Protestwelle rollt durchs Netz

Foto: Franziska Mauritz
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Die Abiturienten, die gemeinsam gegen die umstrittene Mathe-Klausur in der vergangenen Woche protestieren, haben einen ersten Teilerfolg erreicht. Bildungsministerin Sylvia Löhrmann lässt die Klausur noch einmal prüfen, bevor sie eine weitere Entscheidung treffen will - obwohl sie die Aufgaben „für anspruchsvoll, aber lösbar“ hält.

Welche Wucht ein sogenannter „Shit-Storm“, ein geballter Protest innerhalb der sozialen Netzwerke entfachen kann, das erlebt Löhrmann gerade. Wieder einmal gibt es Ärger um eine Klausur des Zentralabiturs, diesmal in Mathe.
Letzte Woche Mittwoch grübelten alle Abiturienten über ihren Klausuren - und viele waren entsetzt, weil sie mit den gestellten Aufgaben nicht zurechtkamen. Auch nicht Schüler, die mit guten Vornoten in die Prüfung gegangen sind.
Es gründete sich am 18. April eine Facebook-Gruppe (www.facebook/groups/249824755158674), die innerhalb einer knappen Woche auf über 10.500 Mitglieder angewachsen ist und in der rege diskutiert wird.

Offenbar gab es im Aufgabenpool für die Klausuren im Grund- und Leistungskurs, aus denen die Lehrer Aufgaben aussuchen konnten, einige, die schwerer waren als andere, obwohl die Gewichtung dieselbe ist. Je nachdem, ob Lehrer den höheren Schwierigkeitsgrad erkannten oder nicht, bekamen ihre Schüler teils nur sehr schwer lösbare Aufgaben. Nachrechnen können das aber auch Experten nicht, denn die originalen Aufgabenstellung hält das Ministerium unter Verschluss - aus Datenschutzgründen.

Die Kommentare, die man in der eigens gegründeten Facebook-Gruppe lesen kann, sind deutlich: „Es war einfach zu wenig Zeit für so viele relativ anspruchsvolle Aufgaben“ (Yasman), „Totaler Scheiß, kann man nix mit anfangen“ (Tobias), „Die Stimmung ist im Keller. Auch Einser-Kandidaten hatten Probleme“ (Tina). Noch in der vergangenen Woche wurde eine Petition verfasst, bei der inzwischen 7130 Menschen unterschrieben haben. Darin fordern die Schüler verbesserte und sinnvollere Arbeitsaufgaben sowie eine fachkompetente Kontrolle dieser und allen zukünftigen Klausuren vor der Aushändigung an die Fachlehrer.

Auch Eltern unterstützen den Protest: „Ich bin eine betroffene Mutter. Und so ein Abitur ist doch keine Losveranstaltung. Letztes Jahr waren die Klausuren eher einfacher dieses Jahr eher schwerer. Was ist denn daran bitte vergleichbar“ (Nicole Tümmers)?

Nachdem zahlreiche Schüler nach einem entsprechenden Aufruf am Montag das Landesministerium mit E-Mails und Anrufen belagert hatten, folgte an diesem Dienstag die Demo in Düsseldorf. Mit vor Ort war auch Franziska Mauritz, Abiturientin am Otto-Pankok-Gymnasium.

„Mathematik ist schon seit langem für viele Schüler ein Angstfach. Dennoch haben es vergleichsweise viele Schüler der Otto-Pankok Schule als drittes Abifach gewählt. Viele meiner Freunde und ich selbst auch gingen mit einer guten Vorbenotung im Einser- oder Zweierbereich in die schriftliche Abiturprüfung im Grundkurs Mathematik. Als Vorbereitung wurden viele der Klausuren aus den Vorjahren gerechnet, die meisten konnten relativ problemlos gelöst werden. Dann kam der Tag der Abiturprüfung. Natürlich war die Stimmung vor der Klausur angespannt, als diese dann ausgegeben wurde, kippte sie bei vielen Schülern in Verzweiflung. Die von unseren Lehrern ausgewählten Aufgaben sollen die einfachsten gewesen sein, doch sie waren wesentlich schwieriger als die Klausuren aus den Vorjahren. Die Aufgabenstellungen waren kompliziert formuliert und es war nur schwer erkennbar, was für eine Rechnung angewendet werden soll. Teilweise waren die geforderten Rechnungen absolutes Neuland, weder im Unterricht noch in den Klausuren in den Vorjahren waren ähnliche gefordert“, berichtet sie.

„Es gab Mitschüler, die während der Klausur geweint haben, weil sie so verzweifelt waren. Ein Großteil der Schüler stellt sich auf eine Nachprüfung ein.“ Auch bei ihr gehen wie bei vielen anderen der protestierenden Schüler die Gedanken noch weiter: „Die Abiturklausur in Mathematik wird bei vielen G8- oder G9-Schülern den Schnitt drastisch herunterziehen - kann das vom Ministerium gewollt sein?“

Denn gerade bei dem doppelten Abi-Jahrgang ist der Druck enorm hoch, einen guten Abi-Schnitt hinzulegen. Auf dem größten Teil der Studienfächer liegt ein Numerus Clausus. Selbst wer Germanistik studieren will, braucht an manchen Unis heutzutage schon einen Schnitt mit einer 1 vor dem Komma. Und so wird auf Facebook inzwischen auch über Schüler als Spielball der Politik oder das gesamte Bildungssystem diskutiert: „Wenn ihr das hier mit eurem Nachschreibtermin durchgebracht habt, könnt ihr gleich mit Demonstrationen gegen die 16 unterschiedlichen Bildungssysteme in Deutschland weiter machen! Das ist nämlich mindestens genauso beschissen!“ (Änna).

Den Schülern würde es aber erst einmal reichen, wenn sie die Möglichkeit bekommen würden, die Mathe-Klausur freiwillig nachzuschreiben - mit gerechteren Aufgabenstellungen.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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