Premiere im Theater an der Ruhr: „Die Marquise von O...“ verursacht ein Wechselbad der Gefühle

Regisseurin Esther Hattenbach und Dramaturg Sven Schlötcke.   Foto: Reiner Terhorst
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Heinrich von Kleists Novelle „Die Marquise von O...“ hat am Donnerstag, 15. Februar, 19.30 Uhr, Premiere im Theater an der Ruhr. Zugleich ist es eine Premiere für Esther Hattenbach, die nach über 45 hochgelobten Regiearbeiten in ganz Deutschland erstmalig im renommierten Haus am Raffelbergpark inszeniert.

Sie kehrt damit zu den Wurzeln ihres Schaffens zurück. Denn bevor sie vor gut 20 Jahr ihr Regiestudium begann, hospitierte sie ein halbes Jahr am Theater an der Ruhr. Helmut Schäfer war es, der sie jetzt „wiederentdeckte“ und für die Inszenierung der Kleistschen Novelle vorschlug. Der Autor selbst hat das Wort Novelle, zu deutsch „Neuigkeit“, nie benutzt, doch hat sich der Begriff für „Die Marquise von O...“ landläufig durchgesetzt. Neuigkeiten – für die damalige Zeit, aber auch treffsicher für heute – gibt es darin jede Menge.

Fast schon eine kriminalistische Handlung

Dramaturg Sven Schlötcke spricht gar von einer „kriminalistischen Handlung“. Es geht um Krieg, um Vergewaltigung, Rücksichtslosigkeit, aber auch um Rücksicht und Liebe, um Verständnis, um Verfehlungen und deren Wiedergutmachung. Eine Frau, die Marquise, wird im Krieg von Soldaten bedrängt. Ein Offizier tritt als Retter auf. Die Frau wird bewusstlos vom vermeintlichen Retter vergewaltigt und danach unwissentlich schwanger. Sie sucht per Zeitungsannonce nach ihrem Vergewaltiger. Letztlich scheint sie mit ihrem offensichtlichen Peiniger, den sie heiratet, glücklich zu werden und stürzt ihre Familie damit in ein Wechselbad der Gefühle.

Kleist, mit 15 Jahren Kindersoldat, hat den hautnah Krieg erlebt, der ihn traumatisierte. Er hat unter den bestehenden gesellschaftlichen Zwängen gelitten. Der zeitlebens Hin- und Hergerissene hat Momentaufnahmen gesellschaftlicher Entwicklungen zu Papier und letztlich auf die Bühne gebracht, die die Fragen, was gut oder böse, was richtig oder falsch, was wahr ist, nie vollends beantworten. Kleist hat in seinem Leben vieles gemacht. Er war Soldat, Beamter, wissenschaftlicher Aufklärer, aber er hatte nichts, an dem er sich dauerhaft festhalten konnte.

Eine rasante und chaotische Entwicklung

Letztlich hat die Zerrissenheit der Gesellschaft auch den Menschen Kleist zerrissen, der sich mit 34 Jahren am Wannsee die Kugel gab. Hinterlassen hat er literarische Meisterwerke, von denen jetzt eines im Rahmen des Jungen Theaters in Mülheim zur Aufführung kommt.

Die Bühne in der Hattenbach-Inszenierung ist ein Laufsteg. „Und darauf“, so die Regisseurin, „entwickeln sich rasante und chaotische Dinge.“ Fünf Schauspieler (Joanna Kitzl, Gabriella Weber, Nico Ehrenteit, Thomas Schweiberer, Rupert J. Seidl) und ein ein Schlagzeuger (Oliver Kerstan) sorgen für Paukenschläge der Ereignisse „Die Marquise von O...“ ist Stoff für das Zentral-Abitur im kommenden Schuljahr. Verständlich, dass die Partnerschulen des Theaters an der Ruhr reges Interesse bekunden.

Lebhafter Diskussionsstoff in den Schulen

Die Willy-Brandt-Gesamtschule in Styrum hat mit 90 Schülerinnen und Schülern den Proben beigewohnt. Zwei „Premierenklassen“ der Theodor-Gesamtschule in Duisburg-Beeck werden die Mülheimer Erstaufführung besuchen. Im Vorfeld haben die Eleven der 12. Jahrgangsstufen Besuch von Regisseurin Esther Hattenbach und dem Theaterpädagogen Bernhard Deutsch bekommen.

Hattenbach: „Das war spannend. Allein die Frage, wie die Schüler, zu einem großen Teil mit Migrationshintergrund, reagieren würde, wenn ihre Schwester vergewaltigt worden wäre und den Vergewaltiger heiraten will, hat für lebhafte Diskussionen gesorgt.“ Und die werden sich nach der ausverkauften Premiere sicher fortsetzen, ist ihr Lehrer Frederick Bender sicher, der mit dem Theater an der Ruhr seit langem eng zusammenarbeitet. 

INFO

In dieser Spielzeit finden noch fünf Vorstellungen von „Die Marquise von O...“ (27. Februar, 18 Uhr / 28. Februar, 11 Uhr / 10. April, 18 Uhr / 11.April, 11 und 19.30 Uhr statt. In der nächsten Spielzeit wird die Inszenierung verstärkt zu sehen sein.

Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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