Vereine über das Bundesinnenministerium: "Die haben doch einen Vogel"

Die neuen Schießstandrichtlinien des Bundesinnenministeriums wurden zwar bereits im vergangenen Jahr verabschiedet, doch erst jetzt geht ein Aufschrei durch die Reihen der Schützenvereine und -bruderschaften, die ihre Traditionen gefährdet sehen. Dabei sorgt vor allem die Vorschrift, den Schützenvogel extrem zu verkleinern, für Protest.

Große Umfrage

Der Stadtspiegel hat heimische Vereine nach ihrer Meinung befragt.
Heinz Vogel, Geschäftsführer Kreisschützenbund Arnsberg:
„Durch die neuen Richtlinien des Innenministeriums würden das traditionelle Vogelschießen und die Schützenfeste so gut wie unmöglich gemacht.
Der Umfang des Vogels bedeutet in keiner Weise eine Gefährdung. Die Kreisschützenbünde Arnsberg, Meschede und Brilon waren auf Vermittlung von MdB Patrick Sensburg schon einmal in Berlin, um die Angelegenheit zu besprechen, und wurden nicht umsonst vom Innenminsterium noch einmal für den 19. März eingeladen.“
Heiner Korte, 1. Brudermeister Schützenbruderschaft St. Sebastian Brockhausen:
„Die haben doch wohl einen Vogel!
Unser Schützenverein steht auch angesichts des diesjährigen 125. Jubiläumsschützenfestes vor einem Problem, wenn die neue Schießstandrichtlinie in Kraft bleibt. Das Vogelschießen ist der zentrale Akt eines jeden Schützenfestes. Bei uns erfreut sich das Flutlichtschießen einer großen Beliebtheit, doch dazu ist es wichtig, einen entsprechend großen Vogel zu haben, der auch noch bei Dunkelheit sichtbar ist.
Im Durchschnitt hält unser ‚Adler‘ 400 Schuss stand und ist somit ein wesentlicher Unterhaltungsfaktor in unserem Programm.
Nach der neuen Verordnung wäre der Vogel jedoch viermal kleiner als der bisherige! Da bleiben offene Fragen, wie sieht es mit den Ehrenschüssen aus? Oder kann so ein ‚Spatz‘ überhaupt den Kampf um Krone und Zepter standhalten?
Schlussendlich sehen wir hier einen Bruch in der Kultur des Schützenwesens und da im Moment noch keine Alternativen zum bisherigen Vogelschießen bestehen, besteht die Gefahr, dass ein Stück Tradition unserer Bruderschaft verloren geht.“
Martin Schulte, 1. Vorsitzender St. Hedwig Bruderschaft Böingsen:
„Meine erster Gedanke war, dass sich jemand im Datum geirrt hat und versehentlich eine Nachricht, die eigentlich für den 1. April gedacht war, veröffentlicht wurde.
Die einzige Erklärung für diese nicht nachvollziehbare Neuerung ist für mich, dass man sich bei der Festlegung der Materialstärken keine Gedanken gemacht hat, welche Auswirkungen das auf die Gesamtgröße der Vögel hat.
Insofern glaube ich fest daran, dass die Richtlinie in diesem Punkt nachgebessert wird.“
Markus Baumeister, 1. Vorsitzender Schützenbruderschaft St. Hubertus Beckum:
„Die Schützenvereine/-gesellschaften/-bruderschaften müssen sich immer mehr mit irgendwelchen Gesetzgebungen herumschlagen, die es den Vereinen immer schwerer machen, ehrenamtliche Arbeit durchzuführen.
Des Weiteren konnte man in den letzten Wochen verfolgen, bei wie vielen Vereinen ein oder mehrere Posten vakant geblieben sind. Wer will denn noch zukünftig Ehrenämter ausüben, bei den ganzen ‚Bevormundungen‘ die aus Regierungskreisen entstehen?
Mittlerweile gibt es in Deutschland und gerade seitens der Regierungen die Mentalität (und ich glaube auch seit Jahrzehnten) alles regeln zu wollen. Passiert etwas wie bei der Loveparade (was sicherlich sehr schlimm ist), dann wird prompt eine ganze Reihe von Maßnahmen herausgegeben, damit so etwas ja nicht wieder passiert.
Was das im Einzelnen für die ganzen Vereine in Deutschland bedeutet, ist doch egal, Hauptsache, die Regierung hat etwas erlassen.
Um bei den Schützenvereinen zu bleiben, sollte man sich doch mal anschauen, mit welchen Themen sich die Vorstände beschäftigen müssen: Trinkwasserverordnung (Legionellen), Nichtraucherschutzgesetz, Schießstandrichtlinien und dazu kommt noch in den Kreisen selber: Brandschutz, Versammlungsstättenverordnung usw., usw.
Aber leider ist es auch so, dass wir das alles mit uns machen lassen und nicht dagegen wehren.
Aber die Regierung hat es jetzt tatsächlich geschafft, die Schützengemeinde gegen sich aufzubringen, da mit dieser neuen Schießstandrichtlinie, das Fass zum Überlaufen gebracht wurde. Wie kommt die Regierung dazu, ein Thema aufzugreifen, bei welchem es nachweislich zu keinem Unglück oder ähnlichem gekommen ist. Gibt es keine wichtigeren Themen?“
