Ein Tag als Pokémon-Trainer

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Der Grund, weshalb viele Jugendliche momentan zombiehaft durch Lünen laufen, ist mit zwei Worten gesagt: Pokémon Go. Eine App, mit der man sich die kultigen Mini-Monster aus den 90ern direkt auf sein Smartphone holen kann. Seit Mittwoch gibt es die App offiziell in Deutschland, seitdem treiben sich viele begeisterte Pokémonfans in Lünen herum - viele alte Fans, darunter aber auch Neueinsteiger. Ich habe mich selbst als Trainer versucht und auf die Jagd begeben.

Morgens lud ich mir die App auf mein Smartphone, jedoch scheute ich mich noch davor, nach draußen zu gehen. Der Grund war Scham - mit meinem iPhone vor dem Gesicht die Wege ablaufen, nein danke, das ist mir dann doch zu peinlich. Gegen Abend fand sich ein Freund, nach verzweifeltem Herumfragen, ob jemand mit mir die App ausprobieren wollen würde und so machten wir uns auf den Weg in die Stadt. Da gibt es die sogenannten PokéStops, Denkmäler oder andere für das Spiel relevante Orte, an denen die Trainer Pokebälle, Tränke und viele weitere Items einsammeln können. Unsere ersten Spielversuche waren leider nicht vielversprechend. Serverprobleme. Entweder fand man kein GPS-Signal oder man sollte es später noch einmal versuchen. Da war die Enttäuschung groß - jedenfalls bei mir, da ich mich auf die App gefreut hatte, jedoch nicht spielen konnte.
Am Lippedamm konnte ich dann erste Fänge verzeichnen: Ein Rattfratz, ein Paras und ein Karpador. Keine neuen Namen, keine großen Errungenschaften, aber ein Anfang. Ab und zu, gefühlt jedoch immer, hängte sich die App beim Pokémonfangen auf. Nachdem mehrmals frustiert neugestartet wurde und es trotzdem nicht klappte, gingen wir weiter, über die Lippe Brücke. Rechts auf den Treppen saßen zwei Jungen und riefen zu uns rüber: "Spielt ihr auch?"

Trainer-Treff im Tobiaspark

Wir gesellten uns zu ihnen und dann geschah das Unfassbare: Es kamen immer mehr. In Zweierteams kamen die jungen Trainer auf uns zu, es war nicht zu übersehen, dass es sich um Gleichgesinnte handelte. Das Smartphone in einer Hand vor der Nase, am Bildschirm wird nur selten getippt, wenn ein PokéStop oder ein Pokémon auftaucht. Mit acht Spielenden ging es zum Tobiaspark, der sich nach und nach zu einem Hort von Pokémontrainern entpuppte. Fast 15 Trainer auf einem Fleck, die eindeutige Frage zum Enttarnen der Trainer war: "Welches Team?"
Team gelb (Intuition), Team blau (Weisheit) oder Team rot (Wagemut)? In den Teams können letztlich die Arenen eingenommen werden. In Lünen sind unter anderem die Ochsengruppe vor San Remo, die St. Marien Kirche oder der Hauptbahnhof eine Arena - mal in der Farbe blau oder rot, seltenenerweise auch mal gelb.

Vor- und Nachteile im Gleichgewicht

Nachdem ich mich einigermaßen eingefunden und zahlreise Tipps von neuen, befreundeten Trainern erhalten habe, wandelte sich der anfängliche Frust in Spaß. Es ging nämlich nicht mehr nur noch um das Fangen von Pokémon, sondern auch darum, die Pokémon weiterzuentwickeln und Arenen einzunehmen. Ab Level 5 ist nämlich genau das mit der Teamauswahl möglich.
Laut der Statistik bin ich bereits fast 15 Kilometer gelaufen, während die App lief. Und wie wir alle wissen, tut Bewegung gut, vor allem an der frischen Luft. Das mag der bedeutendste Vorteil an diesem Hype sein. Die App ist aber ein ziemlicher Akkufresser, weshalb stets ein Kabel vom Smartphone zur Hosentasche führt. Fast jeder Spieler schleppt eine Powerbank mit sich herum, ein Akku für unterwegs, wenn man so will. Saturn profitiert davon mächtig.
Die Kehrseite des Hypes: Wenn man, während man durch die Stadt läuft und Pokémon sucht, den Blick vom Smartphone seltenerweise weglenkt und nach vorne schaut, merkt man, dass viele Passanten genervt sind. Man steht plötzlich im Weg, weil vor einem ein Mini-Monster auftaucht, man schaut nicht, wo man hinläuft - Ja, gestern wäre ein Mann beinahe vor ein Motorrad gelaufen - die übrigen Menschen, die noch nicht zu Zombies mutiert sind, schauen verwirrt. Die Pokémon App ist der Grund, weshalb die Jugendlichen und jungen Erwachsenen wie Zombies durch Lünen rennen. Solange es nicht pietätlos wird, wie beispielsweise beim Spielen auf Beerdigungen (kein Scherz, ist echt schon vorgekommen), sind diese Zombies in Ordnung, denn sie ziehen weiter.

Stimmung wie im Ferienlager

Die Trainer-Treffen erinnern mich an Ferienlager, die man früher als Kind besuchte. Man kennt dort meist niemanden, nur den besten Freund oder die beste Freundin, in manchen Fällen ist das Geschwisterkind dabei. Trotzdem herrscht von Anfang an ein Gemeinschaftsgefühl, immerhin verfolgt man das gleiche Ziel: Spaß haben (in diesem Fall aber wohl eher Pokémon fangen). Wenn mal Not am Mann ist und der Akku immer schwächer wird, teilt man auch mal die Powerbank. Auch wenn ich die zumeist die einzige in der Gruppe bin, die Team blau ist, wandert man gemeinsam zu PokéStops oder Arenen, unterhält sich, gibt sich Tipps und hat Spaß. Die anfängliche Scham ist in den Wanderungen innerhalb der Gruppe, ob man die Personen nun kennt oder nicht, einfach untergangen. So sitzt man auch noch abends im Park und lockt und fängt Monster, die für die Erwachsenen unsichtbar bleiben.

Und nun entschuldigt mich, ich muss jetzt weiter Pokémon fangen.
Gut Fang!

Ein Screenshot von der Spieloberfläche. Ein Hornliu sitzt direkt vor mir, im Hintergrund spielen die anderen Trainer.
Autor:

Jenny Smolka aus Gelsenkirchen

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