Bildungsangebote als Antwort auf eine immer bunter werdende Republik

Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert  (Mitte) steht seit Montag mit seinem Namen im „Goldenen Buch“ der Stadt Monheim am Rhein. Links die VHS-Landesverbandsvorsitzende und Wittener Bürgermeisterin Sonja Leidemann, rechts Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann und der heimische  VHS-Leiter Wilfried Kierdorf. Foto: Michael de Clerque
  • Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitte) steht seit Montag mit seinem Namen im „Goldenen Buch“ der Stadt Monheim am Rhein. Links die VHS-Landesverbandsvorsitzende und Wittener Bürgermeisterin Sonja Leidemann, rechts Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann und der heimische VHS-Leiter Wilfried Kierdorf. Foto: Michael de Clerque
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Hoher Besuch in Monheim am Rhein! Die Mitglieder des NRW-Landesverbandes der Volkshochschulen trafen sich am Montag zu ihrer diesjährigen Mitgliederversammlung in der Aula am Berliner Ring.

Als prominenten Gastredner konnten die Monheimer und ihre Gäste dabei den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert, am Rhein begrüßen.

Gemeinsam mit der Vorsitzenden des Landesverbandes der Volkshochschulen von Nordrhein-Westfalen, Sonja Leidemann, und Bürgermeister Daniel Zimmermann trug sich der über Parteigrenzen hinweg hochangesehe Politiker dabei auch ins „Goldene Buch“ der Stadt ein.

Vor den Vertretern der kommunalen Träger von 132 Volkshochschulen in Nordrhein-Westfalen und den VHS-Leitungen hatte Lammert zunächst einen Vortrag zum Thema „Vertrauensverlust der Parteien – Krise der parlamentarischen Demokratie?“ gehalten, in dem er auch gezielt auf die Bedeutung von Bildung für die aktive Teilnahme am politischen Leben eingegangen war.

In einer kleinen Pressekonferenz unterstrich Lammert auch sein generelles Interesse an den Sprach- und Kulturangeboten der VHS, erteilte seiner heimischen Volkshochschule jedoch mit Blick auf seine Kandidatur für den nächsten Bundestag im September eine freundliche Absage. „Die Aussicht, mich da als Hörer begrüßen zu können, wird wohl noch ein wenig zurückgestellt werden müssen.“

Spanisch und die Aufbesserung seines Französisch würden ihn aber irgendwann schon reizen können. Lammert schmunzelnd: „Als Ruheständler noch mit Chinesisch beginnen zu wollen, wäre wohl eher ein Zeichen für Übermut.“ Hier meldete VHS-Landesverbandspräsidentin Sonja Leidemann jedoch echtes Interesse an. Und Monheims VHS-Leiter Wilfried Kierdorf konnte gleich Werbung machen: „Ab Herbst bieten wir hier bei uns Chinesisch an.“

Bildung als Basis politischer Teilhabe

Vermutlich wird allerdings auch er auf Leidemann noch eine Weile warten müssen, denn die dürfte als Bürgermeisterin der Stadt Witten aktuell auch noch etwas wenig Zeit für ostasiatische Sprachabenteuer haben. Als VHS-Landesverbandsvorsitzende betonte sie zudem, dass es an ihren Bildungsinstituten natürlich auch längst nicht nur um Sprachen gehe. „Gerade wollen wir gemeinsam eine Resolution auf den Weg bringen, die sich ganz stark mit dem Thema Grundbildung und Alphabetisierung beschäftigt – weil wir immer wieder feststellen, dass das in der Bundesrepublik noch ein Tabuthema ist.“ Damit schlug sie auch wieder die Brücke zum vorausgegangenen Redebeitrag des Bundestagspräsidenten. „Menschen, die eben nur eine geringe Grundbildung haben, haben in der Regel auch Hemmschwellen zur Wahl zu gehen.“

In dem Zusammenhang unterstrich auch Wilfrid Kierdorf den politischen Auftrag, der hinter vielen Sprachangeboten stecke. Auch hier ginge es gerade bei vielen Zuwanderern nicht nur um den bloßen Spracherwerb oder die Vorbereitung auf den Einbürgerungstest, sondern eben auch um die bewusste Herausbildung mündiger Bürger, die über das Rathaus und andere demokratische Parlamente und Institutionen informiert seien.

Neuanfang oder zweite Chance

Und Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann hob auch noch einmal den familienpolitischen Ansatz gerade in Monheim am Rhein hervor, wo in der VHS zum Beispiel auch Tagesmütter und Tagesväter auf ihre spätere Aufgabe in der selbsternannten „Hauptstadt des Kindes“ vorbereitet würden.

Zimmermann: „Auch mit den Schulbildungslehrgängen versuchen wir ja eine Lücke zu schließen, für alle, die bei der allgemeinen Schulbildung zuvor durchs Raster gefallen sind.“ In Monheim, so Zimmermann, entfallen inzwischen über die Hälfte der angebotenen Kursstunden auf Integrations- und Schulbildungskurse – mit dem klaren Ziel, auch hier für mehr Chancengleichheit zu sorgen, per Frühförderung bei Kindern aber eben auch bei Zuwanderern oder auf dem ersten Bildungsweg zunächst Gestolperten, denen man über die VHS so nochmal die Hand reichen kann.

Monheims VHS-Leiter Wilfried Kierdorf: „Die oft im Kinder- und Jugendbereich gehörte Aussage ‚Wir lassen kein Kind zurück!‘, muss auch für den Erwachsenenbereich gelten. Wir stehen da mit Blick auf den demografischen Wandel vor neuen Herausforderungen.“ Sonja Leidemann: „Der demografische Befund ist ja klar: Wir werden älter, weniger und bunter. Und wenn wir bunter werden, also mehr Menschen mit Migrationshintergrund bei uns haben, dann werden auch für uns als VHS die Ansprüche an Fortbildung, Weiterbildung und berufliche Qualifikation neben den sprachlichen Aspekten weiter steigen. Chancengleichheit schaffen, die Menschen mitnehmen, das nimmt einen ganz zentralen Stellenwert in unserem Angebot ein.“ Und das Bild in den Monheimer Integrationskursen ändert sich schon jetzt. Kierdorf: „Da sitzen inzwischen auch viele durchaus vorgebildete junge Leute aus Spanien oder Griechenland drin, die hier ihre Beschäftigungschance suchen und sehr gezielt Deutsch lernen.“
Und auch für das große Ganze, den gesamten Bildungsbereich, vermochte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, tatsächlich so etwas wie ein Licht der Hoffnung anzuzünden. Dass Bildung in Deutschland heute Ländersache sei, und damit auf 16-fach verschiedene Weise interpretiert werde, benannte er als klares Problem. „Das ist zwar aufgrund historischer Zusammenhänge durchaus erklärbar. Es gibt aber, glaube ich, keinen zweiten Politikbereich, in dem die Erwartung der Menschen für Zuständigkeit so umgekehrt proportional zur Verfassungslage ist. Wenn sie sich hier in Monheim in die Fußgängerzone stellen und fragen, wer sollte für Bildung zuständig sein, der Bund oder das Land, sagen ihnen neun von zehn Menschen: Der Bund! Tatsächlich ist es aber genau umgekehrt. Dass das nicht immer vernünftig ist, darüber gibt es inzwischen glaube ich Konsens. Da muss man vielleicht tatsächlich mal gemeinsam an den Knoten ran und schauen, ob man nicht wenigstens ein paar Schleifen rausnimmt.“

Autor:

Thomas Spekowius aus Monheim am Rhein

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