Kinder spielen Montag im Rathaus

Foto: PR-Foto Köhring

Seit drei Wochen befinden sich viele Erzieherinnen und Erzieher aus den städtischen Kindertageseinrichtungen im Streik. Seit drei Wochen versuchen die meist berufstätigen Eltern der betroffenen Kinder nun, ihren Alltag auch ohne die gesicherte Betreuung zu meistern.

Von den 39 städtischen Kitas sind viele geschlossen. Für 913 Kinder, für die der Bedarf angemeldet wurde, hat die Stadt Notgruppen eingerichtet. Doch offenbar fällt es der Stadt immer schwerer, diese Notgruppen aufrecht zu erhalten, weil zunehmend Erzieherinnen während des laufenden Streiks bei Verdi eintreten und auch streiken.

Treffpunkt Montag 14 Uhr am Rathaus

Den Eltern geht langsam die Luft aus. Manche haben die Kinder nicht zur Notbetreuung angemeldet, weil sie eine kurzfristige Lösung finden konnten - aber die Länge des Streiks wird immer mehr zum Problem. Andere müssen zunehmend Urlaubstage opfern, um ihre Kinder betreuen zu können. Und die leiden am meisten, vermissen ihre Freunde, ihre Erzieherinnen. Jetzt werden die Eltern aktiv. Am Montag wollen sie mit ihren Kindern ab 14 Uhr das Rathaus „besichtigen“.

Was sich so harmlos anhört, hat natürlich einen triftigen Grund: Nach einem Infoabend von Verdi am Donnerstag entschlossen sich Eltern verschiedener Kindertagesstätten, mit Aktionen auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen.

Facebook-Gruppe für betroffene Eltern

Noch am selben Abend gründete Alexander Kocks die Gruppe „Elternstreik Mülheim“ auf Facebook, die seitdem rasant wächst. Am Freitagnachmittag hatte sie bereits 150 Mitglieder - Eltern, die sich miteinander vernetzen, Aktionen abstimmen und ihre Erfahrungen austauschen.

Die erste Aktion ist der Rathausbesuch am Montag um 14 Uhr. Wohlgemerkt keine Demo. „Das Rathaus ist ein öffentliches Gebäude, das jeder Bürger innerhalb der Öffnungszeiten betreten darf. Das werden wir am Montag tun. Es kann sein, dass es etwas lauter wird, denn Kinder sind nicht leise und die einen oder anderen haben vielleicht auch Tröten dabei“, erklärt Kocks. Und jedes anwesende Kind bekommt von ihm eine Kugel Eis spendiert, verspricht er.

Ein Weckruf soll das sein für die Verwaltung. Und nicht nur am Montag. Auch am Dienstag und am Mittwoch wolle man mit den Kindern Besichtigungen durchführen: „Neben dem Rathaus sind auch die Bürgeragentur oder das technische Rathaus interessant“, schmunzelt Kocks.

Dem 36-jährigen alleinerziehenden Vater ist im Moment aber selten zum Lachen zumute. Obwohl er noch Glück hat: Seine Mutter kümmert sich während seiner Arbeitszeit um die sechsjährige Tochter. Im Sommer wechselt das Mädchen zur Schule. All die Vorschulaktionen, die geplant waren und auf die sie sich freute, finden vielleicht nicht statt. Und ob die offizielle Verabschiedung der Vorschulkinder in ihrer Kita Karlchen klappt, das weiß der Vater auch nicht.

Eltern organisieren selber Abschied der Vorschulkinder

Philipp Lemke geht es ähnlich. Der Vater eines zweieinhalbjährigen Sohnes und seine Frau sind berufstätig. Ihr Kind hat einen Platz in einer Notgruppe . „Aber wir wissen nicht, wie lange diese Notgruppe noch existiert.“ Jeden Morgen geht es nun für den Knirps nicht in die Dümptener Kita Sternenzauber, sondern zur Notgruppe an die Sellerbeckstraße. „Anfangs war das hier etwas chaotisch, aber inzwischen spielt sich das etwas ein.“ Wirklich Spaß in der neuen Kita hat Sohnemann aber auch nur dann, wenn seine beiden vertrauten Erzieherinnen da sind. „Ein großes Problem ist das Essen. In den Notgruppen gibt es kein warmes Essen, die Kinder müssen Snacks mitnehmen. Es gibt Kinder, die damit richtig Probleme haben“, weiß Lemke.

Um wenigstens die Vorschulkinder verabschieden zu können, plant der Elternrat der Kita Sternenzauber das Sommerfest nun privat. Im Rahmen des Festes sollen dann die künftigen I-Dötzchen verabschiedet werden, erzählt Philipp Lemke.

Jugendhilfeausschuss berät zum Thema Gebühren

Immerhin scheint Bewegung in die Frage der Gebühren-Rückerstattung zu kommen. Während die Verwaltung den Standpunkt vertritt, dass ihre Satzung eine Rückzahlung verhindere, will die Politik sich dafür aussprechen. Gelegenheit dazu hat sie am Montag, wenn um 16 Uhr der Jugendhilfeausschuss tagt und sich unter anderem mit diesem Punkt und der Rückzahlung des Essensgeldes beschäftigt. Die Sitzung wird wohl tubulenter. Neben den dann möglicherweise noch „das Rathaus besichtigende“ Familien hat auch Verdi den Besuch von 300 Streikenden angekündigt, um die Forderung der Eltern nach Rückerstattung zu unterstützen.

Elternstadtrat lädt zum Infoabend

Der Stadtelternrat, der neutral bleiben möchte, möchte sich mit Eltern zum Streik austauschen und Aktionen planen. Am Montag, 1. Juni, um 20 Uhr veranstaltet der Stadtelternrat einen Elternabend im Haus des Sports, Südstraße 25. Vorher wird um 16 Uhr in der öffentlichen Sitzung des Jugendhilfeausschusses ein erster Beschluss zur Erstattung von Elternbeiträgen und Verpflegungskosten gefasst. Der Stadtelternrat hat einen Sitz als beratendes Mitglied im Jugendhilfeausschuss.
Auf der Infoveranstaltung von Verdi haben Eltern unabhängig vom Stadtelternrat beschlossen, einen Einwohnerantrag aufzusetzen. Darin fordern sie, die während des Streiks eingesparten Personalkosten in die Kitas zu investieren - und nicht zu Haushaltssanierung zu nutzen.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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