Was Margarineschachteln mit Freundschaft zu tun haben. (2)

Sie sass vor ihrem Kaffee und überlegte, was sie heute zu tun hatte. Nichts, dachte sie, überhaupt nichts. Kochen mochte sie kaum für sich allein. Mal eine Dosensuppe oder etwas aus der Mikrowelle, aber es machte wenig Spass alleine zu essen. Früher hat sie um diese Zeit schon Kartoffeln geschält. Heute hatte sie nichtmal welche im Haus.
Sie beschloss auf den Friedhof zu gehen, zu ihrem Mann, als sie ein zaghaftes Klopfen hörte. Erstaunt sah sie zur Tür.
Sie sah nur schwarze Wuschelhaare, die auf und ab tanzten. Einen Moment schien ihr Herz stehen zu bleiben, und sie sprang so schnell auf, wie schon seit Monaten nicht.
Mit einem Ruck riss sie die Tür auf, und der Junge vor der Türe taumelte erschrocken zurück.
„Hallo!“ rief sie viel zu laut vor Freude, und der Junge kam wieder nach vorne. Ruckartig streckte er ihr rechten Arm entgegen. In seiner kleinen, brauen Faust wurden grade die Stengel der Blümchen zerdrückt, die er darin hielt.
Freudig lächelte sie den Jungen an, machte sogar so etwas wie einen Knicks, und nahm den kleinen Strauss entgegen. Sie steckte die Nase hinein, und war erstaunt über den Geruch. Den kannte sie doch? Sie sah die Blümchen genauer an. Kurze Stiele, lange Stiele, Butterblumen, Gänseblümchen, rosa Klee. ein blühendes Gras und...
....und Petersilie. Sie lächelte und nahm die Hand des Jungen.
Sie zog ihn zum Schrank und zeigte ihm ihre Vasen. Er begriff sofort, und nahm einen kleinen Krug mit Henkel aus dem Schrank, sah sich suchend um, und entdeckte die Küchenspüle. Er füllte den kleinen Krug und nahm ihr die Blümchen ab. Den Strauss stellte er hinein und sah sich wieder um. Da entdeckte er Rahmen mit Bildern. An einem Bild war ein Trauerflor. Er drehte sich um und sah sie fragend an. Sie nickte, und er stellte den Krug davor. Dann strahlte er sie an, und nahm ihre Hand. Er zog sie vor die Tür, und schaute zu ihr hoch. Sie begriff sofort. Er wollte mit ihr in den Garten.
Sie holte ihren Stock und stieg mit ihm die Treppe hinunter. Er zog sie langsam durch den Garten, und sah immer wieder die Bäume an. Instinktiv begriff sie, das er die Namen wissen wollte. Und so begann sie, ihm die Namen zu nennen. Er wiederholte sie immer einige male, und dann kamen der nächste Baum und seine Früchte.
Plötzlich blieb er stehen und sah sie an. er zeigte auf seine Brust und sagte: „Adnan“, zeigte dann auf ihre Brust und sie sagte: „Helga“.
Adnan und Helga gingen nun zusammen weiter durch den Garten und stellten fest, das man sich wunderbar unterhalten konnte, ohne auch nur ein Wort zu verstehen.
Nach einer Weile nahm sie ihn mit in ihre Küche und bot ihm Saft an. „Kuchen“; dachte sie. Ich muss Kuchen backen. Er trank in grossen Zügen, rieb sich den Bauch, und hielt ihr sein Glas nochmal hin. Sie schüttete lächelnd nach. Es war ihr selbstgemachter Apfelsaft, den er so gierig trank und als er mit der Zunge die Lippen ableckte, wusste sie, das es sich diesesmal lohnen würde, neuen Saft zu machen.
Bei dem Gedanken lächelte sie.
Plötzlich glaubte sie seinen Namen zu hören. Und tatsächlich stand in ihrem Garten ein Mädchen mit langen, dunklen Haaren und rief nach ihm.
Adnan zog sie an die Tür und deutete auf das Mädchen. Souer glaubte sie zu verstehen. Und sie begriff! Er konnte französisch! Und sie mühte sich um die unvergessenen Reste einer Sprache, die sie vor vielen, vielen Jahren gelernt hatte. Sie winkte dem Mädchen zu. Das Mädchen nickte leicht, kam aber nicht näher.
Adnan war ausser sich vor Freude, das sie sich nun unterhalten konnten. Er sagte ihr, das er zum Essen müsse, aber er käme wieder. Ob er dann wieder den leckeren Saft trinken dürfe.
Sie strich ihm über den Wuschelkopf und liess seine kleine Hand los. Er sprang zu seiner Schwester und erzählte aufgeregt, während er immer wieder zu ihr sah. Sie winkte beiden nach, und überlegte bereits, was sie noch alles brauchte für einen Kuchen.
In der Küche legte sie ihre Schürze ab, nahm den Einkaufskorb, die Geldbörse, den Schlüssel und ihre Monatskarte. Fast vergass sie ihrem Stock, so aufgeregt war sie, als sie zur Bushaltestelle ging. Vergessen war der Besuch auf dem Friedhof. Und ihr Herz klopfte vor Freude. Am liebsten hätte sie gesungen. Er kommt wieder, dachte sie immer wieder. Er kommt wieder....

Fortsetzung folgt

Autor:

Claudia Jacobs aus Mülheim an der Ruhr

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