Silent University Ruhr in Mülheim - Ein Ort wo schweigende Akademiker unter den Flüchtlingen wieder reden lernen

Bunte Holztreppen und Sitzsäcke laden genau wie die Seminarstühle zum Verweilen in der Silent University an der Leineweberstraße in Mülheim ein. Und direkt im Eingangsbereich hängen die Kunstwerke von Sara Burha zum Thema Flucht und Vertreibung. | Foto: PR Foto Köhring
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  • Bunte Holztreppen und Sitzsäcke laden genau wie die Seminarstühle zum Verweilen in der Silent University an der Leineweberstraße in Mülheim ein. Und direkt im Eingangsbereich hängen die Kunstwerke von Sara Burha zum Thema Flucht und Vertreibung.
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„Ein Lehr- und Lernort, an dem im Exil zum Schweigen gebrachtes Wissen durch Vorträge oder Seminare wieder hörbar wird.“ Es ist nur ein Satz unter vielen, der die Ausrichtung der Silent University Ruhr an der Leineweberstraße wiedergibt. Doch er trifft die Intention der Arbeit von Leiterin Kirsten Ben Haddou und ihrem Team perfekt.

Eine Uni ist ein Ort des Lebens, der Hoffnungen und Träume, der bitteren Enttäuschungen und vor allem ein Ort des Lernens und des Wissensaustausches. Genau das soll so bald wie möglich auch die Silent University Ruhr werden. Doch noch dominiert die Stille in den Räumen im Schatten des leergezogenen Kaufhofs. Zeit genug, um mit Kirsten Ben Haddou über das Konzept einer „Stillen Universität - Silent University auf deutsch“ zu plaudern. „Wir stehen hier in der Traditon der von Ahmet Ömür 2012 in London gegründeten Silent University. Inzwischen gibt es auch Standorte in Stockholm, Amman und Hamburg. Überall wird versucht, den Akademikern unter den Flüchtlingen eine Anlaufstelle zu geben, an der sie wieder lehren und lernen dürfen und wo sie Netzwerke knüpfen können, damit ihr Wissen wieder angewandt und genutzt werden kann.“

„Im hiesigen Exil zum Schweigen gebrachtes Wissen hörbar machen.“
Kirsten Ben Haddou, Leiterin Silent University Ruhr

Dank der Fördermittel desImpulse Theaterfestivals, der Urbanen Künste Ruhr und der Unterstützung des Ringlokschuppens hat sich der Veranstaltungsraum inzwischen deutlich eher einer Mischung aus Seminarraum und Bibliothek angenähert. Was fehlt sind die Menschen. Noch ist das Team klein, die bisherigen Veranstaltungen liefen vor allem im Rahmen des Impulse und des Urbane-Künste-Festivals. Doch Kirsten Ben Haddou ist sich sicher, dass sich bald herumspricht, was sie und ihre Mitstreiter auf die Beine stellen wollen. „Wir haben zudem von Anfang an Wert darauf gelegt, dass wir die Silent University Ruhr sind. Auch Menschen aus Essen, Oberhausen oder Duisburg sind willkommen und dürfen sich engagieren.“

"Die Silent University Ruhr ist wie der Name schon sagt für Flüchtlinge aus den Ruhr-Städten wie Mülheim, Bochum, Essen, Oberhausen oder Duisburg." Kirsten Ben Haddou, Leiterin Silent University Ruhr

So wie etwa Rachid Garnaoui. Der Diplom-Sozialarbeiter und Sozialpädagoge (FH) studierte zunächst Psychologie an der Universität Rabat in Marokko und später dann, da sein Studium hier nicht anerkannt wurde, legte er noch ein Studium der Sozialen Arbeit und Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule RWL in Bochum nach und machte sich nach dem erfolgreichen Abschluss 2012 mit der Interkulturellen Sozialpädagogischen Familienhilfe selbstständig. Kirsten Ben Haddou erzählt: „Rachid wird hier am 4. September einen Vortrag zum Thema Kindererziehung in Migrantenfamilien halten und kann vorher und nachher allen Akademikern, die als Flüchtlinge hier aktuell nicht arbeiten dürfen, wichtige Tipps geben. Denn er ist den gleichen Weg gegangen und ist inzwischen erfolgreich angekommen.“

"Wir wollen, dass die Akademiker wieder beginnen zu reden und ihr schweigen brechen. Denn wer einmal redet, der hört nicht wieder auf." Kirsten Ben Haddou, Leiterin Silent University Ruhr

Ankommen und sich ernst genommen fühlen, das sind für die Organisatoren der Silent University zwei weitere wichtige Faktoren. Der entscheidende Punkt, um all dies zusammen zu bringen, ist die Sprache. Vielfach beherrschen die Akademiker Englisch besser als ihre deutschen Gastgeber. Bei vielen Nordafrikanern ist eher Französisch die Muttersprache, manche sprechen trotz aller Bildung nur ihre Heimatsprache - doch damit die Stille durchbrochen wird, muss es eben einen gemeinsamen Nenner geben. Den zu finden, wird in solchen Momenten die Hauptaufgabe sein. Doch wer so viel zu sagen hat, wie ein lange zum Schweigen verurteilter Akademiker, da ist sich Ben Haddou sicher, „der wird einen Weg finden sich mitzuteilen. Und wenn er einmal wieder redet, dann wird er nie wieder schweigen. Und genau das wollen wir hier erreichen.“

Hintergrund:
Kirsten Ben Haddou und ihr Team brauchen in den kommenden Wochen und Monaten nicht nur viele Flüchtlinge mit akademischem Hintergrund, sondern gerade jetzt in der Anfangsphase auch noch tatkräftige Unterstützung. Etwa dafür, um die von Möbel Bernskötter gespendete Küche auch aufzubauen oder sich während möglicher Vorträge um Technik und Ton zu kümmern. Kontakt per Mail an benhaddou@silentuniversity.ruhr

Mehr zum Thema:
Mehr über die Situation der Flüchtlinge in Mülheim lesen Sie hier.

Autor:

Sven Krause aus Mülheim an der Ruhr

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