Benno Petsch, 1. Brudermeister der Schützenbruderschaft St. Sebastianus Schwitten:
„Was denn noch alles? Soll das traditionsreiche Schützenwesen vorsätzlich zu Grunde gerichtet werden? Erst werden die GEMA-Gebühren bis ins Unermessliche erhöht, dann das Rauchverbot auch für Traditionsveranstaltungen durchgesetzt und nun soll der stolze Aar ‚par Ordre de Mufti‘ zum Wellensittich abmagern.
Und warum? Eine vernünftige und nachvollziehbare Begründung findet man nicht. Zu einem Schützenfest gehört als Hauptbestandteil das Vogelschießen. Es muss knallen und weithin zu hören sein. Wird aber wohl in Zukunft nicht mehr so sein.
Bei einem Vogeldurchmesser von 80 Millimetern kann allenfalls noch mit Kleinkalibergewehren oder gar mit Luftgewehren geschossen werden. Das Ganze erinnert dann mehr an ein Kindervogelschießen.
Es ist in unserer Schützenbruderschaft guter Brauch, dass der König des Vorjahres den ersten Schuss auf den neuen Vogel abgibt. Danach folgen die Ehrenschüsse des Pastors, des Bürgermeisters und der Vorstandsmitglieder.
Wenn die Vorgenannten nicht bewusst daneben schießen (was kaum möglich ist, da das Gewehr stramm eingespannt sein muss), könnte hier nach das Vogelschießen schon zu Ende sein.
Viele Schützenbruderschaften- und vereine haben schon jetzt mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein weiterer Rückgang der Besucherzahlen könnte das Ende dieser traditionsreichen Veranstaltungen bedeuten.“
Wolfgang Exler, Pressewart Bürger- und Schützenverein Hüingsen:
„Der BuSV Hüingsen ist darüber entsetzt, wie ohne Not hier eine Verordnung in Berlin geschaffen wird, die die Schützenvereine in ihrer Tradition erheblich trifft.
Es zeigt sich, dass die Brauchtumsvereine, wie der SSB, überhaupt nicht gehört wurden und von ‚heut auf morgen vom grünen Tisch aus‘ Fakten geschaffen wurden, die das Vereinsleben massiv beeinträchtigen. Zumal das Königsschießen einmal jährlich der Höhepunkt des ganzen Dorfes ist.
Wir hoffen, dass sich die Ministeriellen noch einmal Gedanken darüber machen, um nicht gänzlich das Brauchtum und die Schützenvereine zu gefährden.“
Daniel Happe, 1. Vorsitzender BSB Menden:
„In der heutigen Zeit wird es für Schützenvereine immer schwieriger, da wir Schützen immer mehr neue Auflagen einhalten müssen!
Es fing vor ein paar Jahren an mit der Festzugabsicherung, was die Schützen damals hingenommen und dadurch schon mehrere Auslagen zusätzlich haben.
Danach gibt es in einem Jahr drei neue Richtlinien, wo die Schützen immer mehr benachteiligt werden. Sprich: Raucher müssen sich gesondert nach draußen stellen, wo eventuell eine Gemütlichkeit auseinanderreißt, da man ja woanders rauchen muss.
Und danach werden jetzt auch noch Traditionen kaputt gemacht, indem man als Auflage macht, dass man den Vogel kleiner und dünner macht.
Wir als Schützen, haben das Gefühl, dass man uns immer mehr in den Hintergrund schieben möchte. Denn bei so einem Vogelschießen, wie es die Regierung fordert, wird es schwierig sein, an Traditionen weiter anzuknüpfen und einfach so weiterzumachen wie vorher.
Auch unsere Mitglieder und Freunde, werden es bestimmt nicht begrüßen, wenn wir einen Vogelkasten beim Vogelschießen hochziehen mit einem kleinen Vogel, der von unten aussieht wie ein schwarzer Punkt. Und da die Schützenvereine sich in diesem Jahr schon genug gefallen lassen haben, hat auch unser Verein sich dazu entschlossen bei der Regierung Widerspruch einzulegen!“

Abschließend noch ein exklusives Stadtspiegel-Statement von Dagmar Freitag, MdB:
„Die neue Schießstandrichtlinie führt dazu, dass der Reiz und die Spannung des Vogelschießens komplett verloren gehen - und damit eine jahrhundertlange Tradition. Die Vertreter der Schützenvereine, die das Traditionsschießen pflegen, sind im Vorfeld nicht angehört worden, auch dies ist ein inakzeptabler Vorgang.
Ich setze mich für eine entsprechende Lösung ein, die auch zukünftig das traditionelle Vogelschießen gewährleistet.
Ein erster Schritt ist getan, in dem ich mich bereits an das Bundesministerium des Innern gewandt habe.“

Siehe auch: http://www.lokalkompass.de/menden/leute/stadtspiegel-kolumne-von-seite-1-d273069.html

Autor:

Hans-Jürgen Köhler aus Menden (Sauerland)

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