt.
Deshalb erinnern jetzt vor dem Wohnhaus an der Gahmener Straße 229 fünf Stolpersteine an die jüdische Familie Terhoch, deren Vorfahren im münsterländischen Drensteinfurt wohnten. Mutter, Vater und die drei Töchter Terhochs flohen 1936 bzw. 1939 nach Holland. Später wurden Hugo, Ilse Lina und Julie Terhoch zum niederländischen Durchgangslager Westerbork interniert, anschließend nach Auschwitz deportiert und dort 1942 bzw. 1943 im KZ ermordet. Die 1925 geborene Elsa Terhoch überlebte seit Mai 1943 bei einem Landwirt in der Nähe von Venlo und wanderte 1948 nach Palästina aus. Dort heiratete sie und bekam zwei Söhne und eine Tochter. Ihre drei Jahre ältere Schwester Lore emigrierte am 31. Oktober 1946 nach Palästina. Zuvor wurde sie als 21jährige 1944 über Westerbork in das KZ Bergen-Belsen deportiert.
Bereits 2009 wurde in Lünen, an der Jägerstraße 45 a, ein Stolperstein verlegt. Für Albert Bruch, den Mitbegründer und ehemaligen Schatzmeister des Schützenvereins Lünen-Süd, der in der Pogromnacht 1938 in seiner Wohnung erschossen wurde. Jetzt erinnert ein weiterer Stein an seine Ehefrau Helene Bruch. Sie überlebte zwar die nächtliche Gewalttat, wurde aber 1942 deportiert und im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Für beide Steine hat der Schützenverein Lünen-Süd die Kosten und die Patenschaft übernommen. Der aktuelle Schatzmeister Martin Pianta betonte: „Wir sind ein Traditionsverein, wollen uns aber auch kritisch mit der Geschichte auseinandersetzen!“
Die Stolpersteine in Gahmen ermöglichten der Fußballverein SG Gahmen, Rolladen Kiehm, Teutenberg Bautechnik, der katholische Pastoralverband Lünen und der Frühstücksbasar der evangelischen Kirchengemeinde Horstmar-Preußen, der auch die Patenschaft für die Steine übernahm.
In Lünen erinnern jetzt dreizehn „Stolpersteine“ an die Opfer von NS-Verbrechen. Sie gehören damit zu einem Kunstwerk, das bisher in über 1600 Orten in Europa mehr als 58.600mal in 20 Länder zu finden ist. Mit diesen im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Der Arbeitskreis Lüner Stolpersteine setzt sich aktuell aus ehrenamtlich arbeitenden Lüner Bürgerinnen und Bürgern zusammen, die sich bereits in der Vergangenheit für das Verlegen der Gedenksteine in ihrer Heimatstadt eingesetzt haben. Dabei handelt es sich momentan um Fredy Niklowitz vom Lüner Stadtarchiv, den katholischen Gemeindereferenten Stephan Wilhelm, die evangelische Pfarrerin Andrea Ohm, Schriftsteller Viktor Sons, Ratsherr Siegfried Störmer und SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Udo Kath. Weitere Aktive sind herzlich willkommen. So werden unter anderem Experten für die sozialen Medien für den Aufbau einer Internet- und Facebookseite gesucht. Das Setzten weiterer Stolpersteine ist geplant. Die Übernahme von Patenschaften (je Stein 120 Euro) oder/und projektbezogenes Arbeiten ist jederzeit möglich. Es gibt auch in Lünen noch sehr viele Daten, die geprüft und erarbeitet werden müssen.

Autor:

Udo Kath aus Lünen

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